Essen. Führungswechsel beim Essener Energiekonzern Eon: Johannes Teyssen hört auf. Sein Nachfolger Leonhard Birnbaum formuliert ehrgeizige Ziele.
Zur Essener Eon-Zentrale will Johannes Teyssen erst einmal Abstand halten. „Leo braucht keine Sorge zu haben, dass ich mich jeden Morgen verfahre“, sagt der scheidende Konzernchef, der die Führung von Deutschlands größtem Energieversorger zum Monatswechsel an seinen Vorstandskollegen Leonhard Birnbaum abgibt. Er wolle „nicht als Geist über die Kulisse laufen“, sagt Teyssen.
Bei seiner letzten Bilanzpressekonferenz als Eon-Chef ist es noch einmal Teyssen, der die Bühne prägt und den größten Redeanteil auf dem Podium hat. Aber sein Nachfolger Birnbaum setzt bereits erste Akzente. „Warum bin ich so optimistisch, was Wachstumschancen betrifft?“, fragt Birnbaum und fügt hinzu. „Ganz einfach – weil alle unsere Geschäfte massiv wachsen, und zwar getrieben von zwei globalen Megatrends: Nachhaltigkeit und Digitalisierung.“
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Die Energiewende in Europa führe zu ungeahnten Investitionsmöglichkeiten. „Unsere Gesellschaft wird, wenn wir den Klimawandel bekämpfen wollen, weiterhin massiv in den Ausbau der Netzinfrastruktur investieren müssen. Jedes neue Elektroauto, jede Wärmepumpe, jedes Windrad und jede Solaranlage muss ans Stromnetz angeschlossen werden – und 95 Prozent davon ans Verteilnetz“, sagt der designierte Eon-Chef. Allein für Deutschland sei nach Einschätzung von Experten von einem Ausbaubedarf in Höhe von rund 110 Milliarden Euro bis zum Jahr 2050 auszugehen. Eon will an entsprechenden Projekten mitverdienen.
„Heute wieder ein leistungsstarker Energiedienstleister“
Johannes Teyssen zeichnet zu seinem Abschied ein Bild von einem Konzern, der stark genug ist, eine Führungsrolle beim anstehenden Umbau des Energiesystems zu spielen. Nach der weitreichenden Vereinbarung mit dem Nachbarkonzern RWE zur Neuaufteilung der Geschäfte und angesichts der Klarheit zum Atomausstieg sei Eon „heute wieder ein leistungsstarker Energiedienstleister mit europäischen Ambitionen“. Auch in der Corona-Krise habe sich das Geschäftsmodell des Eon-Konzerns – mit mehr als 52 Millionen Kunden „zwischen Schwarzmeerküste und Nordmeer“ – als widerstandsfähig erwiesen.
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„Eon ist robust und stark, unser Kerngeschäft liefert zuverlässig berechenbare Ergebnisbeiträge, die wir regelmäßig steigern werden“, betont Eon-Finanzchef Marc Spieker. Für das zurückliegende Geschäftsjahr sollen die Aktionäre eine Gewinnausschüttung in Höhe von 0,47 Euro pro Aktie erhalten. „Die Dividende soll bis 2023 jährlich um bis zu fünf Prozent wachsen“, erklärt Spieker, „und auch danach streben wir eine jährliche Steigerung der Dividende an“.
Mittelfristig Abbau von rund 10.000 Arbeitsplätzen
Die Zahl der Beschäftigten im Eon-Konzern ist im vergangenen Jahr nur leicht um ein Prozent auf rund 78.000 Mitarbeiter zurückgegangen. Etwa die Hälfte der Arbeitsplätze sind im Ausland, in Großbritannien, Ungarn, Rumänien und den Niederlanden zum Beispiel. Im Zuge der Übernahme und Zerschlagung der
einstigen RWE-Tochter Tochter Innogy sollen bis zu 5000 Stellen wegfallen. Weitere rund 5000 Arbeitsplätze baut Eon nach Darstellung von Teyssen voraussichtlich bei einem britischen Tochterunternehmen ab. Mittelfristig werde Eon „unter 70.000“ Beschäftigte haben, sagt Teyssen. „Insgesamt reden wir über einen Stellenabbau von einer Größenordnung 10.000.“ Dies sei aber „nichts schrecklich Neues“.
Auch im vergangenen Jahr habe es bei Eon bereits durch Effizienzsteigerungen einen Abbau von etwa 3000 Stellen gegeben, durch die Übernahme eines osteuropäischen Versorgers seien konzernweit indes zusätzliche Arbeitsplätze hinzugekommen. „Mit den Betriebsräten gibt es keinen Krach“, betont Teyssen mit Blick auf die Integration von Innogy bei Eon. „Die Mitarbeiter wissen jetzt alle, worum es geht – an jedem Standort.“
Den Investoren signalisiert die Konzernführung verlässlich steigende Gewinne. Für das laufende Jahr rechnet der Eon-Vorstand mit einem bereinigten operativen Ergebnis (Ebit) zwischen 3,8 und 4,0 Milliarden Euro. Zwischen 2021 und 2023 soll das Ergebnis im Durchschnitt pro Jahr um acht bis zehn Prozent wachsen.
Neuer Eon-Chef Birnbaum spricht von „gut bestelltem Haus“
„Die Zahlen untermauern eindrucksvoll, dass ich ein gut bestelltes Haus übernehme“, kommentiert der künftige Konzernchef Birnbaum die Jahresbilanz. Er wolle nun zeigen, dass Eon „nicht nur ein sicheres Investment“ sei, sondern auch „ein beträchtliches werthaltiges Wachstum erreichen“ könne. „Wir können noch besser werden, als wir es heute sind“, sagt Birnbaum. „Mutiger, schneller, auch noch ein Stück ehrgeiziger in dem, was wir leisten, erreichen und beitragen können.“
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Eine entscheidende Rolle spielt dabei das Geschäft mit Energienetzen. Mit 1,5 Millionen Netzkilometern sei Eon „der größte Verteilnetzbetreiber des Kontinents und damit die Drehscheibe der europäischen Energiewende“, betont Birnbaum. „Je entschlossener wir in Europa den Ausbau der Erneuerbaren verfolgen, desto besser für uns bei Eon.“
Teyssen übernimmt Aufsichtsratsposten bei Mineralölkonzern BP
Der Führungswechsel bei Eon läuft geordnet ab – und mit einem klaren Schnitt. Nach mehr als 17 Jahren im Konzernvorstand und elf Jahren als Chef schließt Teyssen eine spätere Rückkehr als Aufsichtsratsmitglied bei Eon kategorisch aus. Er wolle erstmal „runterfahren“ und seine „Festplatte neu formatieren“, sagt der 61-Jährige, während er neben seinem 54-jährigen Nachfolger Birnbaum sitzt. Bei etwaigen neuen Tätigkeiten interessiere ihn Geld „am wenigsten“, beteuert Teyssen. Für das vergangene Geschäftsjahr weist Eon im Geschäftsbericht eine Gesamtvergütung in Höhe von rund 4,5 Millionen Euro aus. Der Barwert der Vorstandspension für Teyssen liegt mittlerweile über 30 Millionen Euro.
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Ganz zurückziehen ins Private wird sich Teyssen aber auch nicht. Seit Mitte 2017 ist er Mitglied im Aktionärsausschuss der umstrittenen Gaspipeline-Gesellschaft Nord Stream AG. Anfang Januar hat Teyssen zudem einen Aufsichtsratsposten beim britischen Mineralölkonzern BP übernommen.