Essen. Für den scheidenden RWE-Chef Rolf Martin Schmitz war es die letzte Bilanzpressekonferenz. Sein Nachfolger Markus Krebber steht für Kontinuität.

An diesem Tag trennt Rolf Martin Schmitz und Markus Krebber nur eine Plexiglasscheibe. Inhaltlich passt kaum etwas zwischen den scheidenden und den künftigen Chef des Essener Energiekonzerns RWE. „Sie können jetzt nicht von mir erwarten, dass ich Ihnen erzähle, was ich alles anders machen will“, sagt RWE-Finanzvorstand Krebber und lacht. Vieles haben die beiden Manager, die lange Zeit der einzige Zwei-Männer-Vorstand eines Dax-Konzerns waren, bei RWE gemeinsam auf den Weg gebracht. Insofern passt es ins Bild, wenn Krebber nach der Hauptversammlung Ende April die Geschäfte vom bisherigen Vorstandschef Schmitz übernimmt.

Krebber steht für Kontinuität im Vorstand. Natürlich stelle sich die Frage, ob es bei der Transformation des Konzerns „noch ein bisschen schneller gehen“ könne, erzählt der designierte RWE-Chef im Plauderton. Aber er sehe das Unternehmen generell auf dem richtigen Weg. „Erwarten Sie bitte keine grundlegende neue Strategieausrichtung“, sagt Krebber. „Das wäre, glaube ich, völlig falsch.“

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Tatsächlich ist der Umbau von RWE in vollem Gange. Nach der historischen Übereinkunft mit dem Konzernnachbarn Eon vor drei Jahren will sich RWE nun als Produzent erneuerbarer Energien neu erfinden und die Zeit von Kernkraft und Braunkohle hinter sich lassen. Innerhalb von 20 Jahren, so lautet das Ziel des RWE-Vorstands, soll das Unternehmen klimaneutral sein.

So steht es auch auf einer himmelblauen Wand geschrieben, die sich in dem Fernsehstudio auf dem Essener RWE-Campus befindet, aus dem sich Schmitz und Krebber in diesem Jahr zu einer virtuellen Bilanzpressekonferenz zu Wort melden: „Klimaneutral bis 2040“.

Sticheleien von Greenpeace wegen der Braunkohle

Wirkten bislang die riesigen Braunkohlebagger im rheinischen Tagebau wie Symbole für den Revierkonzern, sollen es in Zukunft Windräder und Photovoltaik-Anlagen sein. „Jede Energie hat ihre Zeit“, sagt Schmitz – betont unideologisch. Im Laufe seiner beruflichen Karriere habe er „wohl alle Arten der Stromerzeugung miterlebt“. Wenn es jetzt darum gehe, klimafreundlich zu bauen, zu heizen, zu arbeiten und sich fortzubewegen, komme dies einer „technologischen Zeitenwende“ gleich. Das neue Jahrzehnt sei „die Schlüsseldekade für den Einstieg in die Klimaneutralität“, sagt Schmitz.

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Bei Umweltaktivisten muss die RWE-Führung allerdings noch um Vertrauen kämpfen. „Den radikalen Strategieschwenk vom Klimakiller zum Öko-Unternehmen nehmen wir RWE nicht ab“, stichelt Greenpeace-Klimaexperte Karsten Smid. Er kritisiert, dass der Essener Energieversorger bis zum Jahr 2038 an der besonders klimaschädlichen Stromerzeugung aus Braunkohle festhalten wolle.

