Duisburg/Essen. Thyssenkrupp will zunehmend Wasserstoff bei der Stahlherstellung in Duisburg einsetzen. Dafür wird der Bau einer neuen Pipeline notwendig.

Thyssenkrupp will in den Duisburger Hochöfen verstärkt Wasserstoff bei der Stahlherstellung einsetzen. Eine erste Versuchsphase sei erfolgreich abgeschlossen worden, teilte das Unternehmen mit. Die Entwicklung der Wasserstofftechnologie an einem der Hochöfen sei ein wichtiger Schritt auf dem Weg zu einer „klimaneutralen Hütte“, sagte Arnd Köfler, der Produktionsvorstand von Thyssenkrupp Steel.

Im November 2019 hatte der Stahlkonzern eigenen Angaben zufolge als erstes Unternehmen weltweit Wasserstoff im laufenden Betrieb eines Hochofens eingeblasen. Der Wasserstoff ersetzt dabei Kohlenstaub. Thyssenkrupp Steel strebt an, bis zum Jahr 2030 die CO2-Emissionen um 30 Prozent zu reduzieren.

An einer der 28 sogenannten Blasformen des Hochofens habe es eine Reihe von Tests gegeben, berichtete Thyssenkrupp. Das Unternehmen wolle nun die Versuche auf alle Blasformen ausweiten und damit die Technologie in den industriellen Großeinsatz übertragen. „Wir können so den klassischen, kohlebasierten Hochofenprozess deutlich CO2-ärmer gestalten“, sagte Köfler.

Air Liquide will Pipeline zum Hochofen bauen

Die zweite Phase soll im kommenden Jahr starten, „bedingt durch die Corona-Pandemie etwas später als ursprünglich geplant“, wie Thyssenkrupp einräumte. Bislang sei der Wasserstoff für den Hochofen von Tankwagen geliefert worden. Aufgrund der benötigten Mengen für die zweite Phase werde nun eine Pipeline notwendig.

https://www.waz.de/podcast/wirtschaftsreporter/wie-legitim-ist-ein-sonderbonus-an-den-vorstand-trotz-krise-id231433519.htmlDie beteiligten Unternehmen – Thyssenkrupp und der französische Industriegase-Hersteller Air Liquide – hoffen dabei auf finanzielle Unterstützung des Staates. Die Bundesregierung habe eine Förderung im Rahmen des sogenannten „Reallabor-Programms“ in Aussicht gestellt. Air Liquide hat bereits die erste Projektphase begleitet und will – sollten die Fördergelder fließen – in eine neue Pipeline zwischen dem Hochofen und vorhandenen Wasserstoff-Leitungen investieren. Dem Vernehmen nach soll die neue Wasserstoff-Leitung rund sieben Kilometer lang werden.

Air Liquide-Deutschlandchef Gilles Le Van sprach von einem „Leuchtturmprojekt der Wasserstoffzukunft“. Der Konzern stellt unter anderem in Oberhausen neben Sauerstoff auch Wasserstoff für die Thyssenkrupp-Stahlproduktion her und verfügt bereits über ein kilometerlanges Leitungsnetz im Ruhrgebiet.

Thyssenkrupp-Manager Köfler erklärte, ein weiterer Schritt sei später der Bau sogenannter Direktreduktionsanlagen, „die rein wasserstoffbasiert und komplett ohne Kohle betrieben werden können“.

Investoren machen vor Thyssenkrupp-Hauptversammlung Druck

Auch Investoren machen vor der virtuellen Hauptversammlung von Thyssenkrupp am Freitag (5. Februar) Druck. „Die Stahlsparte hat sich zu einem Schatten ihrer selbst entwickelt. Die einstige Stahl-Ikone ist heute Geschichte“, sagte Ingo Speich von der Sparkassen-Fondsgesellschaft Deka Investment. „Das Management konnte hier bisher nicht überzeugen.“ Im europäischen Wettbewerbsvergleich sei die Stahlsparte von Thyssenkrupp operativ am schlechtesten aufgestellt: „Man fragt sich: Kann Thyssenkrupp überhaupt Stahl?“

https://www.waz.de/wirtschaft/thyssenkrupp-chefin-merz-prueft-abspaltung-des-stahlgeschaefts-id231450351.htmlEs räche sich nun, dass bei Thyssenkrupp in den vergangenen Jahren Investitionen in den Stahl ausgeblieben seien, kritisierte Speich. Dies sei „kaum mehr aufzuholen“. Gerade jetzt seien bei Thyssenkrupp Milliardeninvestitionen – vor allem in den Klimaschutz – notwendig. Stahlproduzenten müssten ihre Werke klimaneutral machen.

„Damit wäre der Untergang von Thyssenkrupp besiegelt“

„Eine Flucht nach vorn muss angetreten werden, doch die Zeit läuft dem Unternehmen und damit uns Aktionären davon“, so Speich. „Die Stahlsparte darf nicht noch einmal zum Investitionsgrab werden. Damit wäre der Untergang von Thyssenkrupp besiegelt.“

Henrik Pontzen von der Fondsgesellschaft Union Investment sagte: „Wir werden Thyssenkrupp wie alle anderen Unternehmen in Zukunft auch daran messen, wie glaubwürdig und verlässlich sie die Transformation in eine nachhaltige Wirtschaft gestalten.“ Der sich abzeichnende schrittweise Wandel zur Wasserstoffwirtschaft sei „eine historische Chance für Thyssenkrupp, um sich neu zu erfinden“. Das gelte sowohl für das Stahlgeschäft und wie auch für die Anlagenbau-Sparte. „Die Zukunft muss in Zeiten des Klimawandels CO2-frei sein. Anlagen für die Produktion von grünem Wasserstoff gehört die Zukunft. Die Gleichung ist ganz einfach: Kein grüner Stahl ohne grünen Wasserstoff. Das erfordert hohe Investitionen, die sich aber auszahlen werden.“