Düsseldorf. Uniper schreibt Nord Stream 2 ab, setzt aber auf Erfüllung alter Gaslieferverträge durch Russland. Andernfalls müsste Habeck Notstand ausrufen.

Uniper, der Energiekonzern mit den bisher engsten Beziehungen zu Russland, will diese nun wie viele andere Branchengrößen kappen. Es würden keine neuen langfristigen Lieferverträge mehr mit Russland abgeschlossen, teilte das Düsseldorfer Unternehmen am Dienstmorgen mit. Zugleich betonte Uniper, an den bestehenden Lieferverträgen festzuhalten, sie seien wichtig für die Energieversorgung Europas. Und wenn Putin den Hahn zudreht? „Erhebliche Unterbrechungen der Gasflüsse würden die Stabilität des deutschen Gassystems gefährden“, warnt Uniper und erklärt, das werde „höchstwahrscheinlich zu einer Ausrufung des Notstands durch das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz führen.“

Die frühere Tochter des Essener Eon-Konzerns gab bekannt, ihre Zehn-Prozent-Beteiligung an der gestoppten Ostseepipeline Nord Stream 2 im Wert von knapp einer Milliarde Euro vollständig abzuschreiben. Man werde keine neuen Investitionen in Russland tätigen und auch an seine russische Tochter Unipro „bis auf Weiteres keine Mittel“ mehr überweisen. Der ohnehin geplante Verkauf des russischen Kraftwerksbetreibers werde aufgrund der aktuellen Lage vorerst gestoppt, solle aber so schnell wie möglich wieder forciert werden.

Ruhrgas-Erbe wird für Uniper zur Last

Uniper ist allein durch sein Ruhrgas-Erbe enger mit Russland verbunden als alle anderen deutschen Energiekonzerne, die Beziehungen reichen ein halbes Jahrhundert zurück. Der Angriffskrieg Russlands in der Ukraine trifft die Düsseldorfer deshalb hart. Inzwischen gehört das Unternehmen mehrheitlich dem finnischen Fortum-Konzern, dessen Heimatland gerade neu über einen Beitritt zum westlichen Verteidigungsbündnis Nato diskutiert, um sich im Ernstfall besser gegen seinen aggressiven Nachbarn im Osten behaupten zu können. Finnland grenzt auf mehr als 1300 Kilometern an Russland.

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Nun zieht Uniper wie zuvor BP, Shell und Exxon Mobil die Reißleine und will langfristig keine Geschäfte mehr mit Russland machen. Da Uniper mehr als die Hälfte seines Gases, das es an Industrie- und Gewerbekunden weiterverkauft, aus Russland bezieht, ist das eine echte Zäsur in der Unternehmensgeschichte. Der aktuell größte deutsche Gazprom-Kunde muss sich ganz neue Quellen suchen. Dazu gehört auch Flüssiggas (LNG), das etwa aus den USA oder Katar übers Meer transportiert wird. Uniper gab unlängst bekannt, eines der beiden von Wirtschaftsminister Robert Habeck angekündigten LNG-Terminals in Wilhelmshaven bauen zu wollen. Schon das muss in Russland als Affront aufgenommen worden sein.

Uniper-Chef Maubach „schockiert“ über Krieg in Ukraine

Vorstandschef Klaus-Dieter Maubach erklärte am Dienstag diesen Schritt: „Gerade vor dem Hintergrund unserer langjährigen Geschäftsbeziehungen zu Russland sind wir schockiert und bewegt von diesen beispiellosen Entwicklungen.“ Er empfinde „tiefes Mitgefühl für alle Menschen, die direkt oder indirekt von einem Krieg in der Ukraine betroffen sind, für den es keinerlei Rechtfertigung gibt“.

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Welche Folgen das für sein Unternehmen und die Energieversorgung in Deutschland hat, wird sich nun zeigen. Uniper setzt darauf, dass die bestehenden Verträge erfüllt werden. Kurzfristige Drosselungen ließen sich kompensieren, etwa mit Gas aus Speicherbeständen. Wenn aber, wie am Montagabend vom russischen Vize-Regierungschef Alexander Nowak erstmals angedroht, durch Nord Stream 1 kein Gas mehr nach Deutschland fließt, könne Deutschland das nicht kurzfristig kompensieren. Derzeit kommt der Großteil des russischen Gases durch die erste Ostseepipeline, die beiden anderen Röhren verlaufen durch die Ukraine und das ebenfalls in den Krieg involvierte Weißrussland.

Netzagentur müsste das verbleibende Gas verteilen

Werden die Leitungen gekappt, werde das laut Uniper die Ausrufung des Notstands durch Minister Habeck zur Folge haben. In diesem Fall würde die Bundesnetzagentur die Rolle des „Bundeslastverteilers“ übernehmen, der Gaslieferanten wie Kunden „Anweisungen zum rechtzeitigen Systemausgleich erteilt“. Sprich: Die Netzagentur müsste das noch vorhandene Gas verteilen, um das System stabil zu halten, was für viele Abnehmer eine Drosselung oder Kappung ihrer Gasmengen zur Folge hätte.

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Uniper betont, davon auszugehen, dass „solche Maßnahmen und Ereignisse die bestehenden vertraglichen Vereinbarungen ersetzen würden“. Dies wäre im ureigensten Interesse des Unternehmens, weil es ohne russisches Gas seine Verträge mit den Endkunden kaum mehr erfüllen könnte, die Lieferung in den bestehenden Verträgen aber zugesagt hat und notfalls zu den aktuell extrem hohen Tagespreisen zukaufen müsste.