Essen. RWE will seine stark gestiegenen Gewinne für einen schnelleren Ausbau der Erneuerbaren nutzen. Zur Übergewinnsteuer schweigt der Konzern.
Verdoppelte Gewinne seit Jahresbeginn machen den Essener Energieriesen RWE zum heißesten Kandidaten für eine Übergewinnsteuer, wie sie immer mehr Politiker der Regierungsparteien SPD und Grüne fordern. Konzernchef Markus Krebber wollte darauf bei der Vorlage seiner Halbjahresbilanz auch auf mehrfache Nachfrage nicht eingehen, sondern die Debatte der Politik überlassen. Allerdings machte er deutlich, wofür er die Krisenprofite am liebsten einsetzt: In den Ausbau grüner Energien.
Im Gegensatz zum führenden Energiehändler Eon und dem ums Überleben kämpfenden Uniper-Konzern zählt RWE eindeutig zu den Krisengewinnern. Deutschlands größter Stromerzeuger profitiert vor allem mit seinen Windkraftanlagen von den im Zuge des russischen Krieges in der Ukraine stark gestiegenen Marktpreisen. Der beschleunigte Ausbau der Erneuerbaren zahlt sich für die Essener aus: der operative Gewinn (Ebitda) im neuen Kerngeschäft von RWE verdoppelte sich von Januar bis Juni auf 2,36 Milliarden Euro.
RWE: Mehr Braunkohlestrom, solange Krise andauert
Ebenfalls als Folge der durch den Krieg verschärften Energiekrise sind auch die umstrittenen, weil besonders klimaschädlichen Braunkohlekraftwerke im Rheinischen Revier als Grundlast-Garanten wieder gefragt. „Der Bedarf an Braunkohlestrom geht nach oben, solange diese Versorgungskrise anhält“, sagte Krebber. Das gilt insbesondere, wenn Deutschland wie geplant seine letzten drei Atomkraftwerke zum Jahresende abschaltet, von denen eines RWE im Emsland betreibt.
Auch interessant
Die vor allem durch die Unions-Parteichefs Markus Söder (CSU) und Friedrich Merz (CDU) befeuerte Debatte um eine Laufzeitverlängerung der deutschen Atomkraftwerke möchte Krebber ebenfalls der Politik überlassen und kommentierte das nicht. Tags zuvor hatte Eon-Chef Leonhard Birnbaum für sein Akw Isar 2 zumindest die Bereitschaft für einen Weiterbetrieb gezeigt, wenn die Regierung das denn wolle, allerdings betont, alle Planungen liefen auf die Stilllegung zum Jahresende hin.
Die mangelnde Begeisterung für einen verzögerten Atomausstieg erklärt sich auch aus den Zahlen: Die Erneuerbaren sind nicht nur das erklärte Wachstumsgeschäft von RWE, sondern inzwischen auch die mit Abstand größten Gewinnbringer. Mit seinen Braunkohlekraftwerken und dem Akw Emsland verdienten die Essener im ersten Halbjahr sogar weniger als im Vorjahr – aufgrund von Stilllegungen, aber auch, weil der Strom bereits vor Krisenbeginn langfristig verkauft worden war. Krebber betonte einmal mehr, RWE stehe zum Kohleausstieg, auch wenn die Braunkohle aktuell gebraucht werde. Seine letzten Steinkohlekraftwerke hat RWE bereits im vergangenen Jahr abgeschaltet.
RWE-Investitionen in Ökostrom 30 Prozent über Plan
Der Dax-Konzern will seine Zukunft und auch sein Image grün gestalten. Dafür wollen die Essener 50 Milliarden Euro bis 2030 investieren. In diesem Jahr werde man die Zielmarke bereits übertreffen, betonte Krebber, RWE werde 2022 „mehr als fünf Milliarden Euro in den Ausbau des grünen Portfolios investieren und damit 30 Prozent mehr als ursprünglich geplant“, sagte er. Allein in den ersten sechs Monaten seien Windkraft- und Solaranlagen sowie Batteriespeicher mit einer Kapazität von insgesamt 1,2 Gigawatt (GW) ans Netz gegangen. Das und bessere Windverhältnisse hätten die grüne Stromerzeugung um ein Fünftel gegenüber dem Vorjahreszeitraum steigen lassen.
Insgesamt verbesserte RWE seinen operativen Gewinn im ersten Halbjahr um eine gute Milliarde auf 2,86 Milliarden Euro, netto blieben 1,6 Milliarden übrig. Im Gesamtjahr rechnet der Konzern mit bis zu 5,5 Milliarden operativem und bis zu 2,6 Milliarden Euro Reingewinn, das wäre rund eine Milliarde Euro mehr als im Vorkriegsjahr 2021. Seine Prognose hatte RWE Ende Juli angehoben.
RWE verzichtet auf Gasumlage
Wie er zu einer Sondersteuer auf krisenbedingte Gewinnsprünge stehe, die es in Großbritannien und Italien bereits gibt, sagte Konzernchef Krebber nicht. Er betonte in diesem Zusammenhang aber, dass RWE auf die von Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) geplante Gasumlage verzichten werde. Sie soll angeschlagene Gasimporteure, allen voran Uniper, retten, die wegen der Drosselung der russischen Gaslieferungen viel teureres Gas an den Tagesmärkten zukaufen müssen. Diese Mehrkosten sollen über eine Umlage auf alle Gaskunden in Deutschland weitgehend ausgeglichen werden. Auch RWE habe hier Verluste, sagte Krebber, ohne sie zu beziffern, werde diese aber selbst tragen.