Abbau von 6000 Arbeitsplätzen im Zuge des Kohleausstiegs

RWE-Chef Schmitz beschreibt indes, wie tief schon jetzt die Einschnitte bei der Braunkohle sind. Bereits im Dezember sei der erste Block des Braunkohlekraftwerks am nordrhein-westfälischen Standort Niederaußem vom Netz gegangen. „Weitere drei Blöcke folgen in diesem Jahr. Bis 2030 legen wir zwei Drittel unserer Braunkohle-Kraftwerkskapazität still“, berichtet Schmitz. „Zwei von drei Tagebauen werden bis dahin geschlossen. Wir setzen also den Kohleausstieg verantwortungsvoll um.“

Auch die Kohlendioxid-Emissionen von RWE gehen damit deutlich zurück, wie Schmitz betont. „Von 2012 bis Ende 2020 haben wir sie schon um über 60 Prozent reduziert. Bis 2030 werden es 75 Prozent sein. Und 2040 sind wir klimaneutral – zehn Jahre schneller als EU und Deutschland das insgesamt anstreben.“

Mit dem Ausstieg aus der Braunkohle ist auch ein rasanter Arbeitsplatzabbau verbunden, vor allem in NRW. Bis Ende des Jahres 2022 sollen mehr als 3000 Stellen wegfallen, bis zum Jahr 2030 insgesamt 6000 Jobs. Aktuell sind noch knapp 20.000 Menschen beim RWE-Konzern beschäftigt. „Wir schrumpfen kräftig im Personalbestand“, sagt Schmitz.

„Wir investieren kräftig – und das nahezu ausschließlich in grüne Energie“

Geld will der Konzern vor allem in das Geschäft rund um Ökostrom stecken. Für Erneuerbare wie Windkraft und Photovoltaik sowie Energiespeicher strebt RWE Investitionen in Höhe von fünf Milliarden Euro netto in den Jahren 2020 bis 2022 an, davon eine Milliarde Euro netto in Deutschland. Große Projekte plant der Konzern unter anderem in Frankreich, Polen und Großbritannien. „Wir investieren kräftig – und das nahezu ausschließlich in grüne Energie“, sagt der designierte Konzernchef Krebber.

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Geschäftsaktivitäten fern der Heimat sorgen aktuell allerdings auch für Verdruss. Eine Kältewelle im Süden der USA mit wetterbedingten Stromausfällen in Texas trübt ein wenig die Erfolgsbilanz des Essener Konzerns. Weil Verluste von rund 400 Millionen Euro im US-Geschäft entstehen, kann RWE den im vergangenen Jahr erzielten Nettogewinn von rund 1,2 Milliarden Euro im laufenden Geschäftsjahr voraussichtlich nicht wiederholen. Das bereinigte Nettoergebnis werde bei 750 Millionen bis 1,1 Milliarden Euro liegen, kündigt Krebber an. Infolge von Winterstürmen und Eisregen waren im Februar in Texas RWE-Windkraftanlagen zeitweise ausgefallen. RWE musste kurzfristig Strom zu extrem hohen Preisen zukaufen.

Der scheidende RWE-Chef bleibt im Eon-Aufsichtsrat

Hoffnungen verbindet der RWE-Vorstand mit Geschäften rund um Wasserstoff. „Wir können den grünen Strom liefern, der für die Produktion gebraucht wird“, erklärt Schmitz. Über Wissen und Technologien, um grünen Wasserstoff herzustellen, verfüge sein Unternehmen ebenfalls. Auch von der Zusammenarbeit mit Konzernen wie BP, Evonik, Siemens und Gasunie will RWE in Sachen Wasserstoff profitieren.

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Die Dividende, von der auch kommunale Aktionäre wie die Städte Dortmund, Essen und Mülheim etwas haben, will RWE wegen der allgemein guten Finanzlage des Konzerns erhöhen. Die Anteilseigner sollen für das aktuelle Geschäftsjahr 90 Cent je Aktie erhalten, für das vergangene Jahr gibt es 85 Cent.

Ganz zur Ruhe setzen will sich der scheidende Vorstandschef Schmitz noch nicht. Er bleibt im Aufsichtsrat des Konzernnachbarn Eon, am dem RWE mit 15 Prozent beteiligt ist. Manches werde sogar leichter, wenn er nicht mehr im Vorstand sei, sagt Schmitz. Da es künftig keine Interessenkonflikte mehr gebe, müsse Eon auch keine Schwärzungen mehr in Protokollen vornehmen, die für ihn bestimmt seien.