Hagen. Seit der Flut sind Bahnstrecken gesperrt. Besonders die Stahlindustrie ist davon betroffen. Die Bahn hat aber bereits einen Notfallplan parat.

Bahnstrecken, die für die Materialversorgung einiger Unternehmen in Südwestfalen und die Belieferung ihrer Kunden eigentlich unverzichtbar sind, können wegen der Hochwasser-Katastrophe derzeit nicht mehr befahren werden. Davon betroffen sind auch die Unternehmen Thyssenkrupp und Bilstein, die Werke im Hagener Ortsteil Hohenlimburg haben. Der Bahnhof dort ist gesperrt, für die tonnenschweren Lieferungen der Stahlindustrie gibt es aber kaum Alternativen zum Schienentransport. Für die Branche kann das zum Problem werden, die Deutsche Bahn hat aber einen Notfallplan.

Engpässe in den Lieferketten

In Südwestfalen machten sich Engpässe in den Lieferketten vor allem dort bemerkbar, wo Unternehmen auf den Güter-Bahnverkehr angewiesen sind, sagt das NRW-Wirtschaftsministerium. Das treffe besonders auf die Stahlindustrie und die stahlverarbeitende Industrie zu. „Unternehmen in der Region Hagen berichten beispielsweise, dass Stahl nicht mehr per Bahn abgefahren werden kann, weil Gleisanschlüsse unterspült und nicht mehr nutzbar sind“, so das Ministerium. Davon seien dann wiederum Weiterverarbeiter betroffen – beispielsweise Zulieferer der Automobilindustrie.

Erste Maßnahmen ergriffen hat das Stahlunternehmen Thyssenkrupp, um die Auswirkungen der Flut möglichst gering zu halten, wie das Unternehmen sagt. Welche Maßnahmen genau das sind, darüber wollte Thyssenkrupp keine Auskunft geben, es handle sich wohl um individuelle Lösungen. Bilstein versuche aktuell, Lieferungen über die Straßen zu befördern, wie der technische Geschäftsführer Michael Ullrich sagt. Das sei aber sehr aufwendig und nur über Sondertransporte möglich. Immerhin wiege ein Coil zwischen 25 und 30 Tonnen.

Notbetrieb für die Industrie

Unterstützung gibt es jetzt aber von der Deutschen Bahn: Denn die richtet ab Montag einen Notbetrieb in Hagen und für die Ruhr-Sieg-Strecke ein. Wie ein Sprecher erklärt, habe man Gespräche vor allem mit den Stahlkunden geführt, „weil sie sehr davon betroffen sind“. Für mindestens zwei von ihnen aus Hohenlimburg soll es ab Montag spezielle Transportfahrten geben, damit die Lieferungen nicht komplett ausfallen müssen.

Aufwand für die Bahn sehr groß

Welche Betriebe das sind, hat die Bahn nicht offiziell bestätigt, Bilstein­ und Thyssenkrupp teilten allerdings mit, dass sie den Notbetrieb nutzen werden. Michael Ullrich von Bilstein sagt, der Notbetrieb sei sehr lösungsorientiert. „Wir gehen zwar nicht davon aus, dass wir schon ab Montag wieder eine hundertprozentige Versorgung sicherstellen können, weil sich das alles erst noch einspielen muss – aber das hilft uns schon enorm.“

Der Aufwand für die Deutsche Bahn sei sehr groß, bestätigt ein Sprecher. „Wir wissen noch nicht, wie viele Züge für die Industrie werden fahren können, das muss sich dann erst noch zeigen.“ Denn möglich sei der Notbetrieb nur, weil jede Fahrt einzeln gesichert und händisch umgesetzt werde, so der Bahnsprecher. Signale und andere Technik auf den Strecken seien noch defekt, der Oberbau teils stark beschädigt: „An Personenverkehr ist hier noch nicht zu denken, das geht allein schon wegen der Sicherheit nicht“, sagt die Deutsche Bahn. „Das wird noch einige Monate dauern.“ Aber es sei ein erster guter und wichtiger Schritt, um wenigsten der Industrie zunächst zu helfen.

