Essen. Trotz der Corona-Krise ist die Kasse der Essener RAG-Stiftung prall gefüllt. Geld investiert der Evonik-Eigner insbesondere bei Thyssenkrupp.
Ihren kupferfarbenen Geschäftsbericht hat die RAG-Stiftung mit dem Slogan „Die Zukunft ist jetzt“ überschrieben. Stiftungschef Bernd Tönjes verbreitet Aufbruchstimmung. In diesem Jahr meldet sich Tönjes per Videokonferenz zu Wort. Durch die Fensterscheibe hinter ihm lässt sich allerdings wie gewohnt das weitläufige Areal des Essener Welterbes Zollverein erahnen, wo die einflussreiche Stiftung residiert.
Auf einer der ersten Seiten des Geschäftsberichts ist eine Grafik zu sehen, die das weit verzweigte Firmen-Konglomerat der RAG-Stiftung abbildet. Tönjes spricht gerne von einem „Stiftungskonzern“, dessen Aufgabe es ist, Geld für die Ewigkeitskosten des Steinkohlenbergbaus zu verdienen. Etwa die Hälfte der Erträge liefert aktuell der Essener Chemiekonzern Evonik, der sich mehrheitlich in Händen der RAG-Stiftung befindet. Auch am Gelsenkirchener Wohnungsunternehmen Vivawest ist die Stiftung beteiligt. Hinzu kommt eine Beteiligungsgesellschaft namens RSBG, die bei etwa einer Milliarde Euro Umsatz rund 8000 Menschen in ihren Gesellschaften beschäftigt. Mit kleineren Beträgen ist die RAG-Stiftung eigenen Angaben zufolge an etwa 20.000 Unternehmen in der Welt beteiligt.
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Geld gesteckt hat die RAG-Stiftung auch in eine Immobilienfirma des österreichischen Investors René Benko, der mit seiner Signa-Gruppe beim Warenhauskonzern Galeria Karstadt Kaufhof das Sagen hat. Die Stiftung sei mit dem Investment „sehr zufrieden“, berichtet Jürgen Rupp, der Finanzchef der Stiftung. Direkt betroffen vom Schutzschirmverfahren für das Einzelhandelsgeschäft sei die Signa-Immobiliengesellschaft nicht, sie sei allerdings Vermieter einiger Warenhäuser.
Mehr als 17 Milliarden Euro für Kauf der Thyssenkrupp-Aufzugsparte
Die größte Investition der vergangenen Jahre dürfte der geplante Einstieg der RAG-Stiftung bei der Aufzugsparte von Thyssenkrupp sein, auch wenn Tönjes und Rupp dazu schweigen, wie viel Geld in diesen Zukauf fließt. „Auch die Corona-Krise ändert nichts an unserer Überzeugung, dass Elevator über nachhaltiges Wachstumspotenzial verfügt“, sagt Stiftungschef Tönjes mit Blick auf die Thyssenkrupp-Sparte. Gemeinsam mit den Finanzinvestoren Advent und Cinven verfolge die Stiftung das Ziel, das Aufzuggeschäft mit weltweit mehr als 50.000 Beschäftigten „als langfristige Investoren nachhaltig weiterzuentwickeln“. Mehr als 17 Milliarden Euro lässt sich das Konsortium das bisherige Flaggschiff von Thyssenkrupp kosten.
Durch die Beständigkeit des Service-Geschäfts sei die bisherige Thyssenkrupp-Sparte Elevator „kaum konjunkturanfällig“, betont Tönjes. „Dies hat auch die Widerstandsfähigkeit des Unternehmens während der letzten Rezession bewiesen. Dadurch ist das Geschäft auch in einem Abschwung oder einem unsicheren Marktumfeld ein sehr attraktives Investment.“
Finanzchef Rupp sagt, er rechne mit einem raschen Abschluss der Transaktion mit Thyssenkrupp. Das sogenannte Closing werde „zeitnah“ erfolgen, voraussichtlich im Juni oder Juli. Neben Advent und Cinven haben seinen Angaben zufolge „zahlreiche, führende und erfahrene Investoren“ Geld für den Aufzug-Deal beigesteuert. „Regelmäßig erhalten wir Anfragen bezüglich des Verkaufs von Teilen, aber derzeit ist dies nicht der Fokus des Konsortiums“, sagt Rupp.
Frage nach dem Firmensitz des neuen Aufzugkonzerns
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Eine offene Frage ist, wo sich künftig der Firmensitz des neuen Aufzugkonzerns befinden wird. Grundsätzlich wünsche sich die RAG-Stiftung die Stadt Essen als Sitz für das Unternehmen, sagt Rupp auf Nachfrage bei der Bilanzpressekonferenz. Essen müsse allerdings auch „das entsprechende Angebot“ für einen solchen Hauptsitz haben. Offen lässt die Stiftung auch, ob sie einen Aufsichtsratssitz anstrebt. Klar sei aber, dass sie an entscheidender Stelle mitreden werde, betont Rupp.
RAG-Stiftungschef Tönjes hält auch den Einstieg bei weiteren Thyssenkrupp-Firmen für möglich. Wenn „margenstarke und zukunftsorientierte Teile auf den Markt kämen“, würde sich die Stiftung jeden einzelnen Fall anschauen, „wie wir es bei Elevator auch gemacht haben“, so Tönjes. „Wir sind natürlich immer interessiert, wenn es Geschäfte zu machen gilt.“
Dass die RAG-Stiftung trotz der Corona-Krise gute Zahlen präsentieren kann, hat viel mit dem Essener Chemiekonzern Evonik zu tun. Der aktualisierte Ausblick des Unternehmens mit einem erwarteten Ergebnisrückgang „von nur etwa zehn Prozent“ für das Jahr 2020 zeige, „dass Evonik noch verhältnismäßig gut durch die Krise hindurchkommen wird“, urteilt Tönjes, der auch Aufsichtsratschef des Konzerns ist.