Essen.. Auf der wahrscheinlich letzten Innogy-Hauptversammlung vor der Aufteilung zwischen RWE und Eon geht es mehr um Haltung als um Perspektiven.
Zwei einsame Aktivisten halten ein verlorenes „Hambi bleibt“-Schild hoch, gelangweilt beäugt von einem guten Dutzend Sicherheitsleuten. Keine Schlangen von Aktionären vor dem Eingang, drinnen gespenstische Leere in den Reihen. Für die mutmaßlich letzte Hauptversammlung des Essener Energieriesen Innogy ist die Grugahalle zum ersten Mal eine Nummer zu groß. Der historische Kontext, dass gut 40.000 frühere RWE-Mitarbeiter nach nur drei Jahren bei der Tochter Innogy zum Erzfeind Eon wechseln, verfängt offenbar bei den wenigsten der verbliebenen Anteilseigner. Und neun von zehn Aktien liegen ohnehin bereits auf der anderen Straßenseite – bei Eon, das unweit der Grugahalle gegenüber der Messe sitzt.
Dabei tut sich nach einem beispiellosen strategischen Missverständnis Großes: Innogy, vom damaligen RWE-Chef Peter Terium als freche Ökostromtochter angelegt, die sich von ihrer in die Jahre gekommenen Mutter RWE lösen und emanzipieren sollte, wird nun alles andere als selbstständig. Sie geht in der etwa gleich großen Eon auf. Innogy hat zuletzt mit 37 Milliarden Euro sogar deutlich mehr Umsatz erzielt als ihre neue Besitzerin (30 Milliarden Euro).
„Wir werden übernommen, weil wir gut sind“
Vom bisherigen Gegenspieler geschluckt zu werden, weckt „Emotionen und Sorgen“ unter den Beschäftigten, wie Innogy-Chef Uwe Tigges weiß. Deshalb predigt er ihnen, selbstbewusst zu bleiben, wenn er sagt: „Wir werden übernommen, weil wir gut sind. Unsere Projekte leben fort – unter welchem Dach auch immer.“
Innogy habe 2016 mit der Loslösung vom RWE-Konzern eine „Pionierrolle“ eingenommen in der Energiewende, sagt Tigges, das tue man nach wie vor mit der Erschließung neuer Märkte. Nicht viel mehr als ein kleiner Funken Hoffnung auf den Erhalt der Eigenständigkeit klang durch, als er anfügte, das gelte auch für ein „wenig wahrscheinliches, aber immer noch mögliches Scheitern der Transaktion“.
Tatsächlich macht das Ökostromgeschäft nach wie vor den kleinsten Teil von Innogy aus – und der geht laut Verabredung der Dax-Konzerne RWE und Eon zurück zur Mutter, von deren konventionellem Kraftwerkspark Innogy noch vor drei Jahren unbedingt losgelöst werden sollte. Weil RWE in seinem Tauschgeschäft auch die Grünstromsparte von Eon erhält, wächst hier ein großer Erzeuger erneuerbarer Energien zusammen.
Der weit größere Teil – das Netzgeschäft – geht an Eon und macht die Essener zum mit weitem Abstand stärksten Stromlieferanten mit gut zwölf Millionen Kunden in Deutschland und 50 Millionen in Europa, weshalb die Wettbewerbshüter der EU den Zusammenschluss auch noch vertieft prüfen, damit den Verbrauchern keine Preiserhöhungen drohen.
Eon hält inzwischen rund neun von zehn Innogy-Aktien
Eon hat sich mittlerweile fast 90 Prozent der Innogy-Aktien gesichert. Trotz der Probleme im britischen Strom- und Gasgeschäft und durchwachsener Zahlen legte das Innogy-Papier in den vergangenen Monaten ordentlich zu, war am Dienstag mit gut 41 Euro mehr wert als Eon bietet (40 Euro).
Die Aktionärsvertreter blieben deshalb auch ungewöhnlich milde. Thomas Hechtfischer von der Kleinaktionärsvertretung DSW lobte den professionellen Umgang des Vorstands mit der auch für sie schwierigen Lage. Ihm gelinge der Spagat ganz gut, die Übernahme zu begleiten und gleichzeitig den Konkurrenzkampf mit Eon so lange weiter zu pflegen, wie Innogy noch unabhängig ist.
Den stärksten Applaus erhielt Finanzchef Bernhard Günther, der nach dem Säureanschlag vor gut einem Jahr noch gezeichnet, aber mit der alten Souveränität als Herr der Zahlen wieder auf dem Podium saß, die Bilanz erläuterte und Fragen der Aktionäre beantwortete.
Thomas Deser, Fondsmanager bei Union Investment, ersparte ihm aber nicht die Kritik, dass „die Serie der Gewinnwarnungen nicht abreißt“. Die Aktie steige offenkundig wegen des Eon-Übernahmeangebots, die Märkte blendeten das „schwache operative Geschäft aus“, sagte er. Innogy musste seine Erwartungen in den vergangenen Jahren mehrfach wegen seiner Probleme in Großbritannien nach unten schrauben. Zuletzt kurz vor Weihnachten 2018, als die geplante Ausgliederung der schwächelnden britischen Tochter Npower in ein Gemeinschaftsunternehmen mit dem britischen Versorger SSE platzte.
„Da ist so ziemlich alles schief gelaufen, was schieflaufen konnte“, kritisierte auch DSW-Geschäftsführer Hechtfischer. Weil Npower nun wieder voll in die Innogy-Bilanz durchschlägt, wird das den Gewinn im laufenden Geschäftsjahr um 250 Millionen Euro schmälern, wie Vertriebschef Martin Herrmann einräumte. Zwar prüfe man weiter alle Optionen, sagte er, aber: „Es fanden oder finden derzeit keine konkreten Gespräche zu einem Verkauf der Npower statt.“