Essen. Thyssenkrupp treibt Pläne für einen Börsengang der Dortmunder Wasserstoff-Tochter voran. Das Unternehmen bekommt auch einen neuen Namen: Nucera.
Thyssenkrupp hat eine große Bühne aufgebaut im Essener Konzernquartier. Doch farblich dominiert nicht etwa die Firmenfarbe Blau wie sonst bei Großveranstaltungen in der Zentrale, sondern ein grelles Pink. „We shape the new era“ steht auf einer riesigen Leinwand hinter den Rednern, die allesamt auf Englisch vortragen und vielfach betonen, wie Thyssenkrupp „die neue Ära prägen“ will. Es geht bei der aufwendig vorbereiteten Online-Konferenz um das Wasserstoff-Geschäft, das Thyssenkrupp potenziellen Investoren schmackhaft machen möchte.
Schließlich könnte die Dortmunder Thyssenkrupp-Tochterfirma Uhde Chlorine Engineers (UCE) schon bald an die Börse gehen. Um die Eigenständigkeit des Geschäfts zu unterstreichen und die Marke aufzupolieren, bekommt das Unternehmen pünktlich zum „Kapitalmarkttag“ einen neuen Namen: Nucera: Die Firma aus dem Thyssenkrupp-Konzern ist nach eigenen Angaben einer der weltweit führenden Anbieter für Elektrolyseure zur Produktion von grünem Wasserstoff.
Vor den virtuell zugeschalteten möglichen Investoren bekräftigt das Thyssenkrupp-Management, einen Börsengang für das Wasserstoff-Geschäft anzustreben. „Über diese Option kann der tatsächliche Wert des Geschäftsbereichs sichtbar gemacht und weiteres Wachstum durch mögliche Einnahmen über einen Börsengang finanziert werden“, teilt das Unternehmen mit.
Experte Tüngler erwartet „hohe Investitionsbereitschaft“ bei einem Börsengang
„Wir erwarten, dass nachhaltig erzeugter Wasserstoff in den nächsten Jahren einen großen Wachstumsmarkt darstellen wird“, hatte Thyssenkrupp-Vorstandschefin Martina Merz Ende vergangenen Jahres betont. Thyssenkrupp wolle „vom erwarteten Boom profitieren“. Schon im Frühjahr könnte Thyssenkrupp bereit für den Börsengang sein, hieß es zu diesem Zeitpunkt.
Marc Tüngler, Hauptgeschäftsführer der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW), sieht in den Plänen für einen Börsengang einen geschickten Schachzug, „der zur rechten Zeit die richtigen Impulse“ bei Thyssenkrupp setze. „Der Börsengang wird auf eine hohe Investitionsbereitschaft treffen. Alles was grün beziehungsweise nachhaltig ist, ist an der Börse aktuell nahezu ein Selbstläufer“, sagte Tüngler unserer Redaktion. „Zugleich verliert man durch den Börsengang einen merklichen Teil der zukünftigen Wertschöpfung und Erträge. Das tut sicher weh. Die Wertsteigerung für den bei Thyssenkrupp verbleibenden Teil wird das aber wohl überkompensieren, so dass es unterm Strich für Thyssenkrupp positiv ist“, urteilt Tüngler.
Neuer Name Nucera soll für „Aufbruch in eine neue Ära“ stehen
Der Essener Industriekonzern will nach eigenem Bekunden in jedem Fall eine Mehrheit am Geschäft behalten. Momentan ist Thyssenkrupp mit zwei Dritteln an Nucera beteiligt. Ein Drittel gehört dem italienischen Unternehmen De Nora.
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Der nun vorgestellte Name Nucera setzt sich aus „new”, „UCE” und „era” zusammen. Er symbolisiere „den Aufbruch in eine neue Ära der Innovation, Transformation und grünen Energie“, erklärte Thyssenkrupp.
„Schon heute können wir jährlich Elektrolysezellen mit einer Gesamtleistung von einem Gigawatt liefern. Das ist erst der Anfang. Wir wollen zum Technologieführer für die Herstellung von grünem Wasserstoff im industriellen Maßstab werden”, sagt Nucera-Chef Denis Krude. „Die Industrie ist bereit für die Energiewende. Mit unserer Lösung unterstützen wir Kunden auf dem Weg zur Klimaneutralität.“
Auftragsbestand schon jetzt bei rund 900 Millionen Euro
Thyssenkrupp verweist auf eine Projekterfahrung von über fünf Jahrzehnten und mehr als 600 abgeschlossene Projekte mit etwa zehn Gigawatt installierter Elektrolyse-Leistung. Damit sei das Unternehmen Nucera ein Marktführer im Chlor-Alkali-Geschäft.
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Der Umsatz sei im Geschäftsjahr 2020/21 um rund 25 Prozent auf 319 Millionen Euro gestiegen – nach 255 Millionen Euro im Vorjahreszeitraum. Bis zum Stichtag am Ende des vergangenen Jahres betrug der Auftragsbestand für Projekte rund um grünen Wasserstoff Unternehmensangaben zufolge etwa 900 Millionen Euro. Das Betriebsergebnis habe bei 27 Millionen Euro gelegen. In den vergangenen drei Geschäftsjahren habe es beim Gewinn nur „sehr geringe Schwankungen“ gegeben. Die Thyssenkrupp-Tochter beschäftigt etwa 400 Menschen.
Nucera ist bei Thyssenkrupp der Konzerneinheit Multi Tracks zugeordnet. Deren Chef Volkmar Dinstuhl betont, dass die „grüne Transformation der Industrie“ eine Aufgabe von Jahrzehnten sei. Thyssenkrupp Nucera habe „alle Voraussetzungen, den Weg in eine dekarbonisierte Industrie zu ebnen“. Dinstuhl unterstrich in einer Videoschalte zum Kapitalmarkttag, Thyssenkrupp wolle Mehrheitseigner von Nucera bleiben.
Geschäft mit Wasserstoff-Technologie soll deutlich wachsen
Das Hochfahren der Wasserstoff-Technologie werde den Schwerpunkt der geschäftlichen Aktivitäten des Unternehmens in den kommenden Jahren deutlich verändern, betont Thyssenkrupp. Bis zum Geschäftsjahr 2024/25 strebt der Konzern mit seiner Wasserstoff-Tochter einen Umsatz von rund 600 bis 700 Millionen Euro an. „Auch danach soll das Unternehmen weiter stark wachsen“, so Thyssenkrupp. Die zusätzliche Nachfrage werde aus vielen Branchen kommen. Das Unternehmen nannte als Beispiele die Stromerzeugung und -speicherung, Gebäudeheizungen, den Verkehr sowie die Rohstoffindustrie.
Vor wenigen Wochen sicherte sich die Thyssenkrupp-Tochter Nucera einen Großauftrag für den Bau einer Elektrolyse-Anlage in Saudi-Arabien. Mit einer Leistung von mehr als zwei Gigawatt handele es sich um eines der größten Projekte zur Erzeugung von grünem Wasserstoff weltweit, teilte Thyssenkrupp mit. Der Auftraggeber des Ruhrgebietskonzerns ist der US-Industriegashersteller Air Products.