Essen. Der Pkw-Bestand im Revier vergrößert sich laut einer Studie von Autoprofessor Dudenhöffer weiter. Er sagt: Das Auto ist noch ein Statussymbol.

Klimaschutz, ÖPNV-Ausbau, Fahrradboom: Sind die Menschen in Deutschland mittlerweile automüde? Nein, sagt Deutschlands bekanntester Autoprofessor Ferdinand Dudenhöffer. Seine jüngste Studie für das Center Automotive Research (CAR) zeigt: Die Zahl der Pkw in Deutschland ist im vergangenen Jahr um weitere 1,3 Prozent gestiegen. Damit sind nun rund 47,7 Millionen Autos auf deutschen Straßen unterwegs – 620.000 mehr als 2019. Der Aufwärtstrend zeigt sich besonders im Ruhrgebiet.

Die meisten Revier-Großstädte erlebten einen höheren Zuwachs als der Bundesdurchschnitt. Bochum ist dabei der Spitzenreiter im Ruhrgebiet. Hier hat sich der Pkw-Bestand von 2019 auf 2020 um ganze 3,2 Prozent auf insgesamt 203.331 Autos vergrößert. Damit erreicht die Ruhrgebietsstadt den höchsten Zuwachs unter deutschen Großstädten überhaupt. Dudenhöffer vermutet hier einen Ausgleichseffekt, weil die Zahl der Autos in Bochum – vorrangig aufgrund des Wegzugs von Opel – in den zurückliegenden Jahren nur sehr leicht gewachsen sei.


Aber auch in Dortmund (+1,6 Prozent), Essen (+1,4 Prozent), Duisburg (+1,4 Prozent), Wuppertal (+1,5 Prozent), Gelsenkirchen (+1,2 Prozent), Oberhausen (+1,4), Mülheim (+1,6 Prozent), Herne (+1,4) und Bottrop (+1,8) sind mehr Autos auf den Straßen als noch im vergangenen Jahr. „Würde man sie aneinanderreihen, so wären 2019 in diesen Ruhrgebietsstädten 122 Kilometer Auto dazu gekommen“, so Dudenhöffer.

Essen hat den größten Pkw-Bestand, Bottrop die höchste Pkw-Dichte

Absolut ist der Pkw-Bestand in Essen mit 292.043 Fahrzeugen am größten. Die höchste Pkw-Dichte hat dagegen Bottrop. Hier kommen 587 Wagen auf 1000 Einwohner. Am niedrigsten ist die Dichte in Duisburg mit immer noch 467 Autos pro 1000 Einwohner. Zum Vergleich: In München kommen 503 Pkw auf 1000 Einwohner, in Hamburg 437 und in Berlin 335.


Wie ist diese offenbar nicht endende Begeisterung für den eigenen Pkw zu erklären? Laut Dudenhöffer sind die Menschen speziell im Ruhrgebiet sehr autoaffin. „Hier ist das Auto immer noch ein Statussymbol. Das sieht jeder, der einmal auf der Tuning-Messe Essen Motor Show unterwegs ist“, so der Professor. Er vermutet: „Hätten die Menschen im Ruhrgebiet ein höheres Einkommen, dann wäre die Pkw-Dichte wahrscheinlich noch höher.“ Anders als man es häufig in den Medien höre, könne vor allem im Revier auch keine Rede davon sein, dass das Auto für junge Menschen an Bedeutung verliere: „Der Wunsch nach einem eigenen Pkw ist unverändert da.“

Prognose: City-Leerstand sorgt für weniger Stau und schafft damit Autokauf-Anreize

Auch der Boom des Online-Handels und der befürchtete Leerstand in den Innenstädten des Reviers wird nach Dudenhöffers Einschätzung nicht dazu führen, dass mehr Menschen sich gegen ein Auto entscheiden. Im Gegenteil: „Die Stau- und Parkprobleme in den Citylagen dürften eher weniger werden. Der Anreiz, sich ein Auto auch in den Großstädten zu leisten, steigt“, so der Autoexperte. Dazu komme, dass Fahrten mit öffentlichen Verkehrsmitteln für viele Menschen keine Alternative seien: „Der ÖPNV ist häufig schlecht und teuer.“ Und auch das Modell Carsharing, dem Dudenhöffer generell nur einen „Nischenplatz im Rahmen der individuellen Mobilität“ einräumt, habe sich im Ruhrgebiet nicht etablieren können.


Dudenhöffer geht davon aus, dass sich der Pkw-Bestand auch in den nächsten Jahren vergrößern wird. „Eine Trendwende ist nicht in Sicht“, sagt er. Die Corona-Zeit werde in dieser Hinsicht wohl ebenfalls ihre Spuren hinterlassen: „Im Moment wollen viele Menschen lieber in ihrem eigenen Auto sitzen als dicht gedrängt im ÖPNV. Das wird auch nach der Krise nicht ganz vergessen werden.“ Klar sei allerdings schon jetzt, dass der Pkw-Bestand und die Pkw-Dichte aufgrund der Corona-Rezession im Jahr 2020 deutlich langsamer ansteigen werden als in den Vorjahren. „Durchaus vorstellbar, dass mehr Personenkilometer in Deutschland im Jahr 2020 mit dem Auto zurückgelegt werden, aber mitten in der Corona-Pandemie wird der Pkw-Bestand auf Deutschlands Straßen nur sehr langsam steigen“, so die Prognose des Branchenexperten.

Zahl der Autos in Deutschland steigt seit 2009 kontinuierlich

Seit 2009 wächst die Zahl der Pkw in Deutschland kontinuierlich, um insgesamt 15,5 Prozent hat sie sich seitdem erhöht. Die Ruhrgebietsstädte erlebten einen Zuwachs um 11,5 Prozent. Mit Blick auf die Zukunft fordert Dudenhöffer, die Autos in den Städten nicht zu verbieten, sondern „kompatibler mit den Stadtanforderungen zu machen“. Das könne unter anderem durch leise und emissionslose Elektroautos und eine erhöhte Fahrsicherheit mittels Nutzung von künstlicher Intelligenz und Computertechnik geschehen.