Essen. . Eon-Chef Teyssen zeigt sich zuversichtlich, aus Brüssel grünes Licht für den Innogy-Deal zu erhalten. Für die Energiewende fordert er CO2-Abgabe.
Aufspaltungen, Umbauten und Neustarts sind das Thema der Stunde in Deutschlands erster Börsenliga, in den Essener Dax-Konzernen ganz besonders. Thyssenkrupp vollzieht dieser Tage die nächste Strategie-Wende, RWE und Eon sind dabei, Innogy unter sich aufzuteilen. Mit den Wettbewerbshütern in Brüssel haben sie alle zu kämpfen. Thyssenkrupp hat gerade aufgegeben und seine geplante Stahlfusion samt Konzernteilung abgesagt. Eon-Chef Johannes Teyssen lässt Vergleiche mit seinem Plan zur Übernahme der RWE-Tochter Innogy nicht gelten. Stattdessen fordert er seine Aktionäre auf der Hauptversammlung rhetorisch auf: „Zeigen Sie mir ein anderes großes Unternehmen, das sich binnen weniger Jahre so radikal und neu aufgestellt hat und schon wieder so fest auf beiden Beinen steht.“
Auch interessant
Dabei ist der Umbau von Eon alles andere als abgeschlossen. Und Teyssen vernimmt sehr wohl, was dem benachbarten Dax-Kollegen widerfahren ist, und dass die Sorgen bei allem, was in Brüssel liegt, um ihn herum wachsen. Deshalb ist sein wichtigstes Anliegen bei der Hauptversammlung, die Aktionäre zu beruhigen: „Wir sind voll im Zeitplan“, ruft er ihnen zu, „wir sind zuversichtlich, dass wir die erforderlichen Genehmigungen in der zweiten Jahreshälfte erhalten.“
Auch interessant
Vor einem Jahr hatten Teyssen und RWE-Chef Rolf Martin Schmitz sich auf eine Aufteilung von Innogy verständigt. Die RWE-Tochter soll an Eon gehen, das Netze und Vertrieb behält, die Ökostromsparte aber samt seiner eigenen an RWE weiterreicht. Der Essener Ex-Rivale soll dazu noch 16,7 Prozent der Eon-Papiere erhalten, also Großaktionär werden. Die EU-Kartellbehörden haben Teile des Deals genehmigt, etwa die RWE-Beteiligung und die Zusammenführung der Grünstrom-Geschäfte. Nicht aber das Kernstück, die Innogy-Übernahme durch Eon. Entscheiden will Brüssel bis zum 23. August.
„Wirtschaftspolitik aus Brüssel - kann ja wohl nicht sein“
So sicher wie Teyssen sind viele Aktionäre nicht. Thomas Hechtfischer, Geschäftsführer der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW), fragt gerade heraus: „Ist der Deal mit RWE in Gefahr?“ Er befürchtet das, auch aus den jüngsten Erfahrungen heraus, „weil in Brüssel zuletzt so einiges beerdigt worden ist, etwa die Fusion von Thyssenkrupp und Tata sowie die der Zugsparten von Siemens und Alstom.“ Was er von den Blockaden der EU für europäische Konzerne hält, betont der Aktionärsschützer gleich mit: „Wenn die EU nun auch noch der Energieversorgung den Stecker zieht, wird europäische Wirtschaftspolitik nur noch in Brüssel gemacht – das kann ja wohl nicht sein.“ Teyssen erwiderte beharrlich, er könne in Brüssel nichts erkennen, „was unseren Optimismus schmälern würde“. Deswegen habe er auch keinen Plan B.
Auch interessant
Von den drei Hauptversammlungen der größten deutschen Energiekonzerne, die sämtlich in der Grugahalle stattfanden, war dies mit Abstand die ruhigste. Bei RWE machten die Schülerdemonstranten von Fridays for Future Konzernchef Rolf Martin Schmitz Dampf. Bei Innogy drückte der Umstand, dass dies wohl der letzte Aktionärstreff war, die Stimmung und warf bange Fragen auf, ob der Verkauf an Eon für die Innogy und ihre 40.000 Beschäftigten gut enden werde. Eon-Chef Teyssen hatte dagegen weder Klima-Aktivisten noch allzu existenzielle Zweifel der Aktionäre zu befürchten.
Denn er will mit Eon künftig keinen Strom mehr erzeugen, sondern ihn nur noch an die Endkunden verkaufen und liefern. Das versetzt Teyssen auch in die Lage, ohne Rücksicht auf eigene Kraftwerke einen entschiedeneren und faireren Umstieg auf grünen Strom dringen zu können. An dieser Stelle wird Teyssen politisch und fordert eine radikale Wende in der Klimapolitik. „Wir haben in Deutschland Absurdistan organisiert“, ruft er. Das Umlagesystem (EEG), mit dem Deutschland den Ausbau des Ökostroms fördert, habe grünen Strom zwar ins Netz gebracht, aber durch die Umlage im Vergleich mit „schmutzigen fossilen Energieträgern“ verteuert.
Das führe aber dazu, „dass die sozial Schwächsten die Energiewende über den Strompreis überproportional bezahlen müssen“, sagte Teyssen und urteilte: „Das ist eine sozial- und klimapolitische Geisterfahrt.“
Sein Gegenvorschlag: Senkung der Stromsteuer und vor allem die Einführung einer einheitlich Abgabe auf den Ausstoß von Kohlendioxid in allen Bereichen – bei der Stromerzeugung, im Verkehr und beim Heizen. Er fordert pauschal 35 Euro je Tonne CO2. Mit den Einnahmen von 25 Milliarden Euro im Jahr könnten die Förderkosten für Ökostrom aus dem Haushalt statt allein von den Stromkunden bezahlt werden. „Dann wird sauberer Strom seinen Weg von ganz alleine finden“, sagt Teyssen. Der Strompreis könne um 9 Cent je Kilowattstunde und damit auf das Niveau der Nachbarländer fallen. In Deutschland würden die meisten Kunden, vor allem Geringverdiener weniger zahlen, „die Reichen mit ihren großen Häusern und SUVs zahlen mehr – das ist sozialpolitisch sinnvoll.“
In der Bundesregierung ist eine solche CO2-Steuer umstritten, die Umweltministerin Svenja Schulze (SPD) ist dafür, die Union, aber auch Teile der SPD sind dagegen. Dabei hatte die Regierungskommission zum Kohleausstieg der großen Koalition aufgetragen, beim Klimaschutz neben der Stromindustrie auch den Verkehr und die Wohnungswirtschaft stärker in den Fokus zu nehmen.
Schwächen im britischen Geschäft wachsen mit Innogy
Unter Druck bleibt Eon in Großbritannien. Preisobergrenzen und neue Regulierung auf der Insel kosten Geld und Kunden, 200.000 hat Eon auf der Insel allein im ersten Quartal verloren. Mit der britischen Innogy-Tochter Npower bekommt Eon nun ein weiteres Problem hinzu, das sich zum eigenen schwachen Geschäft auf der Insel gesellt. Npower verlor im ersten Quartal 81.000 Kunden und schrieb 45 Millionen Euro Verlust.