Mülheim. Familienstreit ist beigelegt: Tengelmann-Chef Christian Haub übernimmt die Anteile seines Bruders Karl-Erivan und hält Zweidrittel am Konzern.

Über Jahrzehnte hatte er das Gefühl, im Schatten seines Bruders Karl-Erivan zu stehen. Jetzt bekommt Christian Haub nahezu die ganze Macht über den Mülheimer Handelskonzern Tengelmann. Nach Monaten heftiger Streitereien und gegenseitiger Verletzungen hat sich Christian Haub mit seiner Schwägerin Katrin geeinigt: Er übernimmt die Unternehmensanteile seines verschollenen Bruders Karl-Erivan und verfügt damit über zwei Drittel am weit verzweigten Tengelmann-Reich. Seinem anderen Bruder Georg bleibt das restliche Drittel.

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Die Verhandlungen zwischen den beiden zerstrittenen Familienstämmen standen zuletzt unter erheblichem Zeitdruck: Am 12. Mai endet die Aufgebotsfrist des Kölner Amtsgerichts zur Todeserklärung von Karl-Erivan Haub. Am 7. April 2018 war er nicht mehr von einer Skitour am Matterhorn zurückgekehrt. Obwohl nie eine Leiche gefunden wurde und das Verschwinden des Milliardärs bis heute Rätsel aufgibt, wird erwartet, dass ihn das Gericht Mitte Juni für tot erklären wird.

Steuerzahlungen in Deutschland und USA

In dem Moment dürfte auf Haubs Kinder, die Zwillinge Viktoria und Erivan, eine Kostenlawine zurollen. Die Rede ist von bis zu einer Milliarde Euro Erbschaftssteuer, die der deutsche und der US-amerikanische Staat der Familie in Rechnung stellen werden. Denn der verschollene Vater und seine Kinder haben eine doppelte Nationalität. Der Zwist mit Konzernchef Christian Haub ging deshalb auch darum, wie die gewaltige Summe der Erbschaftssteuer aufzubringen ist.

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Nun scheint ein Weg gefunden: Die Familie verkauft ihre Anteile: 31,33 Prozent, die Katrin Haub als Abwesenheitspflegerin für ihren verschollenen Mann verwaltet, und jeweils 1,5 Prozent, die Viktoria und Erivan von ihrem 2018 verstorbenen Großvater Erivan Haub geerbt hatten.

„Wir haben sehr harte Verhandlungen geführt“

Den Deal haben die beiden prominenten Rechtsanwälte Mark Binz und Peter Gauweiler ausgehandelt. Binz hat erfolgreich bei den Familienunternehmen Tönnies und Haribo vermittelt; Gauweiler verteidigt aktuell den Regisseur Dieter Wedel, der sich vor Gericht wegen des Vorwurfs der sexuellen Belästigung verantworten muss.

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Zu Einzelheiten über den Tengelmann-Deal wollten sich die beiden Juristen am Montag nicht äußern. Am Nachmittag gaben sie lediglich bekannt, dass sich die Haubs auf ein Memorandum of Understanding verständigt hätten. „Wir haben sehr harte Verhandlungen geführt, die aber letztlich auf Fairness und einem gesteigerten gegenseitigen Verständnis fußten“, schreiben die beiden 71-Jährigen. Und sie kündigen an, dass jetzt alles ganz schnell gehen soll: „Wir streben an, den vereinbarten Anteilskauf noch im Mai zu beurkunden und zu vollziehen.“ Für Mitte Juni wird die Todeserklärung für Karl-Erivan Haub erwartet.

Christian Haub zahlt mehr als eine Milliarde Euro

Im vergangenen Herbst hatten die Erwartungen der beiden Familienstämme noch weit auseinander gelegen. Katrin Haub und ihre Kinder forderten für den Konzernanteil Karl-Erivan Haubs 1,6 Milliarden Euro, Christian Haub war aber nur bereit, 1,1 Milliarden Euro zu bezahlen. Nach Informationen unserer Redaktion aus dem Unternehmensumfeld einigte man sich nun ungefähr in der Mitte.

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Dem Vernehmen soll der Verkauf der Konzernanteile den Kindern von Katrin und Karl-Erivan Haub eine Entlastung bei der Erbschaftssteuer bringen, weil auf sie der Veräußerungsgewinn der Geschäftsanteile angerechnet werde. Zudem kann die Familie offenbar von einem Steuerabkommen zwischen Deutschland und den USA profitieren, das eine gegenseitige Anrechnung der Erbschaftsteuerschuld ermöglicht. Dennoch werden die Haubs gewaltige Summen in Form von Erbschafts- und Einkommenssteuer an die Staatskasse überweisen müssen.

Zweidrittel-Mehrheit für den Tengelmann-Chef

Tengelmann-Chef Christian Haub geht indes gestärkt aus dem Familienzwist hervor. Sein Zweidrittel-Anteil an der Unternehmensgruppe versetzt ihn sogar in die Lage, den Gesellschaftervertrag zu ändern und personelle Veränderungen im Beirat, der die Funktion eines Aufsichtsrats hat, vorzunehmen. Bei wichtigen Entscheidungen muss sich Christian Haub künftig allein mit seinem Bruder Georg absprechen. Ihm wird ein geringes Interesse am Handelsgeschäft nachgesagt, dafür aber umso mehr Aufmerksamkeit für die Immobilientochter Trei. Georg Haubs Verhältnis zum verschollenen Bruder Karl-Erivan galt als zerrüttet, weil er Georg Haub vor Jahren von einem Detektiv überwachen ließ.

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Christian Haub hat künftig nun aber auch freie Hand im operativen Geschäft. Gerade erst hat er die Tengelmann-Anteile am Discounter Netto an die Konzernmutter Edeka verkauft und sich von den Anteilen an der Billigkette Tedi getrennt. Im Gegenzug gehört der Textildiscounter Kik inzwischen zu 100 Prozent zum Mülheimer Handelskonzern. Bei Kik will Haub vor allem das Onlinegeschäft ausbauen. Pläne gibt es auch für die Baumarktkette Obi, die verstärkt auch Dienstleistungen anbieten will. Das Geschäft mit Firmenbeteiligungen startet neu in München. In der Tengelmann-Gruppe arbeiten rund 90.000 Menschen.