Essen. Deutschlands Stahlwerke sollen klimaneutral werden. Salzgitter-Chef Fuhrmann sieht den Staat bei der Finanzierung des Umbaus in der Pflicht.
Beim Aufbau einer klimaneutralen Produktion setzt der Vorstandschef des Stahlherstellers Salzgitter, Heinz Jörg Fuhrmann, auf massive staatliche Unterstützung. Die erforderlichen Investitionen bis zum Jahr 2030 in der Stahlproduktion von Salzgitter bezifferte Fuhrmann mit einer Milliarde Euro. Bis 2050 seien etwa drei Milliarden Euro erforderlich, sagte der Salzgitter-Chef bei einer Online-Veranstaltung der Wirtschaftspublizistischen Vereinigung (WPV). Der Staat müsse dabei den „überwiegenden Anteil“ beisteuern. „Niemand investiert Geld für Anlagen, die nicht wettbewerbsfähig betrieben werden können“, sagte Fuhrmann. Deshalb benötige die Stahlindustrie unter anderem eine „substanzielle Anschubfinanzierung“.
Staatliche Hilfen für den Umbau seien gut angelegtes Geld, da sich in keinem Wirtschaftsbereich klimaschädliches Kohlendioxid so schnell und kostengünstig einsparen lasse wie beim Stahl, argumentierte Fuhrmann. So falle allein im Hüttenwerk Salzgitter ein Prozent der gesamten CO2-Emissionen in Deutschland an. Zum Vergleich: Die Hochöfen von Thyssenkrupp verursachen Unternehmensangaben zufolge 2,5 Prozent des bundesweiten Kohlendioxid-Ausstoßes.
Vergleich mit Fleisch aus tierfreundlicherer Haltung
Es habe sich die Erkenntnis durchgesetzt, dass die Stahlproduktion auf Basis von Wasserstoff – erzeugt mit Strom aus erneuerbaren Energiequellen wie Windkraft – „die ökologisch sinnvollste und auch wirtschaftlich effizienteste“ Herangehensweise sei, erklärte Fuhrmann. Allerdings sei CO2-armer Stahl teurer als konventionelle Produkte. Verarbeitende Branchen wie die Autoindustrie müssten also Anreize haben, teureres Material zu verarbeiten als jenes, das aus dem Ausland importiert werden könnte.
Fuhrmann verglich die bevorstehende Transformation in der Stahlbranche mit der Lebensmittelindustrie. „Fleisch, das aus einer ökologischeren und tierfreundlicheren Haltung kommt, ist wesentlich teurer als Fleisch aus Massentierhaltung“, sagte er.
Auto durch grünen Stahl 300 Euro teurer?
Er gehe davon aus, dass Autos durch den Einsatz von klimafreundlichem Stahl teurer werden, „aber eben nicht viel teurer“, sagte der Salzgitter-Chef. Er sprach von 300 Euro zusätzlich, also etwa einem Prozent des Kaufpreises für ein durchschnittliches Fahrzeug. Die Automobilindustrie sollte „einen konkreten wirtschaftlichen Nutzen aus dem Einsatz CO2-armen Stahls ziehen“, betonte Fuhrmann. „Und der private Endkunde sollte in jedem Fall nur marginal belastet werden.“
Um die Konzepte umzusetzen und den Bau der Anlagen zu beginnen, seien baldige politische Entscheidungen erforderlich, mahnte Fuhrmann und fügte hinzu: „Wir können sofort loslegen.“
Zunächst solle in hohem Maße Erdgas bei der Stahlproduktion zum Einsatz kommen, später zunehmend Wasserstoff. In einem ersten Schritt könne Salzgitter bis zum Jahr 2026 mit einer Mischung von zehn Prozent Wasserstoff und 90 Prozent Erdgas in Summe rund 30 Prozent der bisherigen CO2-Emissionen des Hüttenwerks einsparen.
Salzgitter-Chef zeigt sich offen für Zusammenarbeit mit anderen Stahlkonzernen
Bereits mit einer Investition von gut einer Milliarde Euro für die Anlagen von Salzgitter ließe sich „so viel CO2 vermeiden, wie es dem Austausch von einer Million Verbrenner-Pkw gegen vollelektrische Autos entspräche“, rechnete Fuhrmann vor. „Ein Vergleich mit den hierfür ausgelobten Subventionen lohnt sich, denn da stehen gut fünf Milliarden Euro im Raum.“
Zur Umsetzung der Konzepte könne er sich auch eine Zusammenarbeit mit anderen Herstellern in Deutschland vorstellen – etwa bei der Erstinstallation der neuen Anlagen. In Duisburg ist Salzgitter mit den Hüttenwerken Krupp Mannesmann (HKM) bereits Teil eines Gemeinschaftsunternehmens des deutschen Marktführers Thyssenkrupp und des französischen Konzerns Vallourec. Die Zusammenarbeit funktioniere gut, sagte Fuhrmann. Generell gelte: „Kommt ein Konzept auf den Tisch, das auch für uns positive Perspektiven verheißt, die wir allein so nie realisieren können, konnte man immer darüber reden und wird es mit Sicherheit auch in Zukunft können.“