Essen. Mieterschützer kritisieren, dass Mieter die Gutschrift für die Dezember-Gasrechnung erst Monate später erhalten. Stadtwerke sehen sich am Limit.

Die von der Bundesregierung angekündigte Gutschrift des Dezember-Abschlags für Gasheizungen führt zunehmend zu Verwirrung. Mieterschützer forderten am Donnerstag, dass die Erstattungen sofort und nicht erst mit den Nebenkosten-Abrechnungen bis Ende 2023 die Mieterinnen und Mieter entlasten sollen.

Nach Berechnungen der Verbraucherzentrale NRW können Mieter für Dezember mit rund zehn Prozent ihrer Jahreskosten rechnen. Bei einer vierköpfigen Familie mit einem Gasverbrauch von 20.000 kWh wären das rund 300 Euro – bei einem Gaspreis von 18 Cent pro Kilowattstunde. Die Energieexpertin Christina Wallraf warnt allerdings vor überzogenen Erwartungen. „Am Ende wird man de facto nicht mehr Geld in der Tasche haben, weil die Gaspreise steigen. Die Nachzahlung wird allenfalls niedriger ausfallen“, sagte sie unserer Redaktion und verwies darauf, dass Haushalte, die mit Flüssiggas, Pellets oder Strom heizen, bei der Dezember-Erstattung leer ausgehen werden.

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Auch Gaskunden werden die Entlastung frühestens im März 2023 spüren, wenn Vermieter die ersten Nebenkosten-Abrechnungen verschicken. Dafür haben sie bis zum Ende des kommenden Jahres Zeit. Daran üben Mieterschützer heftige Kritik. „Die sehr intransparenten Nebenkosten-Abrechnungen ermöglichen es großen Konzernen wie Vonovia und LEG, sich an den steigenden Gasrechnungen zu bereichern“, sagt Knut Unger vom Mieterverein Witten. Die börsennotierten Unternehmen profitierten gleich doppelt von der aktuellen Energiekrise, weil sie über Tochterfirmen selbst Wärme anböten und die vom Staat ausbezahlten Dezember-Abschläge erst spätestens Ende 2023 an ihre Kunden weiterreichen müssen.

Mieterschützer: Gutschrift für Dezember muss sofort kommen

Beide Konzerne weisen die Kritik zurück. „Es handelt sich um eine durch den Deutschen Bundestag gesetzlich vorgegebene Vorgehensweise“, erklärt ein LEG-Sprecher. „Wir erfüllen auch in der neuen, komplexen rechtlichen Situation alle Vorgaben und versuchen, unsere Mieterinnen und Mieter so gut es geht hier durch zu navigieren und Einzelpositionen zu erläutern“, wehrt sich auch ein Vonovia-Sprecher gegen den Vorwurf der Intransparenz.

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Der Deutsche Mieterbund erwartet dennoch „ein Verwaltungschaos“ im Umgang mit dem Dezember-Abschlag und der Gaspreisbremse, die nach dem Willen der Bundesregierung spätestens am 1. März 2023 greifen soll. „Keiner der großen Wohnungskonzerne schafft es, alle Belege für die Nebenkosten vorzulegen“, erklärt der Kölner Mietrechtler Manfred Grimm. Weil der Gesetzgeber keine Sanktionsmaßnahmen vorsehe, befürchtet er, dass nicht alle Vermieter ihrer Pflicht nachkommen könnten, ihre Mieter über die Gutschriften für den Dezember zu informieren.

Stadtwerke unter Druck

Bei der Berechnung der Gutschrift für den Dezember-Abschlag auf Basis des im September geltenden Tarifs und der von der Bundesregierung geplanten Gaspreisbremse kommt auf die knapp 1000 Energieversorger in Deutschland eine Menge Arbeit zu. „Für die Stadtwerke bedeutet die Dezember-Entlastung einen erheblichen Aufwand, denn die Zahlungsläufe von mehreren Millionen Kundinnen und Kunden müssen angepasst werden“, sagt Ingbert Liebing, Hauptgeschäftsführer des Verbands kommunaler Unternehmen (VKU).

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Dabei müssen sich die Stadtwerke an ein komplexes Verfahren halten, das die Bundesregierung vorgibt. Die Entlastungszahlungen aus Bundesmitteln, die in der Regel an Vermieter überwiesen werden, müssen die Stadtwerke erst einmal beantragen: Mit der Annahme der Anträge und einer ersten Prüfung hat die Bundesregierung das Unternehmen PwC beauftragt. Die Auszahlung der Dezember-Anschläge erfolgt nach einer weiteren Prüfung durch die staatliche Förderbank KfW.

3000 bis 4000 Kundenanfragen täglich in Bochum

„Bereits jetzt ist aber absehbar, dass nicht alle Energieversorger rechtzeitig zum 1. Dezember 2022 die zur Weitergabe an ihre Kunden gedachten staatlichen Entlastungszahlungen von der KfW auf dem eigenen Geschäftskonto haben werden, aber trotzdem ihre gesetzlichen Entlastungspflichten für die Kunden erbringen“, betont Verbandsgeschäftsführer Liebing.

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Wie groß der Druck auf die Stadtwerke ist, zeigt das Beispiel Bochum. „IT-Prozesse müssen angepasst, die Preisbremsen eingepflegt und in den Abrechnungen für alle Kundengruppen berücksichtigt werden. Das ist in der Kürze der Zeit eine gewaltige Aufgabe“, sagt Kai Krischnak. Der Sprecher der Bochumer Stadtwerke verweist darauf, das in seinem Unternehmen täglich 3000 bis 4000 Fragen von Kundinnen und Kunden eingingen. „Unser Kundendienst ist aktuell aufgrund der zahlreichen Anfragen überlastet“, so Krischnak.

Forderungen aus Politik und Wirtschaft, die für den 1. März 2023 geplante Gaspreisbremse vorzuziehen, erteilen die Stadtwerke Bochum wegen der großen Belastung eine Absage. Wenn es schnell gehen soll, muss es eine einfachere Lösung geben. Es wäre sinnvoller, Anfang des Jahres die „Dezember-Lösung“ zu wiederholen und Abschlagszahlungen auszusetzen, anstatt die Preisbremsen vorzuziehen“, erklärt der Sprecher und unterstreicht: „Selbstverständlich werden wir alle geplanten Entlastungen durch die Preisbremsen an unsere Kunden weitergeben.“