Essen. Galeria bittet den Bund um weitere 300 Millionen Euro. Politiker fordern von Eigner Benko, der gerade selbst unter Druck steht, Investitionen.

Wenn es um die Rettung des angeschlagenen Essener Warenhauskonzerns Galeria Karstadt Kaufhof geht, richten sich in diesen Tagen alle Blicke auf den Eigentümer. „René Benko ist am Zuge“, meint nicht nur NRW-Wirtschaftsministerin Mona Neubaur. Auch die Gewerkschaft Verdi ist der Auffassung – und nicht zuletzt Bund und Europäische Union. Denn eine neuerliche Staatshilfe kann nur fließen, wenn auch die Galeria-Muttergesellschaft Signa zahlt, die sich allerdings gerade aus einem ganz anderen Grund in Turbulenzen befindet.

Am vergangenen Dienstag tauchte die Staatsanwaltschaft bei Benkos österreichischer Signa-Holding auf, um Büroräume zu durchsuchen. Einem Bericht der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ zufolge gehen die Staatsanwälte dem Verdacht der Bestechung nach. Zwischen 2016 bis 2018 soll der Milliardär Benko demnach ranghohen Mitarbeitern im Wiener Finanzministerium gut dotierte Führungsposten in seinem Unternehmen angeboten haben – sozusagen als Entgegenkommen bei Steuerprüfungsverfahren.

Auch interessant

Die Staatsanwälte berufen sich laut FAZ auf einen Kronzeugen, der angibt, von Signa bestochen worden zu sein. Dessen Aussagen machten Dutzende österreichische Persönlichkeiten während der Ermittlungen zu Beschuldigten. Signa wollte sich auf Anfrage nicht dazu äußern.

Benko hat einen weit verzweigten Immobilien- und Handelskonzern aufgebaut, zu dem nicht nur Deutschlands einzig verbliebene Warenhauskette Galeria gehört. Unter dem Signa-Dach befinden sich Hotels, Luxuskaufhäuser und eine Vielzahl anderer Immobilien. Das Magazin „Business Insider“ meldet, dass die Signa-Holding im vergangenen einen Jahresüberschuss von 570 Millionen Euro erwirtschaftet haben soll.

Auch interessant

Wegen der Corona-Pandemie, hoher Energiekosten und Kaufzurückhaltung ist Galeria erneut in schweres Fahrwasser geraten. Nachdem der Bund das Unternehmen bereits in zwei Runden mit 680 Millionen Euro gestützt hatte, hat es erneut Staatshilfe beantragt. Nach Informationen unserer Redaktion soll es sich um 300 Millionen Euro handeln.

Ob die Bundesregierung weitere Staatskredite genehmigen wird, hängt auch von Benko ab. Aus beihilferechtlichen Gründen muss seine Signa-Holding einen Eigenbeitrag leisten. Die Rede ist von 20 Prozent, die Signa bislang entrichtet haben soll. Unbekannt ist, ob Benko dazu auch diesmal, beim dritten Antrag, bereit ist. Während des Schutzschirmverfahrens im Jahr 2020 hatte Signa 366 Millionen Euro hinzugeschossen.

Auch interessant

NRW-Wirtschaftsministerin Mona Neubaur jedenfalls macht Druck: „Ich glaube, Herr Benko ist am Zug“, sagte die Grünen-Politikerin bei einem Treffen der Wirtschaftspublizistischen Vereinigung in Düsseldorf. Bei etwaigen Rettungsbemühungen des Staates müsse ausgeschlossen werden, dass Galeria „ein Fass ohne Boden“ werde. Neubaur warnte allerdings auch davor, Galeria Karstadt Kaufhof in eine Insolvenz zu schicken. „Ich halte es für keine kluge Idee, jetzt zu sagen, wir lassen Galeria pleite gehen“, sagte die Ministerin.

