Mülheim. Tengelmann ist gut durch das Corona-Jahr 2020 gekommen. Nun sorgt sich Chef Christian Haub, dass Herbst- und Winterware rechtzeitig eintrifft.
Mit einem Umsatzwachstum von 2,3 Prozent auf 8,3 Milliarden Euro ist der Mülheimer Handelskonzern Tengelmann besser durch das Corona-Jahr 2020 gekommen. Unternehmenschef Christian Haub erwartet allerdings, dass das wahre Ausmaß der Folgen der Pandemie für den Einzelhandel erst im laufenden Jahr sichtbar werde.
„Die ersten fünf Monate 2021 waren wesentlich schlechter als im Vorjahreszeitraum. Da haben wir kein Geld verdient“, sagte Christian Haub im Gespräch mit unserer Redaktion. Hauptgrund sei der Lockdown für weite Teile des Handels von Mitte Dezember bis in den Mai hinein gewesen. „Deutschland hatte aber auch europaweit die längsten Schließungszeiten“, kritisiert der Tengelmann-Chef. „Wir machen immer noch mehr als die Hälfte unserer Umsätze in Deutschland.“
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Haub zeigt sich skeptisch, dass vor allem seine Läden des Textildiscounters Kik das im ersten Halbjahr verlorene Geschäft aufholen können. „Wir wissen noch nicht, ob es Nachholeffekte gibt und wie sich das Kaufverhalten in der Urlaubszeit entwickelt“, erklärt er. Zumal er den Einzelhandel abseits der Verwerfungen durch Corona vor neue Herausforderungen gestellt sieht. „Die Lieferketten sind weltweit ziemlich durcheinander geraten“, sagt Haub im Hinblick auf den grassierenden Mangel von Schiffscontainern und Engpässen beim Transport auf dem Wasserweg. „Es gibt Rückstaus an den Häfen und zu wenige Container. Wir machen uns Sorgen, ob die Herbst- und Winterware aus Asien überhaupt noch in Europa ankommt“, schlägt der Tengelmann-Chef Alarm.
Unter Druck gesetzt fühlt sich der Händler nicht nur durch Probleme bei der Logistik. „Alles ist teurer geworden – Material-, Transport-, Lagerkosten“, meint Haub. „Für einen Textildiscounter wie Kik ist es besonders schwierig, die steigenden Preise an die Kunden weiterzugeben.“
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Kik war das einzige Unternehmen der Tengelmann-Gruppe, das im vergangenen Jahr spürbar unter der Corona-Krise gelitten hat. Im Vergleich zu 2019 schrumpfte der Umsatz um 10,3 Prozent auf 1,9 Milliarden Euro. „Das Onlinegeschäft bei Kik hat geboomt, konnte die Verluste in den Läden aber nicht kompensieren“, sagt Haub. Der Textilhandel in Deutschland hatte nach Zahlen des Statistischen Bundesamts 2020 mehr als 23 Prozent Umsatz verloren. Dass Kik besser davon kam, führt Haub auch auf das breite Non-food-Sortiment zurück.
Trotz Pandemie eröffnete der Textildiscounter aus dem westfälischen Bönen im vergangenen Jahr 90 weitere Standorte vor allem in Italien, Polen und Rumänien. Kik ist inzwischen mit rund 4000 Filialen in zwölf Ländern vertreten. Erst seit Jahresbeginn hält Tengelmann 100 Prozent der Anteile an der Kette. Haub will die Expansion vorantreiben. „Bei Kik beschäftigen wir uns gerade intensiv mit Wachstumsmöglichkeiten. Wir wollen das Textilgeschäft modernisieren“, sagt er.
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Bei der jungen Bochumer Tochter Babymarkt.de liefen die Geschäfte im ersten Corona-Jahr dagegen ausgesprochen gut. Die Online-Plattform für Kinderbedarf mit zusätzlichen sechs Filialen in Deutschland steigerte ihren Umsatz in 14 europäischen Ländern um 11,4 Prozent auf 182,6 Millionen Euro.
Der Trend zum Renovieren der eigenen vier Wände und der Aufhübschung der Gärten während der Lockdowns ließ die Kassen der Baumarktkette Obi klingeln. Trotz zeitweiser Schließungen der Läden steigerte das Unternehmen seinen Umsatz um 6,8 Prozent auf 6,2 Milliarden Euro. Nach Angaben von Tengelmann trugen zu dem Plus die meisten der 350 Obi-Baumärkte in Deutschland bei. Wesentliche Treiber seien aber auch die Länder Österreich, Polen, Schweiz, Tschechien und Ungarn gewesen. Die Kette ist mit 670 Baumärkten in zwölf Ländern vertreten.
>>> „Alle offenen Rechtsstreitigkeiten beendet
Christian Haub zeigt sich mit der neuen Gesellschafterstruktur bei Tengelmann zufrieden. Nach dem vom Gericht festgestellten Tod seines Bruders Karl-Erivan gehören ihm nun rund zwei Drittel des Mülheimer Familienkonzerns, der Rest seinem Bruder Georg.
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„Ich habe im Juni die Geschäftsanteile meines Bruders Karl-Erivan übernommen. Seine Frau und seine Kinder sind komplett aus dem Unternehmen ausgeschieden“, sagte Christian Haub unserer Redaktion. „Das war die richtige Lösung. Wir können uns jetzt voll und ganz mit Zukunftsthemen beschäftigen.“
Mögliche finanzielle Forderungen aus der Amtszeit von Karl-Erivan Haub im Zusammenhang mit Geschäften in Russland, hohen Tantiemen und teuren Überwachungsaktionen seien nun vom Tisch. Dazu erklärt Christian Haub: „Mit der Einigung sind alle offenen Rechtsstreitigkeiten beendet. Jede Seite soll jetzt ihren Frieden haben.“