Düsseldorf. Warten auf die Gasumlage: Uniper meldet einen Zwölf-Milliarden-Verlust für das erste Halbjahr. Staatseinstieg soll im Herbst genehmigt werden.

Wofür die deutschen Haushalte und Unternehmen ab Oktober eine Gasumlage zahlen müssen, machte der schwer angeschlagene Energiekonzern Uniper am Mittwoch mit der Vorlage seiner Halbjahresbilanz klar: Zwölf Milliarden Euro Verlust verbuchten die Düsseldorfer von Januar bis Juni, der größte Teil davon geht auf die Lieferdrosselung des russischen Gazprom-Konzerns zurück, die den MDax-Konzern in Existenznot gebracht hat.

Uniper musste als größter deutscher Gazprom-Kunde bereits im ersten Halbjahr große Mengen Gas zu den sehr hohen Tagespreisen zukaufen, um seine Lieferverpflichtungen erfüllen und unter anderen mehr als 100 Stadtwerke weiter mit Gas versorgen zu können. Das spiegelt sich im operativen Verlust von 564 Millionen Euro nur zu einem Bruchteil wider. Der überwiegende Teil der unterm Strich verbuchten Milliardenverluste geht auf die seit Juni erfolgten und noch erwarteten Lieferunterbrechungen zurück.

Gazprom hat Mitte Juni begonnen, deutlich weniger Gas durch die Ostseepipeline Nord Stream 1 zu liefern, aktuell kommt nur noch ein Fünftel der zugesagten Menge an. Bis heute habe das Uniper 3,8 Milliarden Euro gekostet, sagte Konzernchef Klaus-Dieter Maubach vor Journalisten, und jeden Tag kämen im Schnitt 60 Millionen, in der Spitze bis zu 100 Millionen Euro hinzu.

Uniper hat kommende Verlust schon verbucht

Diese Verluste durch Russlands Gaskrieg hat Uniper bereits zum Halbjahr mit 6,5 Milliarden Euro berücksichtigt. Das sind die hochgerechneten Verluste aus der Gas-Ersatzbeschaffung bis Ende September, also bis die Gasumlage startet, die 90 Prozent deser Kosten auffangen soll. Hinzu kommen Wertberichtigungen von Geschäfts- und Firmenwerten, die damit ebenfalls zusammenhängen. In dem Zwölf-Milliarden-Loch enthalten sind auch Abschreibungen von 2,7 Milliarden Euro auf die Beteiligung der Düsseldorfer an der zweiten Nord-Stream-Pipeline Ostsee-Gaspipeline Nord Stream 2, deren Genehmigung Deutschland nach dem russischen Überfall auf die Ukraine auf Eis gelegt hat.

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Um Versorger wie Uniper zu retten, hat die Bundesregierung eine Gasumlage von zunächst 2,4 Cent je Kilowattstunde ab Oktober beschlossen. Einen Vier-Personen-Musterhaushalt kostet das rund 575 Euro im Jahr. Auf die Wirtschaft, insbesondere die Industrie, kommen Milliardenkosten zu – die Chemieindustrie rechnet mit Mehrausgaben von drei Milliarden Euro, die Stahlindustrie mit einer halben Milliarde.

Zwölf Gasimporteure wollen 34 Milliarden Euro

Damit werden Verluste der Gashändler ausgeglichen, zwölf Unternehmen haben beim Staat Beschaffungsverluste von insgesamt 34 Milliarden Euro bis April 2024 angemeldet – so lange läuft die Umlage. Für mehr als die Hälfte davon steht Uniper, erklärte Maubach, ohne eine genaue Zahl zu nennen. Der RWE-Konzern, der aktuell hohe Gewinne erzielt, verzichtet auf einen Ausgleich. Die Verbraucherpreise werden derweil unabhängig von der Umlage nach allen Prognosen weiter steigen.

Das ließ auch Maubachs Hoffnung erkennen, mit dem neuen LNG-Terminal in Wilhelmshaven ab Jahresende gut verdienen zu können. Zunächst werde das dort angelandete Gas vor allem als kurzfristig geordertes Gas zu Spotmarktpreisen angeboten. Der Ersatz für russisches Pipeline-Gas wird die Deutschen also teuer kommen.

Staat steigt mit 30 Prozent ein

Uniper als größter Gasimporteur muss über die Umlage hinaus vom Staat gestützt werden. Die Regierung hat ein Stabilisierungspaket geschnürt, die einen Einstieg des Staates beim Düsseldorfer Konzern vorsieht – der Bund will 30 Prozent Anteile übernehmen. Darauf hatten sich Unipers finnische Mutter Fortum und die deutsche Regierung verständigt. Zudem wird das Darlehen der deutschen Staatsbank KfW, von zwei auf neun Milliarden Euro erhöht. Eine außerordentliche Hauptversammlung solle im Herbst den Staatseinstieg genehmigen, teilte Uniper nun mit. Auf die KfW-Kredite greift Uniper längst zu und hat Maubach zufolge bereits fünf Milliarden aufgebraucht.

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Fortum hatte Uniper bereits zu Jahresbeginn mit acht Milliarden Euro gestützt. Der finnische Staat, dem Fortum wiederum mehrheitlich gehört, hatte unlängst deutlich gemacht, dass keine weiteren Gelder aus Finnland zu erwarten seien. Das unterstrich auch Maubach auf erneute Nachfrage. Die Aktionäre trügen bereits die bisherigen Verluste, Fortum mit seiner 80-Prozent-Mehrheit am meisten.

Uniper-Chef: Staatseinstieg verhindert Kettenreaktion

Maubach sieht Uniper als „Spielball“ im Handelskonflikt mit Russland als Folge der Angriffskrieges in der Ukraine. Russland liefere weniger Gas als es könnte und setze die Drosselung „gezielt ein, um die Einheit des Westens herauszufordern“. Das Rettungspaket der Regierung verhindere nun in Deutschland „eine Kettenreaktion, die weitaus größeren Schaden anrichten würde“. Finanzchefin Tiina Tuomela rechnet damit, die Verluste im kommenden Jahr eingrenzen und bereits 2024 wieder Gewinne erwirtschaften zu können.

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Randnotiz aus der Bilanz: Unipers russische Tochter Unipro schrieb im ersten Halbjahr anders als das deutsche Erzeugungsgeschäft deutlich bessere Zahlen, Unipros Steinkohlekraftwerke profitierten von den gestiegenen Strompreise in Russland. Uniper hatte nach Kriegsbeginn angekündigt, nicht mehr in Russland zu investieren und auch seiner Tochter Unipro „bis auf Weiteres keine Mittel“ mehr zu überweisen. Derzeit kommt der russische Ableger der früheren Eon-Tochter dennoch gut zurecht. Uniper-Chef Maubach betonte auf Nachfrage vor Journalisten, die russische Tochter verkaufen zu wollen, das sei in der aktuellen Lage aber schwierig.