Der liberale Koalitionspartner im Bund betont indes, dass auch Staatshilfe kein Automatismus sein dürfe. „Bei Galeria Karstadt Kaufhof steht vor allem die unternehmerische Verantwortung des Eigentümers im Vordergrund. Es darf nicht vergessen werden, dass man als Unternehmer nicht nur für wirtschaftliches Handeln, sondern auch für seine Beschäftigten Verantwortung trägt“, sagte Marcel Hafke, Parlamentarischer Geschäftsführer der FDP-Landtagsfraktion, unserer Zeitung. „Unterstützung durch den Staat gab es für Galeria Karstadt Kaufhof immer wieder. Es darf kein Automatismus werden, dass der Staat direkt einspringt.“

Auch interessant

Auf Benko setzt auch Verdi. Am Donnerstag kam zum zweiten Mal innerhalb weniger Tage die Bundestarifkommission zusammen. Vor zwei Wochen war die Gewerkschaft davon überrascht worden, dass Galeria den Tarifvertrag gekündigt hatte. Bundesvorstandsmitglied Stefanie Nutzenberger kündigte nach der Sitzung Verhandlungen mit Galeria an. „Nicht nur das Unternehmen, auch die rund 17.000 Beschäftigten befinden sich in einer Notlage. Deshalb werden wir einen Tarifvertrag verhandeln, der existenzsichernde Einkommen garantiert“, sagte sie. Zurzeit verzichteten die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer auf Bestandteile des monatlichen tariflichen Einkommens sowie auf das Weihnachts- und Urlaubsgeld, was für eine Galeria-Verkäuferin in Vollzeit einen jährlichen Verlust von rund 5500 Euro bedeutet.

Der Druck auf die Bundesregierung ist groß

Verdi hat inzwischen ein eigenes Gutachten in Auftrag gegeben, das die wirtschaftliche Lage des Essener Unternehmens bewerten soll. Im Geschäftsjahr 2020/21, das am 30. September endete, hatte Galeria einen Verlust von 622,2 Millionen Euro eingefahren. Auch für 2021/22 erwartete Geschäftsführer Miguel Müllenbach laut Finanzbericht rote Zahlen „im unteren bis mittleren dreistelligen Millionenbereich“.

Um die Bundesministerien für Finanzen und Wirtschaft von einem neuerlichen Staatskredit zu überzeugen, hat Galeria inzwischen ein Gutachten vorgelegt, das die Krise der 131 Warenhäuser in Deutschland vor allem auf „exogene Faktoren“ zurückführt, die das Unternehmen nicht beeinflussen könne. Die Rede ist dabei von der Corona-Pandemie, der Kaufzurückhaltung aufgrund der hohen Inflation und der gestiegenen Preise für Gas und Strom. Galeria-Chef Müllenbach verweist darauf, dass der Konzern in den nächsten zwei Jahren mit zusätzlichen Energiekosten in Höhe von 150 Millionen Euro belastet werde.

Auch interessant

Der Druck auf die Bundesregierung ist groß. Während andere Handelsunternehmen vor einer neuerlichen Stützung von Galeria Karstadt Kaufhof warnen, weil sie darin eine Wettbewerbsverzerrung sehen, hat der Warenhauskonzern dem Bund nach Informationen unserer Redaktion eine brisante Rechnung unterbreitet. Danach wären von einer möglichen Insolvenz nicht nur 17.000 sozialversicherungspflichtig Beschäftigte und 400 Auszubildende in 131 Filialen in 97 Städten und dem Servicecenter in Essen mit mehr als 1000 Arbeitsplätzen betroffen. In den nächsten fünf Jahren würden dem Staat überdies rund 930 Millionen Euro an Sozialversicherungsbeiträgen entgehen.

Der internen Rechnung zufolge müsste die Agentur für Arbeit im selben Zeitraum zudem 450 Millionen Euro Arbeitslosengeld aufbringen. Bei Galeria geht man davon aus, dass ein Großteil der Mitarbeitenden aufgrund des hohen Alters, der langen Betriebszugehörigkeit und des hohen Anteils an Teilzeitverträgen nur schwer auf dem Arbeitsmarkt zu vermitteln sei. Galeria weist nach Informationen unserer Redaktion zudem darauf hin, dass von Karstadt und Kaufhof weitere 100.000 Arbeitsplätze bei Lieferanten, Dienstleistern wie Schlüsseldiensten oder Friseuren, Gastronomen, aber auch Ladendetektiven und Reinigungsfirmen abhängig seien.

podcast-image