Essen. . Mit der Stahlfusion ist für Thyssenkrupp ein tiefer Einschnitt verbunden. Das traditionsreiche Stahlgeschäft wird ausgegliedert.

Zum Start in den Tag verbreitete Thyssenkrupp-Kommunikationschef Alexander Wilke Optimismus. „Guten Morgen, Essen“, grüßte Wilke am Freitagmorgen über den Kurznachrichtendienst Twitter vor Beginn der Aufsichtsratssitzung zur Stahlfusion. „Das wird ein sonniger Tag heute.“ Es war eine kaum verklausulierte Botschaft aus der Essener Firmenzentrale. Doch es sollte noch Stunden dauern, bis am Abend durchsickerte, dass Thyssenkrupp Einigkeit mit dem indischen Konzern Tata zum historischen Bündnis erzielt hat.

Das ging aus einem Schreiben von Thyssenkrupp-Stahlchef Andreas Goss an die Mitarbeiter hervor, das unserer Redaktion vorlag. „Thyssenkrupp und Tata Steel haben den Vertrag zur Gründung eines gemeinsamen Unternehmens unterzeichnet“, heißt es in dem von Goss unterzeichneten Schreiben. „Das ist eine gute Nachricht für den Stahl und wegweisend für unsere Zukunft.“

Tiefer Einschnitt für Konzern

Mit der Stahlfusion ist für Thyssenkrupp ein tiefer Einschnitt verbunden. Das traditionsreiche Stahlgeschäft wird ausgegliedert. Künftig agiert der Revierkonzern als breit aufgestelltes Ingenieur-Unternehmen mit Geschäften rund um Aufzüge, Autoteile, U-Boote und Industrieanlagen.

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Mit der Gründung des Joint Ventures entstehe eine starke Nummer zwei in der europäischen Stahlbranche, schwärmt Goss. „Mit diesem Zusammenschluss sind wir besser aufgestellt – durch einen besseren Zugang zu Kunden und Regionen. Wir optimieren unser Produktangebot, können unsere Anlagen besser auslasten und profitieren von der Bündelung unserer Forschungskompetenzen.“

Schon vor Beginn der Aufsichtsratssitzung, die am Nachmittag im Konzern-Quartier begann, hatte Thyssenkrupp positive Signale des Partners Tata erhalten. Nach den Arbeitnehmervertretern von Thyssenkrupp stimmte auch der Betriebsrat von Tata Steel in den Niederlanden für das geplante Gemeinschaftsunternehmen. Man habe ausreichende Garantien etwa für Investitionen und Beschäftigung erhalten, hieß es.

Befreiungsschlag für Hiesinger

Vorstandschef Heinrich Hiesinger steht seit Wochen unter Druck. Finanzinvestoren fordern eine Zerschlagung des Konzerns – etwa durch einen Verkauf der lukrativen Aufzugsparte mit rund 50 000 Beschäftigten. Die Stahlfusion ist ein Befreiungsschlag für Hiesinger.

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Der Einigung zur Stahlfusion sind monatelange Verhandlungen vorausgegangen. Ein Knackpunkt war beispielsweise, ob Tata die Haftung für Umweltrisiken aus dem Geschäft in Großbritannien behält. Die Arbeitnehmervertreter in Deutschland hatten zudem mögliche Sonderrechte für den niederländischen Standort IJmuiden befürchtet. Die Sorge war, dass künftig mit Gewinnen aus Duisburg – und ohne Unterstützung aus den Niederlanden – mögliche Verluste am britischen Tata-Standort Port Talbot ausgeglichen werden müssen. Nun heißt es, auch die niederländische Gesellschaft werde beim sogenannten Cash-Pooling des neuen Stahlkonzerns mitmachen.

Was wird aus Bochum und Duisburg-Hüttenheim?

Die Firmenverlagerung von Deutschland in die Niederlande sehen die Arbeitnehmervertreter in Duisburg weiterhin kritisch.

Bis zum 30. September 2026 gilt grundsätzlich eine Standortsicherung für die Thyssenkrupp-Werke. Die Schließung einzelner Anlagen ist aber trotzdem möglich. So sind die Zusagen des Managements für die Werke Duisburg-Hüttenheim, Bochum und Eichen im Siegerland eingeschränkt und gelten lediglich bis Ende 2021.

Auch ein Börsengang des neuen Stahlkonzerns ist möglich. Ein solcher Schritt könnte Auswirkungen darauf haben, wie lange und in welcher Größenordnung Thyssenkrupp am Joint Venture beteiligt sein wird. Der Revierkonzern hatte zugesagt, für mindestens sechs Jahre dabei zu bleiben. Aber der Anteil könnte sich im Zuge eines Börsengangs deutlich verringern.