Essen. Weil Uniper immer mehr Geld verliert, geht es in den Gesprächen mit Berlin nun sogar um eine Mehrheitsübernahme durch den Staat. Aktie stürzt ab.
Bisher war nur der Einstieg des Bundes beim angeschlagenen Düsseldorfer Energiekonzern Uniper geplant. Nun, da die Gaskrise sich weiter zugespitzt hat, wird in Berlin sogar eine Verstaatlichung erwogen. Im Gespräch sei inzwischen „eine direkte Kapitalerhöhung, die zu einer signifikanten Mehrheitsbeteiligung des Bundes an Uniper führen würde“, wie das Unternehmen seine Aktionäre am Mittwoch in einer Börsenpflichtmitteilung (Ad-hoc) wissen ließ. Die noch im MDax gehandelte Aktie des Unternehmens – am Montag steigt sie in den SDax ab – verlor am Mittwoch zwischenzeitlich ein Fünftel ihres Werts.
Noch seien keine Entscheidungen darüber getroffen worden, betont Uniper in seiner Ad-hoc-Meldung, erläutert aber ausführlich, warum die mehrheitliche Verstaatlichung notwendig werden könnte: Seit der Einigung auf das Rettungspaket im Juli, das bereits ein Volumen von insgesamt 15 Milliarden Euro hat, habe sich die europäische Energiekrise weiter verschärft. Weil „derzeit keine russischen Gasmengen durch Nord Stream 1 geliefert werden und sowohl die Gas- als auch die Strompreise sehr hoch und volatil sind“, hätten sich die Verluste des Gashändlers „aufgrund der höheren Gasbeschaffungskosten deutlich erhöht.“
Dass die Gespräche zwischen Uniper, seiner finnischen Muttergesellschaft Fortum und der Bundesregierung womöglich Richtung Mehrheitsbeteiligung des deutschen Staates tendieren, lassen diese Äußerungen in der Börsenmitteilung erahnen: Auf ihrer Suche nach „einer langfristigen Lösung für Uniper“ würden alle Parteien in ihren Gesprächen „die Auswirkungen des sich verschlechternden operativen Umfelds und die finanzielle Situation von Uniper“ berücksichtigt. Allein im ersten Halbjahr hat Uniper einen Nettoverlust von zwölf Milliarden Euro erlitten.
Uniper fordert Nachschlag von vier Milliarden Euro
Im Juli hatten sich die Bundesregierung, Uniper und Fortum auf ein breites Rettungspaket verständigt. Dazu gehörte die Aufstockung der Kredite der staatlichen KfW-Bank um sieben auf neun Milliarden Euro. Weil Uniper beim Gaseinkauf an den teuren Tagesmärkten dieses Geld bereits vollständig verbrannt hat, forderten die Düsseldorfer erst vor zwei Wochen einen Nachschlag von vier Milliarden Euro. Darüber hinaus war der Einstieg des Staates mit 30 Prozent geplant und der Erwerb einer Pflichtwandelanleihe von 7,7 Milliarden Euro. Darüber müsste aber zuerst eine außerordentliche Hauptversammlung entscheiden, die im Herbst stattfinden soll.
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Deutschlands größter Kunde des russischen Staatskonzerns Gazprom verliere an jedem Tag mehr als 100 Millionen Euro, weil er das nicht gelieferte Gas zu extrem hohen Preisen an den Tagesmärkten zukaufen muss, hatte Konzernchef Klaus-Dieter Maubach Ende August erklärt, zwei Wochen zuvor waren es noch 60 Millionen. Das im Juli geschnürte Rettungspaket ist bereits nach zwei Monaten nicht mehr groß genug. Die Frage, wer jetzt wieder einspringt, hatte Kanzler Olaf Scholz (SPD) bereits bei der Vorstellung des ersten Rettungspakets indirekt beantwortet, als er sagte: „Alles, worauf es ankommt, das werden wir tun, heute und solange wie nötig.“
Die finnische Mutter Fortum will kein Geld nachschießen
Pikant an einer Mehrheitsübernahme von Uniper wäre, dass bisher der Fortum-Konzern rund 80 Prozent am Düsseldorfer MDax-Konzern hält und seinerseits mehrheitlich dem finnischen Staat gehört. Fortum hat zuletzt immer wieder erklärt, kein weiteres Geld nachzuschießen, der Mutterkonzern hatte zu Jahresbeginn Uniper mit acht Milliarden Euro gestützt. Auch aus der finnischen Regierung war zu hören, dass es dabei bleiben solle.
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Uniper wird aber nicht allein vom Bund gerettet, sondern auch von allen deutschen Gasverbrauchern: Ihre Gasumlage soll ab Oktober 90 Prozent der Beschaffungsmehrkosten auffangen. Bis dahin rinnen Uniper weiter Milliarden durch die Finger – und auch ab Oktober bleibt der Konzern auf einem Zehntel seiner fortlaufenden Verluste sitzen – immer noch mehr als zehn Millionen Euro am Tag oder 300 Millionen im Monat. Weil auch etliche Stadtwerke als Kunden von Uniper in Schieflage geraten, plant die Ampel-Koalition nun auch einen KfW-Rettungsschirm für die kleineren Energieversorger.