Essen. Thyssenkrupp-Chefin Merz nennt den Verkauf der Aufzüge für 17,2 Milliarden Euro „Tip-Top-Deal“. Aktie stürzt trotzdem ab. Der Name verschwindet.

Thyssenkrupp-Aktionäre haben sich am Morgen nach der Entscheidung, die Aufzugsparte zu verkaufen, in Scharen von ihren Anteilsscheinen getrennt. Der Kurs der im MDax platzierten Aktie stürzte in der ersten Handelsstunde um mehr als zehn Prozent ab. Konzernchefin Martina Merz nannte das in einer Telefonkonferenz mit Journalisten „noch marktkonform“, Thyssenkrupp habe viele kurzfristig orientierte Aktionäre. Zugleich nannte sie das am Vortag zur Unterschrift gebrachte Geschäft einen „Tip-Top-Deal“.

Martina Merz hat „Träne im Auge“

Der Verkaufspreis von 17,2 Milliarden Euro sei „sehr hoch“ bei gleichzeitig hoher „Transaktionssicherheit“. Die Zustimmung der Kartellbehörden wird bis zum Sommer erwartet, was bei einem Verkauf an den finnischen Konkurrenten Kone wahrscheinlich deutlich länger gedauert hätte und schwieriger geworden wäre als beim Verkauf an Finanzinvestoren. Thyssenkrupp gebe Elevator „mit einer Träne im Auge“ ab, betonte Merz, das sei aber „die beste Lösung für alle Beteiligten“. Der Industriekonzern sei nun in der Lage, „ein neues Buch aufzuschlagen“.

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Thyssenkrupp hatte sich am Vortag mit dem Konsortium aus den Finanzinvestoren Advent, Cinven und der Essener RAG-Stiftung auf die Abgabe der Aufzugsparte Elevator geeinigt, die Zustimmung des Aufsichtsrats erhalten und den Kaufvertrag bereits unterzeichnet. das Unternehmen geht zunächst in Gänze an das Konsortium, Thyssenkrupp wird sich aber anschließend wieder einkaufen. Damit erwirbt der Traditionskonzern rund 15 Prozent am künftigen Unternehmen, etwa dieser Größenordnung des Eigenkapitals entspreche das fest vereinbarte Reinvestment von 1,25 Milliarden Euro, sagte Thyssenkrupp-Finanzchef Johannes Dietsch am Freitagmorgen. Der Anteil werden vom Pensionsfonds des Konzerns gehalten. Wie groß er genau sei, lasse sich erst sagen, wenn die Käufer über die künftige Finanzausstattung des Unternehmens, insbesondere die Verschuldung entschieden hätten. Thyssenkrupp werde damit auch künftig an den Erlösen von Elevator teilhaben, so Dietsch.

Name fällt weg, Sitz in Deutschland

Der Sitz soll in Deutschland bleiben, diese Zusage hatte die IG Metall dem Bieterkonsortium abgerungen. Der Name Thyssenkrupp wird allerdings verschwinden. Die Käufer dürften „die Marke Thyssenkrupp Elevator noch für eine Übergangszeit nutzen“, werde danach aber eine neue Marke einführen, teilte der Konzern mit.

Das Aufzugsgeschäft war die Ertragsperle des Thyssenkrupp-Konzerns, jetzt wird es verkauft.
Das Aufzugsgeschäft war die Ertragsperle des Thyssenkrupp-Konzerns, jetzt wird es verkauft. © dpa | Marcel Kusch

Martina Merz betonte, mit den Einnahmen sollten einerseits Schulden abgebaut, andererseits Investitionen finanziert werden. Für die genaue Verteilung der Mittel will sie sich im Vorstand bis Mai Zeit nehmen. „Dann werden wir einen detaillierten Geschäftsplan für das nächste Geschäftsjahr vorlegen und ein klares Bild zeichnen vom künftigen Thyssenkrupp ohne Elevator“, sagte die Vorstandschefin. Nun gehe „Gründlichkeit vor Schnelligkeit“, denn es komme jetzt „absolut darauf an, eine wertmaximierende Balance zu finden zwischen der Stärkung unserer Bilanz und sinnvollen Investitionen in unsere Geschäfte.“ Auf Nachfrage betonte Merz, der Stahl bleibe eine wichtige Säule des Konzerns, auch weil er „mit Blick auf die Geschichte des Unternehmens identitätsstiftend“ für Thyssenkrupp sei.

