Essen. Der Energiekonzern RWE erwartet mehr Gewinn als geplant. Mehr als fünf Milliarden Euro im aktuellen Geschäftsjahr sollen in die Kasse kommen.
Mitten in der historischen Gaskrise erhöht der Essener Energieversorger RWE seine Gewinnprognose. RWE-Finanzchef Michael Müller begründete die Entscheidung des Vorstands mit guten Geschäften im Energiehandel, in dem es eine „außerordentlich starke Performance“ gegeben habe. Außerdem seien die Kraftwerke von RWE international verstärkt eingesetzt worden.
Auf Konzernebene erwartet RWE nun nach eigenen Angaben für das laufende Geschäftsjahr einen bereinigten Gewinn vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (Ebitda) in Höhe von fünf bis 5,5 Milliarden Euro. Bisher ist der Vorstand von 3,6 bis vier Milliarden Euro ausgegangen.
Die Prognose hat das Management angesichts des Geschäftsverlaufs in der ersten Jahreshälfte 2022 verändert. Für das Geschäftsjahr 2023 erwarte RWE „eine Fortsetzung der positiven Ergebnisentwicklung“. Aufgrund der aktuellen Unsicherheiten wolle der Vorstand eine neue Ergebnisprognose für das kommende Geschäftsjahr allerdings erst zu einem späteren Zeitpunkt veröffentlichen. Am 11. August möchte RWE-Chef Markus Krebber die aktuelle Halbjahresbilanz vorlegen. Auf den Großhandelsmärkten für Energie sind die Preise in den vergangenen Monaten massiv gestiegen. Zunehmend müssen auch Verbraucherinnen und Verbraucher in privaten Haushalten mehr für Strom und Gas zahlen.
„Noch mehr in die Energiewende investieren“
Die „starke Finanzkraft“ von RWE werde der Vorstand unter anderem nutzen, um „noch mehr in die Energiewende zu investieren“, so Finanzchef Müller. Bei den Gewinnausschüttungen, von denen unter anderem kommunale Aktionäre wie die Ruhrgebietsstädte Dortmund, Essen und Mülheim profitieren, plant RWE keine Veränderungen. „Wir bestätigen unser Dividendenziel von 0,90 Euro je Aktie für das Geschäftsjahr 2022“, so Finanzvorstand Müller.
In den ersten sechs Monaten des Geschäftsjahres 2022 habe es bei RWE „eine starke operative Entwicklung“ gegeben, erklärte das Unternehmen. Insbesondere im Konzernbereich „Wasser/Biomasse/Gas“ und im Energiehandel seien die bisherigen Erwartungen übertroffen worden. Dem gegenüber stehe eine Belastung aus Abschreibungen auf einen Kohlebezugsvertrag aufgrund von Sanktionen der britischen Regierung gegen Russland, die RWE im ersten Quartal 2022 auf insgesamt rund 850 Millionen Euro beziffert hatte.
RWE betont: Kohle und Kernkraft in Deutschland nicht ausschlaggebend
Im deutschen Kohle- und Kernenergiegeschäft profitiere RWE nicht von höheren Strompreisen, hebt der Vorstand hervor. In diesem Bereich sei das Ergebnis wie bisher geplant, da die Stromproduktionsmengen bereits in Vorjahren verkauft worden seien.
Der von Kohle und Atomkraft geprägte RWE-Konzern mit rund 20.000 Beschäftigen will sich zu einem weltweit führenden Unternehmen für erneuerbare Energien weiterentwickeln. Bis zum Jahr 2040 soll das Unternehmen den Plänen des Vorstands um Konzernchef Krebber zufolge klimaneutral sein. Nach einer weitreichenden Verständigung mit dem Essener Nachbarkonzern Eon konzentriert sich RWE auf die Stromerzeugung und den Energiehandel. Damit profitiert RWE besonders stark von den derzeit hohen Preisen auf den Großhandelsmärkten.
In der RWE-Handelssparte „Supply & Trading“ sind früheren Unternehmensangaben zufolge etwa 1600 Mitarbeiter beschäftigt. Die Fachkräfte sind auf den Handel mit Strom, Gas, Rohstoffen und CO2-Emissionszertifikaten spezialisiert. Das Geschäft unterliegt seit jeher Schwankungen. Auf dem Essener Konzern-Campus befindet sich nach Angaben von RWE „einer der größten Tradingfloors der Welt“.