Essen. Mit Blick auf Eon, RWE, Evonik und Thyssenkrupp gibt es in der Gaskrise ein gemischtes Bild. Industrie im Ruhrgebiet hat Gewinner und Verlierer.
Als die damaligen Chefs von Eon und RWE, Johannes Teyssen und Rolf Martin Schmitz, im März 2018 in einem Konferenzraum der Messe Essen ihr Bündnis mit einem Handschlag besiegeln, ist die Stimmung gelöst. „Es gibt eigentlich nur Gewinner“, sagt Schmitz. Teyssen betont die Chancen für Essen als Deutschlands „Energiehauptstadt“. Tatsächlich ist es ein Deal mit weitreichenden Auswirkungen auf das Geschäft der beiden Ruhrgebietskonzerne. Das zeigt sich gerade jetzt in der Gaskrise.
Gibt es wirklich nur Gewinner? Während RWE derzeit als Kraftwerksbetreiber massiv von hohen Energiepreisen profitiert, muss sich Eon in einem turbulenten Vertriebsgeschäft behaupten. Denn Eon und RWE, die beiden größten Energiekonzerne des Landes, haben ihre Geschäfte untereinander aufgeteilt. RWE konzentriert sich auf die Stromerzeugung und den Energiehandel mit Großkunden. Bei Eon liegen der Betrieb von staatlich regulierten Energienetzen sowie das kleinteilige Endkundengeschäft mit Strom- und Gasverträgen.
RWE und Eon trennen damit Welten: RWE-Chef Markus Krebber konnte vor wenigen Tagen seine milliardenschwere Gewinnprognose massiv erhöhen. Eon-Lenker Leonhard Birnbaum betonte schon vor Wochen, sein Konzern profitiere nicht von hohen Strompreisen.
Uniper kurz vor dem Kollaps – RWE mit Milliardengewinnen
Auch über Eon und RWE hinaus bietet sich ein gemischtes Bild in der Energiebranche: Auf dem Papier hat der Düsseldorfer Konzern Uniper als Energiehändler und Kraftwerksbetreiber durchaus ein ähnliches Geschäftsmodell wie RWE. Doch Uniper muss mit staatlicher Hilfe vor einem Kollaps bewahrt werden. Der früheren Eon-Tochter ist die starke Abhängigkeit vom russischen Staatskonzern Gazprom zum Verhängnis geworden. Als Gazprom die Lieferungen drosselte, sah sich Uniper gezwungen, in großem Stil Erdgas zu hohen Preisen einzukaufen, um Verträge mit Stadtwerken zu erfüllen.
Die Gaskrise hat ihre Gewinner und Verlierer. Grob gesagt: Wer Energie erzeugt oder bereitstellen kann, profitiert in der aktuellen Situation. Nachteile haben insbesondere die Verbraucher, darunter die Stahl- und Chemieindustrie mit Unternehmen wie Evonik und Thyssenkrupp, die das Ruhrgebiet als große Arbeitgeber prägen.
Evonik-Chef Kullmann stimmt Öffentlichkeit auf harte Zeiten ein
Eine erste Bestandsaufnahme der Revierindustrie steht in der nächsten Woche an. Dann präsentieren nicht nur Eon und RWE, sondern auch Evonik und Thyssenkrupp ihre Zwischenbilanzen. Der aus dem Bayer-Konzern hervorgegangene Leverkusener Kunststoffhersteller Covestro jedenfalls hat seine Gewinnprognose schon gesenkt, da die Energiepreise hoch und die Konjunkturaussichten trübe sind.
Evonik-Chef Christian Kullmann stimmte die Öffentlichkeit in einem Gespräch mit der „Süddeutschen Zeitung“ auf harte Zeiten ein. „Jetzt stehen Wohlstand und wirtschaftliches Wachstum auf der Kippe“, sagte er. Dabei sei Deutschland „nicht darauf vorbereitet, Verzicht zu üben“, so der Konzernchef. „Wir müssen jetzt wieder härter arbeiten, um den Status quo zu verteidigen.“ Deutschlands Chemieindustrie sieht sich als größter Gasverbraucher der Republik. Rund 15 Prozent des gesamten Erdgases, das in Deutschland zum Einsatz kommt, entfallen auf die Branche.
Erdgas spielt für Thyssenkrupp wichtige Rolle
Auch bei Thyssenkrupp spielt Erdgas eine wichtige Rolle – insbesondere für die Pläne zum Umbau des Stahlstandorts Duisburg. In Zukunft soll der Stahl mit Wasserstoff statt Kohle hergestellt werden. Zunächst einmal will Thyssenkrupp aber Erdgas anstelle von Wasserstoff einsetzen. In einer Diskussionsrunde mit RWE-Chef Krebber sprach Thyssenkrupp-Chefin Martina Merz vor gut einem Jahr von einem „langen Umstellungszeitraum“. „Vor den 30er-Jahren ist niemals davon auszugehen, dass wir genügend Wasserstoff haben werden“, sagte sie. „Da ist Gas angesagt – meine ich jetzt auch politisch.“ Es würden „dicke, große Pipelines“ benötigt. Auch Krebber mahnte zu Pragmatismus. Derzeit stehe noch nicht genug grüner Wasserstoff zur Verfügung. Daher werde Erdgas gebraucht. Umso wichtiger dürfte es nun für Thyssenkrupp sein, schnell wieder eine sichere Versorgung mit bezahlbarem Gas zu bekommen.
Ab dem Jahr 2025 will Thyssenkrupp die vier konzerneigenen Hochöfen am Standort Duisburg schrittweise durch sogenannte Direktreduktionsanlagen ersetzen. Zu welchem Preis Erdgas verfügbar ist, dürfte sich maßgeblich auf die Kostenkalkulation auswirken.
Schon vor einigen Wochen forderte der Gesamtbetriebsratschef von Thyssenkrupp Steel, Tekin Nasikkol, spätestens im Sommer müsse es vom Vorstand eine Investitionsentscheidung geben. Thyssenkrupp-Finanzchef Klaus Keysberg erklärte, bis zum Jahr 2025 könne der Hochofen 9 in Duisburg weiter betrieben werden, dann solle er durch die neue grüne Technologie abgelöst werden. Den Umstieg bezeichnete er als „alternativlos“.