Essen. Große Aufregung bei Thyssenkrupp: Dem Grobblechwerk in Duisburg-Hüttenheim droht die Schließung. Personalvorstand Burkhard meldet sich zu Wort.

Große Aufregung am Thyssenkrupp-Standort in Duisburg-Hüttenheim. Dem dortigen Grobblech-Werk droht die Schließung. Eine Entscheidung dazu soll im Juni fallen. „Mit der neuen Option, einen Verkauf oder die Fortführung bis 30. Juni zu prüfen, schaffen wir die nötige Klarheit“, sagte Thyssenkrupp-Personalvorstand Oliver Burkhard am Freitagmorgen unserer Redaktion. „Wir werden den Mitarbeitenden in jedem Fall einen Arbeitsplatz an anderer Stelle im Stahl anbieten.“ Thyssenkrupp-Beschäftigte in Hüttenheim hatten am Freitagmorgen spontan die Arbeit niedergelegt. Burkhard betonte indes, dass es aus Sicht des Managements Veränderungen am Standort geben müsse.

Die Beschäftigten in der Grobblech-Produktion in Duisburg-Hüttenheim müssen nun mehr denn je bangen. Thyssenkrupp strebe einen Verkauf oder eine Partnerschaft mit einem anderen Unternehmen an. Wenn dies nicht gelinge, sei auch „eine Schließung nicht auszuschließen“, sagte Finanzchef Dietsch bei der Vorlage der Quartalsbilanz am Donnerstag.

Thyssenkrupp-Personalvorstand Oliver Burkhard hatte bereits Anfang Dezember im Gespräch mit unserer Redaktion erklärt: „Ob wir die Grobblech-Einheit verkaufen, sanieren oder auflösen, wird derzeit noch geprüft. Aber selbst dann werden wir uns bemühen, den dortigen Beschäftigten andere Arbeitsplätze anzubieten.“

Grobblechwerk in Duisburg vor Schließung? Stahlarbeiter legten Arbeit nieder

Tränen in Duisburg- Thyssenkrupp gibt Hüttenheim drei MonateDas Duisburger Grobblechwerk soll binnen drei Monaten verkauft werden und falls sich kein Käufer findet, sogar geschlossen werden. Das habe Personalvorstand Burkhard einer Arbeitsgruppe mit Vertretern der IG Metall und Betriebsräten am Donnerstagabend in Essen mitgeteilt, sagte Mehmet Göktas, Betriebsratsvorsitzender in Hüttenheim. Mehr als 300 Mitarbeiter legten am Standort spontan ihre Arbeit nieder.

Am Freitagmorgen meldete sich Thyssenkrupp-Personalchef Burkhard erneut zu Wort: „Wir stehen im Stahl vor enormen Herausforderungen. Viel muss getan werden, viel wird investiert werden müssen. Wenn wir Spitzenklasse wieder erreichen wollen, müssen alle ihren Beitrag leisten“, sagte er unserer Redaktion. „Wir werden niemandem etwas wegnehmen aber zum Beispiel mehr Flexibilität müssen wir auch von unseren Beschäftigten verlangen können. Weiter so ist keine Option.“

Zu den Protesten der Mitarbeiter sagte Burkhard: „Wir verstehen die Verärgerung in Hüttenheim. Aber wir müssen ehrlich sein. So kann es dort nicht weitergehen. Auch für die Mitarbeitenden ist die derzeitige Situation äußerst unbefriedigend.“

In den ersten drei Monaten unter der Führung der neuen Vorstandschefin Martina Merz hat Thyssenkrupp tiefrote Zahlen geschrieben. Von Oktober bis Dezember vergangenen Jahres verbuchte der angeschlagene Essener Traditionskonzern einen Verlust in Höhe von 372 Millionen Euro, wie aus der nun vorgelegten Zwischenbilanz hervorgeht. Im Vorjahresquartal hatte Thyssenkrupp noch 60 Millionen Euro Gewinn erzielt. Nun zeichnen sich an mehreren Standorten Einschnitte ab – in der Essener Zentrale, am Standort Duisburg-Hüttenheim und in Südwestfalen.

Insbesondere die Stahlsparte, die das alte und neue Kerngeschäft von Thyssenkrupp ist, steht unter Druck. Dies ist auch daher bemerkenswert, da die Bedeutung des Stahlgeschäfts im Konzern nach dem heranrückenden Mehrheitsverkauf oder Börsengang der Aufzugsparte weiter wachsen wird. Im Quartalsbericht des Konzerns wird das Minus von 164 Millionen Euro („bereinigtes Ebit“) mit einer gesunkenen Nachfrage aus der Automobilindustrie sowie hohen Rohstoffkosten erklärt. Auftragseingang und Umsatz des Thyssenkrupp-Stahlwerksverbunds mit Standorten in Duisburg und Bochum gingen deutlich zurück.