Neue Besitzer wollen „Marktführer“ gründen

Advent, Cinven und RAG-Stiftung betonten in einer gemeinsamen Erklärung, sie planten mit der Übernahme von Elevator die „Gründung eines unabhängigen globalen Marktführers für Innovation und Technologie“. Dafür versprechen sie langfristig orientierte „Investitionen in Wachstum, Produktinnovationen und Akquisitionen“, also auch Zukäufe.

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Im Rennen war bis zuletzt auch noch ein Konsortium aus den Finanzinvestoren Blackstone, Carlyle und dem Kanadischen Pensionsfonds. Ob bei der Entscheidung für das Konkurrenz-Konsortium die Beteiligung der RAG-Stiftung eine Rolle gespielt habe, verneinte Merz ausdrücklich. Wie groß der Anteil der Kohlestiftung innerhalb des Konsortiums ist, wollte die Stiftung auf Anfrage nicht preisgeben. Thyssenkrupp und RAG-Stiftung könnten zusammen über die Sperrminorität von 25 Prozent und einer Aktie kommen. Finanzchef Dietsch wies solche Gedankenspiele zurück: Thyssenkrupp werde „einer von mehreren Investoren einer profitablen Gesellschaft“ sein und denke nicht an Sperrminoritäten in bestimmten Konstellationen.

RAG-Stiftung bekennt sich zur Tradition von Thyssenkrupp

Gleichwohl dürften die Mitarbeiter von Thyssenkrupp Elevator gern lesen, was Bernd Tönjes zum Einstieg seiner RAG-Stiftung erklärte: „Uns ist die Tradition und Geschichte von Thyssenkrupp Elevator sehr bewusst. Das Konsortium fühlt sich dem Erhalt des Unternehmenssitzes und den starken Wurzeln des Unternehmens in Deutschland verpflichtet.“ Zugleich betonte er, wie wichtig die Mitarbeiter für den Erfolg des Unternehmens seien. „Dementsprechend nehmen wir unsere Verpflichtungen als verantwortungsbewusster Investor sehr ernst“, sagte Tönjes.

Ruhrbischof Franz-Josef Overbeck nahm den Einstieg der RAG-Stiftung, welche die Ewigkeitskosten des Steinkohlenbergbaus finanzieren muss, erfreut zur Kenntnis, weil sich so neben den Finanzinvestoren auch „ein renommierter Partner aus dem Ruhrgebiet“ am Thyssenkrupp-Aufzugsgeschäft beteilige: „So bleibt ein Teil der Wertschöpfung dieses weltweit aufgestellten Geschäfts auch in Zukunft in unserer Region“, betonte Overbeck.

NRW-Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) sagte unserer Redaktion: „Diese Entscheidung ist auch für ein traditionsreiches Unternehmen wie Thyssenkrupp ein tiefgreifender Schritt.“ Er begrüße vor allem „die weitreichenden Standort- und Beschäftigungsgarantien“. Die IG Metall hat mit dem Käuferkonsortium eine so genannte „Fair- und Best-Owner-Vereinbarung“ getroffen, der zufolge die Standorte und Arbeitsplätze in Deutschland bis Ende März 2027 gesichert sind, Kündigungen sind damit sieben Jahre lang ausgeschlossen. „Das ist ein starkes Signal der Zukunftsfähigkeit unserer Mitbestimmung in Nordrhein-Westfalen“, lobte Laschet.

Ministerpräsident Laschet lobt Jobgarantien

Die Transaktion müsse nun zügig abgeschlossen werden, sagte der Ministerpräsident und forderte: „Ebenso zügig muss der Vorstand von Thyssenkrupp die sich aus dem Verkauf ergebenden Chancen zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit der verbleibenden Geschäftsbereiche entschlossen anpacken.“ Die Landesregierung erwarte zudem, „dass die weiteren Schritte die Belange der Beschäftigten berücksichtigen und in enger Abstimmung mit den Arbeitnehmervertretern erfolgen“.