Düsseldorf. Der frühere NRW-Ministerpräsident Armin Laschet bekommt einen einflussreichen Nebenjob bei der RAG-Stiftung. Seit Jahren pflegt er enge Kontakte.

Dass sich Armin Laschet dem Erbe der deutschen Bergbaugeschichte verbunden fühlt, weiß spätestens seit Anfang 2021 ganz Deutschland. Damals hielt der Aachener beim Digital-Parteitag am Ende seiner viel beachteten Bewerbungsrede für den CDU-Bundesvorsitz einen kleinen golden Chip in die Kamera. Die eingestanzten Ziffern 813 und die Kennung „A1“ konnte man gut lesen.

Es war die alte Kumpelmarke seines Vaters, der bis 1968 als Steiger auf Zeche Anna I in Alsdorf geschuftet hatte, bevor er im berühmten „Mikätzchen“-Programm auf Grundschullehrer umschulte. Der inzwischen 87-jährige Heinz Laschet hatte dem Sohn den Talisman zum Parteitag mitgegeben - für ihn ein Glücksbringer und die ewige Erinnerung an Vertrauen und Verlässlichkeit, wie sie wohl nur „auf Zeche“ gelebt wurden.

Neuer Chefkontrolleur der RAG-Stiftung: Habeck nominiert Laschet

Mit der familiären Prägung als Bergmannssohn begründete Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) nun auch Laschets Nominierung als neuer Kuratoriumsvorsitzender der RAG-Stiftung. Dieser kenne die Geschichte des Steinkohlebergbaus „wie kaum ein anderer“, lobte Habeck. Doch die überraschende Besetzung dürfte weniger mit Emotionen oder Folklore zu tun haben als mit einem belastbaren persönlichen Netzwerk, das den tief gefallenen Ex-Kanzlerkandidaten, Ex-Ministerpräsidenten und Ex-CDU-Vorsitzenden Laschet ein Jahr nach seinem Höllensturz bei der Bundestagswahl auffängt.

Schließlich geht es bei dem Kuratorium um das Kontrollgremium einer milliardenschweren Stiftung, die die Ewigkeitslasten des Bergbaus finanziert und einflussreiche Beteiligungen wie die Mehrheit am Chemiekonzern Evonik hält. Nicht zu vergessen: Die laut RAG-Stiftung 60.000 Euro Aufwandsentschädigung pro Jahr muss Laschet ohne Regierungsamt auch nicht mehr abführen.

Der 61-Jährige ist ja inzwischen einfacher Bundestagsabgeordneter und geht als Mitglied im Auswärtigen Ausschuss alten Lebensthemen wie etwa dem Nahostkonflikt oder der deutsch-französischen Freundschaft nach. Als Hinterbänkler nimmt er sich zudem die Freiheit, öffentlich zu sagen, was er denkt. Zum Missfallen seiner Partei lobte er zuletzt auffallend häufig den abwägenden Stil Habecks, den er in der Energiekrise angemessen findet.

Schnell auf Tuchfühlung mit Werner Müller

Verbiegen muss sich Laschet dafür nicht. Er gilt seit Jahrzehnten als liberaler „Grünen-Versteher“ innerhalb der CDU und ist mit Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir seit gemeinsamen Anfängen in Bonn Mitte der 90er Jahre persönlich befreundet. Im Bundestagswahlkampf ging der harmoniebedürftige Rheinländer Laschet im Kanzler-Triell mit Annalena Baerbock und Olaf Scholz auffallend pfleglich um – sogar, als Umfragewerte auf Talfahrt rasten. So etwas vergisst die Konkurrenz, die jetzt an den Schalthebeln der Macht sitzt, wohl nicht so schnell.

Vor allem aber kann sich Laschet in der NRW-Industrie auf verlässliche Kontakte stützen. Als Ministerpräsident ging er schnell auf Tuchfühlung mit Werner Müller, dem früheren Wirtschaftsminister des SPD-Kanzlers Gerhard Schröder und Erfinder der RAG-Stiftung. Laschet interessierte dabei nicht, dass der begnadete Netzwerker Müller, der die Blaupause für den deutschen Steinkohleausstieg entwarf, in der NRW-CDU lange nicht gut gelitten war.

Es entwickelte sich eine persönliche Nähe. Noch 2018 verlieh Laschet als Ministerpräsident dem vom Krebs gezeichneten Manager in einer eigens arrangierten Feierstunde in der Düsseldorfer Staatskanzlei den Landesorden. Bei dessen Beerdigung im Sommer 2019 hielt er eine bewegende Trauerrede im Essener Dom.

Gute Beziehungen zu Stiftungschef Tönjes

Auch zum heutigen RAG-Stiftungschef Bernd Tönjes pflegt Laschet gute Beziehungen. Beide zeigten sich 2018 bei einer der letzten Grubenfahrten auf Prosper Haniel in Bottrop gemeinsam in Steigerkluft. Laschet durfte damals auf Einladung der RAG seinen Vater, seine Frau und seine Brüder mit unter Tage nehmen.

Vor allem fasziniert den CDU-Mann seit Jahren die von Müller erdachte Konstruktion des Kohleausstiegs mit der Abspaltung der Chemiesparte als Evonik-Konzern aus der alten Ruhrkohle AG. Mit großer Begeisterung und einem illuminierten Förderturm als Kulisse stellte der geschichtsbewusste Laschet 2018 in Düsseldorf persönlich ein Buch des Journalisten Gerhard Spörl zu Zukunftsperspektiven des Ruhrgebiets vor, das mancher als Hommage an Müller las.

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Ein alter Bekannter ist auch Evonik-Chef Christian Kullmann, der im Bundestagswahlkampf für den Kanzlerkandidaten Laschet trommelte wie sonst kaum ein Wirtschaftsführer in Deutschland.

Seit seinem Rücktritt als Ministerpräsident im Herbst 2021 kommt Laschet zudem zugute, dass Amtsnachfolger Hendrik Wüst ihn in der Ruhrwirtschaft weiter gewähren lässt. Den normalerweise dem amtierenden Ministerpräsidenten zustehenden Kuratoriumssitz in der Krupp-Stiftung durfte er sogar behalten. Auch seinen Aufstieg zum Chefaufseher der RAG-Stiftung scheint man in Düsseldorf nicht ungern zu sehen.

Laschet und Wüst haben sich erkennbar arrangiert

Die beiden ungleichen Politiker Laschet und Wüst haben sich erkennbar arrangiert. Und obwohl Wüst aus dem CDU-Wirtschaftsflügel kommt, scheint er bislang nicht als „Chef der NRW-AG“ wahrgenommen werden zu wollen. Deutlich seltener als einst der umtriebige Laschet sucht der heutige Regierungschef öffentlich wahrnehmbar die Nähe von Spitzenmanagern.

Habeck wiederum dürfte gefallen, dass mit Laschet auch der frühere Grünen-Spitzenpolitiker Reiner Priggen und die ehemalige grüne Regierungspräsidentin Anne Lütkes ins Kuratorium der RAG-Stiftung einziehen. So entsteht ein Personaltableau, das viele Interessen berücksichtigt.

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