Essen. Im Januar steigen die Strompreise – ab dann soll die staatliche Bremse die Menschen schützen. Doch die Stadtwerke sagen: Das schaffen wir nicht.

Dem Gaspreisschock folgt der Strompreisschock – das ist bereits seit Monaten klar. Abzulesen an den sprunghaft gestiegenen Preisen an den Terminmärkten für Lieferzeiträume im neuen Jahr. Das naht nun und mit ihm die nächsten Erhöhungen. Ein Anbieter nach dem andern informiert in diesen Tagen seine Kundinnen und Kunden über die in der Regel ab Neujahr gültige Preiserhöhung. Bisher haben laut Check24 mehr als 400 Grundversorger eine Anhebung zum 1. Januar angekündigt.

Genau dann soll auch die Strompreisbremse eine Überlastung der Haushalte verhindern. Das einzige Problem: Den von der Bundesregierung angesetzten Termin halten die Stromversorger, allen voran die Stadtwerke, für nicht einhaltbar. Ob die Entlastung wirklich kommt, ist deshalb offen.

„Ungeheuer komplexes Gesetzesvorhaben“

Für Haushaltskunden soll bei 40 Cent Arbeitspreis je Kilowattstunde (kWh) der Deckel drauf – so plant es die Bundesregierung. Diesen Preis sollen die Versorger für 80 Prozent des jeweiligen Vorjahresverbrauchs ansetzen, für jede Kilowattstunde darüber gilt der aktuelle Preis. Für Industriekunden soll der Deckel bei 13 Cent für 70 Prozent des Vorjahresverbrauchs liegen. Ähnliches plant die Regierung beim Gas bis März, der Stromdeckel soll bereits zum 1. Januar kommen.

Doch bisher gibt es noch nicht einmal einen Kabinettsbeschluss. Weder dazu, wie genau die Bremse umgesetzt werden soll noch zu ihrer Finanzierung. Die soll im Wesentlichen aus der Abschöpfung von „Zufallsgewinnen“ der Stromerzeuger kommen, die den Gesetzesschreibern aber alles andere als leicht von der Hand geht. Weil es ein „ungeheuer komplexes Gesetzgebungsverfahren“ sei, hat das Kabinett diese Entscheidung zuletzt auf Ende November vertagt. Die Abstimmung im Bundestag peilt Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) nun bis Mitte Dezember an.

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Viel zu spät, sagen alle großen Ruhrgebiets-Stadtwerke in unterschiedlicher Akzentuierung. „Das für die Strompreisbremse angedachte Kontingentmodell ist anspruchsvoll und zum 1. Januar 2023 nicht umsetzbar“, sagte Heike Heim, Chefin des Dortmunder Energieversorgers DEW 21, unserer Redaktion. „Stand jetzt scheint eine Implementierung bis zum 1. Januar 2023 nicht möglich zu sein“, heißt es aus Duisburg. Eine „gewaltige Aufgabe“ nennt Frank Thiel, Geschäftsführer der Stadtwerke Bochum, das Vorhaben.

Stadtwerke schlagen Alternativen für Januar vor

Das klingt schon weniger absolut, doch Thiel rät dringend dazu, schon jetzt einen anderen Weg zu gehen, damit die Menschen auch wirklich zum Jahresbeginn entlastet werden: „Wenn es schnell gehen soll, muss es eine einfachere Lösung geben. Es wäre sinnvoller, Anfang des Jahres die ,Dezember-Lösung’ zu wiederholen und Abschlagszahlungen auszusetzen anstatt die Preisbremsen vorzuziehen.“ Für Dezember hat die Regierung beschlossen, die monatlichen Heizkosten ganz zu übernehmen. Das wird für Mieter in aller Regel aber erst in der Jahresabrechnung spürbar, die erst zwischen März und Dezember kommt.

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Dortmunds Energiemanagerin Heike Heim hält eine „Absenkung des Mehrwertsteuersatzes auf sieben Prozent“ und eine Senkung der Stromsteuer auf den europäischen Mindestsatz für geeignet, um eine schnelle Entlastung zu erreichen. Das fordert auch der Stadtwerke-Dachverband VKU. Dessen Hauptgeschäftsführer Ingbert Liebing sagte unserer Redaktion unmissverständlich: „Die Einführung der Strompreisbremse zum 1. Januar 2023 ist nicht machbar.“ Falls eine rückwirkende Entlastung gewünscht sei, hänge die Umsetzbarkeit von der konkreten Ausgestaltung des Gesetzes ab. „Dazu sind wir im ständigen Austausch und Gesprächen mit der Bundesregierung“, erklärte Liebing.

Die Umstellung der IT ist der Knackpunkt

Was genau die Versorger überfordert? „Abrechnungsprozesse sind vor allem IT-seitig sehr komplex“, heißt es aus Duisburg. Die Verzögerung bei der Gesetzgebung ist da wenig hilfreich: „Bislang fehlen konkrete gesetzliche Regelungen zur Ausgestaltung einer solchen Strompreisbremse. Wir wissen also heute noch gar nicht, welche Anforderungen von uns zu erfüllen sein werden.“ Warum das nicht über Nacht geht und auch nicht unter zu großem Zeitdruck gemacht werden sollte, sagt DEW 21-Chefin Heim: „Wir sprechen über ein komplexes System, in dem Hunderttausende von Verbraucherinnen und Verbrauchern mit einer Vielzahl unterschiedlicher Tarifgestaltungen korrekt abgerechnet werden müssen.“

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Wie schlimm eine Verschiebung für die Haushalte wäre, hängt indes sehr vom Wohnort ab. Denn die Strompreise gehen bei den Stadtwerken weit auseinander. In Duisburg etwa hätte der Deckel bei 40 Cent Stand jetzt überhaupt keine Auswirkungen, weil der Preis in der Grundversorgung mit vergleichsweise niedrigen 33,74 Cent weit darunter liegt. In Bochum steigt der Bruttopreis im neuen Jahr um 18,73 Cent auf 44,17 Cent, die Wirkung der Bremse wäre also überschaubar, ebenso in Dortmund mit 43,03 Cent. In diesem Bereich liegt auch der Stromarbeitspreis der Emscher Lippe Energie (ELE), die für die Grundversorgung in Gelsenkirchen, Bottrop und Gladbeck verantwortlich ist und ab Januar 43,96 Cent nimmt.

Bei den Essener Stadtwerken dagegen liegt der Preis für Neukunden bereits über 60 Cent, für den Verbrauch einer Durchschnittsfamilie bei 61,81 Cent. Das ist fast das Doppelte dessen, was in Duisburg verlangt wird. Allerdings sind die Stadtwerke in Essen beim Strom auch nicht der Grundversorger. Das ist wie in vielen anderen Städten Eon, Deutschlands größter Energieversorger. Und der nimmt in Essen wie etwa auch in Castrop-Rauxel als Grundversorger derzeit mit 30,85 Cent nur die Hälfte. Zum Jahresbeginn seien keine Preisanpassungen geplant, sagte ein Eon-Sprecher. Die könnten aber später folgen. „Die konkrete Entwicklung ist aber aktuell nicht seriös prognostizierbar“, sagt er.

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