Essen. . Die Stahlfusion mit Tata soll die Bilanz von Thyssenkrupp aufbessern – mit einem hohen Buchgewinn und Dividenden. Ein Börsengang soll folgen.
Die Verträge für die historische Stahlfusion von Thyssenkrupp und Tata sind unterzeichnet, jetzt sind die Wettbewerbshüter am Zug. Weltweit müssen 18 Kartellbehörden zustimmen. Insbesondere die EU-Kommission dürfte sich das Bündnis des Essener Industriekonzerns mit dem indischen Hersteller Tata genau anschauen. Schließlich soll Europas zweitgrößter Stahlkonzern mit 48 000 Beschäftigten und Werken in Deutschland, Großbritannien und den Niederlanden entstehen. Auch wenn die Verträge nun unterschrieben sind: Bis zum Abschluss der Transaktion – dem sogenannten Closing – werden wohl noch einige Monate vergehen.
Danach rechnet Thyssenkrupp mit einer deutlich verbesserten Bilanz. Internen Berechnungen zufolge soll der Buchgewinn durch die Stahlfusion bei etwas mehr als zwei Milliarden Euro liegen. Durch bilanzielle Effekte habe der 50-Prozent-Anteil, den Thyssenkrupp am neuen gemeinsamen Konzern mit Tata halten werde, einen höheren Wert als die Stahlsparte in ihrer bisherigen Form, heißt es. Thyssenkrupp rechnet zudem als Miteigentümer des Joint Ventures mit jährlichen Dividenden-Einnahmen in dreistelliger Millionenhöhe.
Höhere Erlöse beim Börsengang
„Durch den Zusammenschluss der Nummer zwei und drei in Europa schaffen wir eine deutlich stärkere Nummer zwei“, sagte Thyssenkrupp-Vorstandschef Heinrich Hiesinger. Derzeit ist Arcelor-Mittal der unangefochtene Marktführer. Das Bündnis von Thyssenkrupp und Tata ist der größte Zusammenschluss in der europäischen Stahlindustrie seit der Übernahme von Arcelor durch Mittal vor mehr als zehn Jahren.
In absehbarer Zeit will Thyssenkrupp den neuen Stahlkonzern gemeinsam mit Tata an die Börse bringen. Denn in diesem Fall erhält Thyssenkrupp einen höheren Anteil der Erlöse, der dann einem wirtschaftlichen Verhältnis von 55 zu 45 Prozent zugunsten des Essener Konzerns entspricht. Bemerkenswert: Thyssenkrupp darf allein über den Zeitpunkt eines potenziellen Börsengangs entscheiden. Thyssenkrupp hatte zugesagt, für mindestens sechs Jahre dabei zu bleiben. Aber der Anteil am Stahlgeschäft könnte sich bei einem Gang zum Kapitalmarkt deutlich verringern. Wer an der Spitze des neuen Stahlkonzerns stehen wird, ist offen. Thyssenkrupp-Spartenchef Andreas Goss gilt als heißer Kandidat.
Der Druck auf Hiesinger durch Investoren bleibt hoch. Der Großaktionär Cevian zeigt sich trotz des Tata-Deals unzufrieden mit der Aufstellung des Industriekonzerns. Thyssenkrupp sei mit der Strategie des Konglomerats „gescheitert“, sagt Cevian-Gründer Lars Förberg. Er fordert einen weiteren Umbau von Thyssenkrupp. „Jetzt muss für jede der Sparten konsequent geprüft werden, welche Struktur und welche Eigentumsverhältnisse am besten geeignet sind“, sagt der Cevian-Gründer. Zudem lasse die Geschäftsentwicklung in den nun verbleibenden Thyssenkrupp-Sparten zu wünschen übrig.
Gegenstimme im Aufsichtsrat
Die Anlagenbausparte Industrial Solutions, die industrielle Produktionsstätten wie etwa Düngemittelfabriken fertigt, zeigt derzeit Schwächen. Spekuliert wird zudem, dass Thyssenkrupp nach der Stahlsparte auch die Werkstoffhandelstochter Materials Services zur Disposition stellen könnte. Schon jetzt sind Aufzüge das wichtigste Produkt im Thyssenkrupp-Portfolio. Darüber hinaus gehören unter anderem die Herstellung von Autoteilen sowie der Bau von Schiffen und U-Booten zum Geschäft von Thyssenkrupp. Ein Zeichen des Protests: Dem Vernehmen nach hat Cevian-Vertreter Jens Tischendorf im Aufsichtsrat gegen den Deal mit Tata gestimmt.
Mit einem Anteilspaket von rund 18 Prozent ist Cevian der zweitgrößte Einzelaktionär nach der traditionsreichen Krupp-Stiftung mit 21 Prozent. Neben Cevian fordert auch der neu eingestiegene US-Fonds Elliott von Hiesinger einen weitreichenden Konzernumbau. Hiesinger will dem Aufsichtsrat in der Woche ab dem 9. Juli seine neue Strategie für das Unternehmen vorstellen.