Hagen. Viele Autos haben durch die Flut einen Totalschaden erlitten, den man auf den ersten Blick gar nicht sieht. Viele Betroffene müssen abwarten.
Klaus Ballauf ist erschüttert. Praktisch alle Autos, die derzeit in der Werkstatt des Obermeisters der Kfz-Innung Lüdenscheid landen, sind ein Fall für den Schrottplatz. Das gelte selbst für die, denen man den Schaden auf den ersten Blick gar nicht ansehe, sagt er. So etwas habe er noch nie erlebt. Und dabei geht es jetzt erst richtig los: Denn die Vielzahl an Schäden fordern Versicherer und Werkstätten in der Region gleichermaßen. Die Wartezeiten für Betroffene sind lang.
Begutachtung an Sammelpunkten
Wie hoch die Autoschäden in den Flut-Gebieten sind, ist noch gar nicht absehbar: Erst jetzt beginnen einige Versicherungen mit der Sichtung betroffener Autos, die Schadensaufnahme läuft noch immer. Die Huk Coburg etwa organisiert seit dieser Woche Sammelbesichtigungen, auch in Hagen. Je nach Zustand des Autos wird es dann etwa abgeschleppt und zum Sammelpunkt gebracht. Oder sie werden an der Straße besichtigt. So sollen möglichst viele Schäden möglichst schnell reguliert werden, sagt eine Sprecherin. Auch die Provinzial geht stellenweise so vor, für die Ergo-Versicherung wurden die Schäden in Hagen über die Dekra besichtigt.
Die Wartezeiten bis zu einem Termin können für Betroffene lang ausfallen, zwei bis drei Wochen sind derzeit auch in Hagen möglich. Die Priorität läge nun mal nicht bei den Autos, sagen die Versicherer: In erster Linie seien Schäden an Gebäuden und in Wohnungen gemeldet und behandelt worden. Viele Menschen verloren ihr Hab und Gut. Daher sei damit zu rechnen, dass noch Meldungen folgen werden.
„Die Versicherer sind auf solche Fälle vorbereitet und haben Notfallpläne, wenn in Gebieten derartig viele Schäden zusammenkommen. Das gab es in der Vergangenheit auch bei großen Hagelschäden“, sagt ein Sprecher des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft. Allerdings handelte es sich dabei meist um Blechschäden, jetzt sind die Autos in der Regel nicht mehr fahrbereit. Oder dürfen bis zum Sichtungstermin nicht bewegt werden, weil die Gefahr durch Wasser im Motor oder in anderen Teilen des Fahrzeugs zu groß ist.
Lange Wartezeiten problematisch
Doch die Zeit bis zur Sichtung und Reparatur könnte für viele problematisch werden: Nicht nur, weil die Mobilität häufig nicht mehr gegeben ist und Leihwagen rar sind. Sondern auch, weil gerade jetzt eigentlich eine zügige Instandsetzung wichtig wäre. „Es wäre sinnvoll, Schäden so früh wie möglich beseitigen zu lassen“, sagt Michael Breuer vom Deutschen Kraftfahrzeuggewerbe in Bonn. „Aber das ist in der jetzigen Lage schwierig.“
Denn bis die Autos den Weg über die Versicherung bis zur Werkstatt finden, können teils Wochen vergehen. Und in den meisten Fällen seien sie gar nicht mehr zu retten, weiß der Lüdenscheider Innungsobermeister Ballauf.
Das Problem sei vor allem die Elektronik. „Autos, die bis zur Mittelkonsole im Wasser standen, sind ein Totalschaden“, sagt er. „Die werden in der Regel direkt kaputtgeschrieben, dann gibt’s dafür bestenfalls noch den Wiederbeschaffungswert und das war’s.“
Schäden nicht immer zu sehen
Doch auch Autos, die nicht so tief im Wasser standen, können hin sein, sagt Ballauf. „Oft sieht man das auf den ersten Blick gar nicht.“ Immerhin befänden sich heutzutage locker 20 bis 25 kleine Computer plus Sensoren in den Fahrzeugen, die extrem anfällig seien. Möglich sei sogar, dass Wasser über den Auspuff bis in den Motor gelangen könnte, generell gebe es zig Folge- und Langzeitschäden, die durch das Wasser auftreten können. „Vieles kann man jetzt noch gar nicht sagen. Wer beim Start Geschwappe im Auto hört, das nach ein paar Tagen wieder weg ist, kann Wochen später noch Probleme bekommen.“ All das wisse man jetzt noch nicht.
Und dann sei da noch der Gestank, sagt Ballauf. Dieser üble, kaum zumutbare Geruch, der sich in Polstern und Kunststoffen festsetze und „den man wohl niemals wieder rausbekommen wird“. Auch Schimmel und Sporen hätten durch die Feuchtigkeit ein leichtes Spiel. „Da ist dann meistens nichts mehr zu machen.“
>>Hintergrund<< So hoch sind die Schäden bei den Autos
Die Versicherungen nennen bislang keine Schadenshöhe, noch immer werden Fälle aufgenommen und gesichtet. Der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft schätzt aber, dass in allen Flutgebieten insgesamt knapp 40.000 Autos betroffen seien, der versicherte Schaden für die Kfz-Versicherer werde Stand jetzt auf rund 200 Millionen Euro geschätzt.