Duisburg. Thyssenkrupp will Stahl ohne Hochöfen produzieren. In neuen Anlagen soll Wasserstoff zum Einsatz kommen. Dazu gibt es nun eine RWTH-Studie.

Thyssenkrupp bereitet sich auf das Ende der Stahlproduktion in Hochöfen vor. „Die Technik ist startklar“, sagte Arnd Köfler, Vorstandsmitglied von Thyssenkrupp Steel, mit Verweis auf eine vom Unternehmen in Auftrag gegebene Studie der RWTH Aachen. Ein Team des Instituts für Metallurgische Prozesstechnik und Metallrecycling (IME) habe das technische Konzept von Thyssenkrupp untersucht und sei zu dem Ergebnis gekommen, dass die Herstellung von Stahl auf Basis von Wasserstoff statt Kohle möglich sei und sich das neue Verfahren in die bestehenden Produktionsabläufe einbauen lasse.

„Wir können unseren Duisburger Stahlstandort klimaneutral aufstellen, indem wir die Produktionsketten ganz gezielt und nur dort verändern, wo die CO2-Emissionen entstehen: durch den Ersatz der Hochöfen“, erklärte Köfler.

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Die Stahlindustrie gehört zu den größten Verursachern von klimaschädlichem Kohlendioxid. Allein aus den Hochöfen von Thyssenkrupp stammen Unternehmensangaben zufolge rund 2,5 Prozent des bundesweiten Kohlendioxid-Ausstoßes. Deutschlands größter Stahlkonzern hat sich zum Ziel gesetzt, bis zum Jahr 2030 die CO2-Emissionen um 30 Prozent zu reduzieren. Dafür ist der Bau sogenannter Direktreduktionsanlagen erforderlich, mit denen Thyssenkrupp schrittweise die klassischen Hochöfen ersetzen will.

Um im Zeitplan zu bleiben, benötigt Thyssenkrupp früheren Angaben zufolge in den Jahren 2025 oder 2026 die erste dieser neuen Anlagen zur Stahlproduktion auf Basis von Wasserstoff, im Jahr 2030 dann eine weitere. Hinzu kommt der Aufbau einer neuen Infrastruktur – zum Beispiel Pipelines für die Versorgung mit Wasserstoff.

„Alle bisherigen Stähle in gewohnter Qualität, jedoch weitgehend CO2-neutral“

Ein Team von Wissenschaftlern um Bernd Friedrich vom Institut IME komme zu der Einschätzung, dass die Konzepte von Thyssenkrupp Steel technologisch machbar seien, teilte das Unternehmen mit. Das geplante Schmelzaggregat sei geeignet, ein flüssiges, roheisenähnliches Produkt für das Stahlwerk zu gewinnen. Das Konzept ermögliche den Beibehalt und fortlaufenden Betrieb der Stahlwerke. „So können zukünftig alle bisherigen Stähle in gewohnter Qualität, jedoch weitgehend CO2-neutral dargestellt werden“, wird Friedrich in einer Mitteilung von Thyssenkrupp zitiert.

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Um die milliardenschweren Investitionen tätigen zu können, benötigt der Stahlkonzern nach eigener Darstellung staatliche Unterstützung. Es müsse nun darum gehen, „bestehende Unsicherheiten“ – etwa mit Blick auf Fördermittel – auszuräumen, betonte Thyssenkrupp-Stahlchef Bernhard Osburg. Sein Unternehmen wolle den Beweis antreten, „dass klimaneutrale Industrie funktionieren kann“. Die Nachfrage nach grünem Stahl sei „schon heute da und wir haben ein technisch innovatives und fähiges Konzept, sie zu bedienen“. Eine Bestätigung dafür gebe es „jetzt auch durch unabhängige Dritte“.

„Ein signifikanter Markt für grünen Stahl“

Eine weitere Studie durch Wirtschaftsprüfer bestätige die Umsetzbarkeit des Gesamtkonzepts von Thyssenkrupp Steel, erklärte das Unternehmen. Die Analyse gehe davon aus, dass im Jahr 2030 in Europa „ein signifikanter Markt für grünen Stahl bestehen“ werde.

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Im November 2019 hatte Thyssenkrupp eigenen Angaben zufolge als erstes Unternehmen weltweit Wasserstoff im laufenden Betrieb eines Hochofens eingeblasen. Der Wasserstoff ersetzt dabei Kohlenstaub. An einer der 28 sogenannten Blasformen des Hochofens habe es eine Reihe von Tests gegeben, berichtete Thyssenkrupp unlängst.

Das Unternehmen will die Versuche nun auf alle Blasformen ausweiten und damit die Technologie in den industriellen Großeinsatz übertragen. Die nächste Phase soll im kommenden Jahr starten, „bedingt durch die Corona-Pandemie etwas später als ursprünglich geplant“, wie Thyssenkrupp vor einigen Wochen einräumte. Bislang sei der Wasserstoff für den Hochofen von Tankwagen geliefert worden. Aufgrund der benötigten Mengen für die zweite Phase werde nun eine Pipeline notwendig. Ein weiterer Schritt wäre dann der Bau sogenannter Direktreduktionsanlagen, die rein wasserstoffbasiert und komplett ohne Kohle betrieben werden können.