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„Die aktuellen Zahlen können nicht begeistern“, kommentierte Vorstandschefin Merz die Zahlen. „Aber wir sind überzeugt davon, dass wir auf dem richtigen Weg sind.“ Ein Mehrheitsverkauf oder Börsengang der Aufzugsparte mit mehr als 50.000 Beschäftigten stehe „kurz vor der Entscheidung“, wie Finanzchef Johannes Dietsch in einer Telefonkonferenz berichtete. Betroffen von der Transaktion ist immerhin fast jeder dritte der weltweit rund 160.000 Mitarbeiter von Thyssenkrupp.

Der Thyssenkrupp-Vorstand bei der Jahresbilanz im November: Martina Merz, Oliver Burkhard, Johannes Dietsch und Klaus Keysberg (von links).
Der Thyssenkrupp-Vorstand bei der Jahresbilanz im November: Martina Merz, Oliver Burkhard, Johannes Dietsch und Klaus Keysberg (von links). © FUNKE Foto Services | André Hirtz

Mit den Erlösen will Vorstandschefin Merz die marode Finanzsituation des Konzerns verbessern. Auch von Oktober bis Dezember 2019 floss abermals Kapital aus dem Unternehmen ab. Die Nettofinanzschulden von Thyssenkrupp erhöhten sich innerhalb von drei Monaten von 3,7 Milliarden Euro auf 7,1 Milliarden Euro. Das Eigenkapital verringerte sich um 286 Millionen Euro auf 1,9 Milliarden Euro. Finanzchef Dietsch räumte ein, dass die Eigenkapitalquote von 5,4 Prozent „ungewöhnlich niedrig“ sei für einen Konzern. Entsprechend groß ist der Finanzbedarf.

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Zwar ist ein Börsengang der Aufzugsparte nach Darstellung von Dietsch weiterhin „eine Option“, allerdings sei das Thyssenkrupp-Management derzeit „sehr stark unterwegs“, um mit potenziellen Käufern zu verhandeln. Der finnische Aufzugkonzern Kone hat nach eigenen Angaben eine Offerte in der Größenordnung von etwa 17 Milliarden Euro für Thyssenkrupp Elevator vorgelegt. Ein Konsortium um den Vermögensverwalter Blackstone bietet Insidern zufolge rund 16 Milliarden Euro. Auch die Essener RAG-Stiftung ist in das Bieterrennen eingestiegen und unterstützt eine Offerte eines Bieterkonsortiums, das von den Finanzinvestoren Advent und Cinven geführt wird. Der Vorstand arbeite daran, dass es noch in diesem Monat eine Entscheidung gebe.

Wenn klar ist, wie viel Geld in die Kasse kommt, dürfte es mehr Klarheit zur Zukunft der Stahlsparte und möglichen Investitionen, aber auch Einschnitten in diesem Bereich geben. Vorstandschefin Merz erklärte, es gebe Fortschritte in den Verhandlungen mit den Arbeitnehmervertretern zur „Stahl-Strategie“. Details nannte Merz aber nicht.

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Konzernweit will der Thyssenkrupp-Vorstand rund 6000 Arbeitsplätze abbauen. „Es können auch mehr werden“, sagte Finanzchef Dietsch. Er habe aber „jetzt keine neue Zahl“ für die Öffentlichkeit. Das Management sehe sich „Standort für Standort“ an und drehe dabei „Stein für Stein um“.

Dietsch bekräftigte auch den Plan, die Zahl der Stellen in der Essener Firmenzentrale von 800 auf 400 zu halbieren. Dabei setze das Unternehmen unter anderem auf ein „Freiwilligen-Programm“, das noch bis April laufe. Angestrebt werde, die Stellenreduzierungen auch durch Wechsel von Beschäftigten an andere Standorte zu erreichen. Im Service-Bereich sollen Tätigkeiten auch ins Ausland verlagert werden.

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Im August vergangenen Jahres hatte Thyssenkrupp drei Geschäftsbereiche auf den Prüfstand gestellt, darunter das Grobblech-Geschäft. Zur Begründung hieß es, es gebe im Konzern Geschäfte, die trotz intensiver Anstrengungen derzeit nicht wettbewerbsfähig seien oder bei denen die aktuelle Marktsituation eine wettbewerbsfähige Aufstellung aus heutiger Sicht in Frage stelle. Das betreffe im Einzelnen die Geschäfte Federn und Stabilisatoren (Fahrwerkskomponenten für die Automobilindustrie, rund 3600 Mitarbeiter), System Engineering (Bau von Produktionsanlagen für die Automobilindustrie, rund 4700 Mitarbeiter) und Grobblech (massive Stahlbleche unter anderem für die Bauindustrie, den Schiffbau oder Pipelines, rund 800 Mitarbeiter). Zum Geschäft mit Federn und Stabilisatoren gehören Standorte in Hagen und Olpe mit mehreren Hundert Beschäftigten.

Dietsch sagte nun, für System Engineering sei eine Restrukturierung beschlossen worden. Für „Federn und Stabilisatoren“ werde ebenfalls an einer Restrukturierung gearbeitet – mit dem Ziel, möglicherweise später Partnerschaften mit anderen Unternehmen einzugehen. Für das Grobblech-Werk nannte Dietsch ausdrücklich auch die Option einer Betriebsaufgabe.