Essen. Der Kaufvertrag steht. Doch die Risiken für die Kette Real bleiben – für die Metro, vor allem aber für die 34.000 Mitarbeiter. Eine Analyse.

Der Vertrag über den Verkauf der Handelskette Real steht. Was die russische Investoren-Gruppe SCP als künftige Eigentümerin im Detail plant, bleibt aber weiterhin ungewiss. Die Gewerkschaft Verdi jedenfalls befürchtet einen Kahlschlag. „Es wirkt wie eine Beruhigungspille, dass angeblich nur 30 Filialen geschlossen werden sollen. Wir befürchten, dass die Zahl noch deutlich steigen könnte“, sagt Orhan Akman, Bundesfachgruppenleiter für den Einzelhandel.

Bis es Klarheit geben wird, dürfte noch einige Zeit ins Land gehen. Die Metro hat für Real jetzt zwar einen Kaufvertrag. Ob die russische Investoren-Gruppe SCP die 276 Filialen mit ihren 34.000 Mitarbeitern tatsächlich im Sommer übernehmen kann, steht aber immer noch in den Sternen. Die Zustimmung der EU-Kommission fehlt noch. Und: Die börsennotierte Sistema PJSFC, Mutterkonzern der SCP, muss dem Deal noch zustimmen. Das russische Beteiligungsunternehmen gehört der russischen Oligarchen-Familie Petrowitsch und ist auch Gesellschafter der russischen Telekom. Sistema, die die Finanzierung des Real-Deals sicherstellen muss, teilte in Moskau mit, dass man dafür bis zu 263 Millionen Euro zur Verfügung stelle.

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Es war im September 2018, als Metro-Chef Olaf Koch Real ins Schaufenster stellte. Er wollte die Kette loswerden, die ihm regelmäßig die Bilanz verhagelte und zum Schluss auch noch in die roten Zahlen trieb. Doch der Verkauf zog sich hin und wurde zur Zitterpartie. Hinter den Kulissen des Düsseldorfer Handelsriesen wundert man sich, dass die russischen Erwerber scheibchenweise Verhandlungserfolge veröffentlichen, der Real-Verkauf aber immer noch nicht den finalen Segen der SCP-Eigentümer hat.

Real-Beschäftige verzichten seit Jahren auf Gehalt

Viel wichtiger für die Beschäftigten, die zur Stabilisierung von Real seit Jahren auf Gehalt verzichten und endlich wieder für die Zukunft planen können wollen, ist aber, was der Erwerber mit der Kette vorhat. In der Nacht zu Mittwoch teilten SCP und Metro lediglich mit, was ohnehin bekannt war: 30 Märkte werden geschlossen, die große Mehrheit an Wettbewerber wie Kaufland und Edeka weitergereicht. Nur 50 Filialen sollen unter dem Namen Real zunächst für 24 Monate weitergeführt werden.

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Was SCP mit dem verbleibenden „Real-Kern“ vorhat, bleibt nebulös. „Die SCP hat ja keinerlei Erfahrung mit dem Lebensmittelhandel“, gibt Verdi-Experte Akman zu bedenken. Den Sachverstand hat sich das Unternehmen aber inzwischen eingekauft. Die Gesellschaft, die Real weiterbetreiben soll, wird vom ehemaligen Kaufland-Chef Patrick Kaudewitz geführt. „Wir haben uns mit dieser Einzelhandelsexpertise die Managementkompetenz gesichert, die für die erfolgreiche Umsetzung unseres Konzepts für die Real-Standorte entscheidend sein wird“, sagte Marjorie Brabet-Friel, Vorstandvorsitzende der SCP Group. Kaudewitz soll einer Mitteilung aus der Nacht zufolge „die Neupositionierung des Immobilienportfolios betreuen und individuelle tragfähige Konzepte für die Real-Standorte entwickeln“. Denn Metro verkauft nicht nur die Kette Real an SCP, sondern auch 80 lukrative Immobilien.

Kleine Einheit im brutalen deutschen Einzelhandel

Eine Antwort auf die Frage, wie die sehr kleine Einheit mit 50 Real-Märkten im brutalen deutschen Einzelhandel bestehen soll, hat SCP bislang noch nicht gegeben. Metro und die Erwerber betonen zwar, das Real Mitglied in der Retail Trade Group RTG und der Markant Handels- und Industriewaren Vermittlungs AG bleibe. Ob Real aber mit nur 50 Filialen so günstige Einkaufskonditionen wie etwa die Lidl-Schwester Kaufland erhält, wird in der Branche zumindest bezweifelt. Die Preissensibilität der Verbraucher in Deutschland ist aber ausgeprägt. Und Real gehörte schon mit fast 300 Filialen nicht zu den günstigsten Händlern.

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Das größte Risiko tragen aber die 34.000 Mitarbeiter. Mit ihren bestehenden Verträgen wechseln sie zwar zum neuen Eigentümer SCP. Es wird aber weniger Beschäftigungsmöglichkeiten geben: 30 Standorte fallen weg, die Real-Zentrale in Düsseldorf soll deutlich schrumpfen. Der Verkauf eines jeden Markts an Wettbewerber muss das Kartellamt genehmigen. Und was Edeka, Kaufland, Rewe und Globus am Ende mit den riesigen Verkaufsflächen von Real planen, ist völlig offen. Fernseher und Modeartikel jedenfalls haben sie nicht im Sortiment.

SCP-Group-Chefin Marjorie Brabet-Friel kündigte am Mittwoch an, der Finanzinvestor werde versuchen, „Schließungen und Entlassungen so weit wie möglich zu vermeiden“. Doch hänge das weitere Vorgehen auch vom künftigen Engagement der anderen Beteiligten, von den Mitarbeitern, Betriebsräten und Gewerkschaften über die Politik bis hin zu den Vermietern ab.

Real-Filiale im Mülheimer Hafen schloss im November

Wie der Prozess verlaufen könnte, ist aktuell in Mülheim zu beobachten: Die Real-Filiale im Hafengebiet schloss im November. Der Eigentümer will die Immobilie nun aufwendig sanieren und umbauen. Erst 2021 soll wiedereröffnet werden. Das Real-Ladenlokal wird aufgeteilt und künftig von Edeka, Lidl und einer Drogeriemarktkette bespielt. So lange kann kaum ein Real-Mitarbeiter warten, um auf einen neuen Job am gleichen Ort zu hoffen.

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„Viele der erfahrenen und qualifizierten Real-Mitarbeiter haben eine gute Chance auf Weiterbeschäftigung und alle Mitarbeiter sind als Folge der gemeinsamen Anstrengungen mit dem Gesamtbetriebsrat sozial abgesichert“, erklärt Metro-Chef Olaf Koch. Die Gewerkschaft Verdi bezweifelt das und fordert verbindliche Zusagen. Bundesvorstandsmitglied Stefanie Nutzenberger spricht von einem „bitteren Tag für die Real-Beschäftigten“. Sie befürchtet, dass durch den Deal „wahrscheinlich mehr als 10.000 Arbeitsplätze“ vernichtet werden könnten. Nutzenberger: „An die soziale Verantwortung von Unternehmen kann man nur appellieren. Beim Metro-Konzern sehen wir sie derzeit nicht.“