Essen. Evonik-Chef Kullmann fordert im Namen der Chemiebranche ein Reformpaket für die Industrie. Hoffnungen ruhen auf der künftigen Bundesregierung.
Evonik-Chef Christian Kullmann fordert in seiner Funktion als Präsident des Chemieverbands VCI ein Reformpaket für Deutschlands Industrie. „Nach einer Dekade ohne echte industriepolitische Impulse braucht das Industrieland Deutschland einen neuen Aufbruch“, sagte Kullmann bei der Halbjahresbilanz der chemisch-pharmazeutischen Industrie.
Die Nothilfen der Bundesregierung in der Corona-Krise seien „richtig und unverzichtbar“, betont Kullmann, „sie werden aber nicht die Zukunft Deutschlands sichern“. Mit dem Automobil- und Maschinenbau sowie der Chemie seien derzeit bundesweit Kernbranchen im Umbruch. Im internationalen Vergleich würden zudem „Schwachstellen des Standorts Deutschland“ deutlich sichtbar.
Kullmann spricht sich unter anderem dafür aus, die Unternehmensbesteuerung in Deutschland auf 25 Prozent abzusenken, „um die internationale Wettbewerbsfähigkeit des Standortes zu stärken“. In Branchenkreisen heißt es, in der Chemieindustrie sei derzeit eine Besteuerung über 30 Prozent der Regelfall.
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Die Energiekosten speziell für Grünstrom sollten nach Darstellung von Kullmann deutlich gesenkt sowie Planungs- und Genehmigungsverfahren beschleunigt werden. Kullmann mahnt außerdem ein „Investitionsprogramm für Klimaschutz“ an, um das Ziel einer Treibhausgas-Neutralität bis zum Jahr 2050 zu erreichen.
Hoffen auf Reformen durch künftige Bundesregierung
Auf das „Konjunkturpaket“ in der Corona-Krise müsse „ein Zukunftsprogramm“ folgen, fordert Kullmann. „Diese Aufgabe gehört ganz oben auf die Agenda. Sie sollte zu einem Leitgedanken der Parteiprogramme für die Bundestagswahl im kommenden Jahr werden und den Reformkern im Koalitionsvertrag der nächsten Bundesregierung bilden.“ In diesem Zusammenhang hofft Kullmann auf „einen politischen Mentalitätswandel“.
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Während der Corona-Pandemie habe die Politik in Deutschland bewiesen, dass sie „parteibezogenes Klein-klein hinter sich lassen“ könne, so Kullmann. Durch Hilfen wie eine erweiterte Kurzarbeit, Liquiditätssicherung und kurzfristigen Kreditzugang sei „das Schlimmste verhindert“ worden.
Der Evonik-Chef hat im Frühjahr das Amt als neuer Präsident des Verbands der Chemischen Industrie (VCI) angetreten, der 1700 Unternehmen und eine Branche mit rund 464.000 Beschäftigten vertritt.
Für NRW-Ministerpräsident Laschet im Rennen um CDU-Vorsitz
Anfang März sprach sich Kullmann bei der Evonik-Bilanzpressekonferenz für NRW-Ministerpräsident Armin Laschet im Rennen um den CDU-Parteivorsitz aus. Der „denkbarerweise nächste Kanzler“ sollte unter anderem „über Regierungserfahrung verfügen“ und „Optimismus ausstrahlen“, sagte Kullmann zur Begründung.
Auch die Chemieindustrie bekommt die Folgen der Pandemie zu spüren. Die Erlöse 2020 dürften nach Schätzungen des Branchenverbands im Vergleich zum Vorjahr um sechs Prozent auf 186,4 Milliarden Euro zurückgehen. Für die Produktion rechnet der VCI mit einem Rückgang von drei Prozent. „Wir sehen erste Anzeichen einer Erholung“, berichtet Kullmann. Wenn ein erneuter Shutdown verhindert werden könne, dürfte sich die Nachfrage nach Chemikalien und Pharmazeutika im zweiten Halbjahr stabilisieren. Allerdings rechnet der Verband damit, dass die Branche frühestens Ende 2021 das Vorkrisenniveau wieder erreichen wird.