Umleitungsstrecken fehlen

Wie sehr die Branche von alledem betroffen ist und noch sein wird, das sei derzeit noch nicht absehbar, sagt Klaus Gräbener, Hauptgeschäftsführer der IHK Siegen (IHK). „Einige Betriebe berichten aber bereits von erheblichen Schwierigkeiten.“

Einen Überblick über die Lage versucht sich derzeit auch die Südwestfälische Industrie- und Handelskammer zu Hagen (SIHK) zu verschaffen. Immerhin seien seit Anfang des Jahres auch bei einer Reihe von Rohstoffen und Vorprodukten Lieferengpässe und Preissteigerungen zu verzeichnen, so Pressesprecher Thomas Marotzke. Die hätten jüngst auch mit den Folgen der Flut zu tun.

Dass die Ruhr-Sieg-Strecke ausfalle, sei auf jeden Fall ein großes Problem, betont Gräbener. „Niemand weiß, wie lange das dauern wird, und die alternativen Strecken sind für den Güterverkehr nicht gut befahrbar.“ Dabei verweist er auf die Sieg-Strecke, an der jahrelang nichts gemacht worden sei, was sich dringend ändern müsse: „Zum Zwecke des Güterverkehrs, um sie jetzt als Umleitungsstrecke auszubauen.“ Immerhin habe die Industrie gerade erst einen Aufschwung erlebt, die Umsätze seien von Januar bis Mai im Vergleich zum Vorjahr deutlich gestiegen, weiß der Hauptgeschäftsführer der IHK. „Die Industrie hatte sich richtig gut gefangen“, jetzt dürfe es keinen Einbruch wegen Schwierigkeiten auf den Lieferstrecken geben.

Unbürokratische Lösungen

Die Deutsche Bahn bietet deshalb erste Lösungen an. Und auch das Land NRW versuche, hinsichtlich kaputter Straßen einen möglichst schnellen und unbürokratischen Wiederaufbau hinzubekommen, wie das NRW-Verkehrsministerium sagt. „Wo zum Beispiel das Planungsrecht verändert oder die Vergabe von Reparaturaufträgen beschleunigt werden müssen, werden wir dies tun“, sagt das Verkehrsministerium.

Laut Erlass vom 26. Juli könnten Ersatzneubauten nach aktuellen baulichen Vorgaben ohne neuerliche Genehmigung und Umweltverträglichkeitsprüfung errichtet werden. „Für den schnellen Wiederaufbau sollen außerdem innovative Bauverfahren zum Beispiel mit Stahlbetonfertigteilen genutzt werden. Solche Konstruktionen sind deutlich schneller umsetzbar als konventionelle Bauweisen“, so das NRW-Verkehrsministerium

Arbeitsplätze sichern

Immerhin gehöre Mobilität zu den Grundbedürfnissen der Menschen. „Deswegen muss die Infrastruktur so schnell wie möglich repariert oder komplett neu gebaut werden.“ NRW-Wirtschaftsminister Andreas Pinkwart sagt dazu: „Gemeinsam mit den Unternehmen, Unternehmerverbänden und den Kammern versuchen wir hier kurzfristig pragmatische Lösungen zu finden um die unterbrochenen Lieferketten schnell wiederherzustellen. Schließlich hängen von intakten Lieferketten auch tausende Arbeitsplätze ab.“

>>HINTERGRUND<< Straßensperrungen und Störungen im Bahnverkehr

Mehr als 200 Straßensperrungen gab es in NRW am Tag nach der Unwetterkatastrophe, wie das NRW-Verkehrsministerium sagt. Derzeit seien davon noch rund 50 Straßen voll gesperrt. Hinzu kommen Einschränkungen oder Behinderungen. Eine aktuelle Auflistung der noch bestehenden Straßensperrungen und Behinderungen in der Zuständigkeit der Regionalniederlassung Südwestfalen ist unter www.strassen.nrw.de zu finden und werde regelmäßig aktualisiert.

Die Deutsche Bahn verweist für Störungen auf den Gleisen auf www.bahn.de/aktuell. Abellio informiert unter www.zuginfo.nrw.