Frankfurt/Main. Aktionärsschützer rechen damit, dass bei der Hauptversammlung der Deutschen Bank eine Abrechnung mit Aufsichtsrats-Chef Clemens Börsig bevorsteht. "Hier ist absolut dilettantisch gehandelt worden", kritisiert ein Aktionärsschützer. Dafür steht Konzern-Chef Ackermann glänzend da.

Gewitterwolken über der Deutschen Bank: Vor der Hauptversammlung am Dienstag erwarten Aktionärsschützer eine Abrechnung mit Aufsichtsratschef Clemens Börsig. Der 60-Jährige hatte im April versucht, Vorstandschef Josef Ackermann zu beerben und sich damit bei Aktionären und offenbar auch intern gewaltig in die Nesseln gesetzt.

«Hier ist absolut dilettantisch gehandelt worden», kritisiert Aktionärsschützer Klaus Nieding von der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz im AP-Gespräch. «Das hat dem Ansehen von Herrn Börsig und auch dem Image der Deutschen Bank beträchtlich geschadet.»

Ackermann - trotz des jüngsten Jahresverlusts von 3,9 Milliarden Euro unangefochten - hatte sein Amt ursprünglich 2010 niederlegen wollen, Ende April aber überraschend erklärt, doch bis 2013 bleiben zu wollen. Anschließend wurde bekannt, dass sich Börsig dem Kontrollgremium selbst zur Wahl gestellt hatte und durchgefallen war, was die Bank nicht kommentierte. «Es ist die vornehmste Aufgabe des Aufsichtsrats, einen geeigneten Nachfolger für den Posten des Vorstandschefs zu finden. Das scheint ja total daneben gegangen zu sein», bilanziert Nieding.

Börsigs Vorgehen sei ein Unding, zitierte das «Handelsblatt» am Montag den Chef der Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger (SdK), Klaus Schneider. Er verwies dabei auf Corporate-Governance-Gründe. Börsig war einst Finanzvorstand der Bank, wurde dann Chef-Kontrolleur und würde - so die Befürchtung von Kritikern - mit einem Wechsel an die Spitze des Instituts einen Zick-Zack-Kurs hinlegen, der der Bank schade. «Herr Börsig ist zweifelsohne beschädigt», lautet Schneiders Fazit.

«Finanz-Hurrikan» vergleichsweise gut überstanden

Sein Kollege Klaus Nieding hätte erwartet, «dass diese Personalquerelen unter der Decke geblieben wären, hinter verschlossenen Türen, wo sie hingehören». Schließlich sei die Deutsche Bank der Branchenprimus: «Und an ein solches Haus haben Aktionäre höchste Ansprüche».

Auch, was die Dividende angeht: Diese ist nach dem Krisenjahr 2008 allerdings um 4 Euro auf 50 Cent zusammengeschrumpft, was den geschätzt 4.000 Aktionären in der Frankfurter Festhalle sauer aufstoßen dürfte.

Auf der anderen Seite hat Ackermanns Haus den «größten Finanz-Hurrikan der vergangenen Jahrzehnte» (Nieding) weitaus besser als viele Wettbewerber überstanden. Und kam - wie von dem Schweizer selbstbewusst vorhergesagt - ohne Staatshilfe aus. Ganz im Gegensatz zur deutschen Nummer zwei, der Commerzbank.

Zuletzt konnte Ackermann dann wieder glänzen: mit einem Quartalsgewinn von 1,2 Milliarden Euro. Und sogar mit einer Eigenkapitalrendite von 25 Prozent, Ackermanns Zielmarke, die im Zuge der Krise vielfach als vermessen kritisiert worden war. Trotzdem oder gerade deswegen wird es vor der Halle auch diesmal wieder Proteste gegen seine Geschäftspolitik geben: Die Klima-Allianz will einen fünf Meter hohen «Kohledinosaurier» errichten, auch Attac kündigte eine Aktion an.

Mehr um Köpfe als um Zahlen

Drinnen könnte es diesmal mehr um Köpfe als um Zahlen gehen. Schnellstens, so Nieding, müsse die Bank-Führung die Frage beantworten, wie es um das Verhältnis von Ackermann und Börsig bestellt sei. Das Ansehen des Geldhauses habe gelitten, möglicherweise sei sogar wirtschaftlicher Schaden entstanden. Mit einer schnellen Demontage Börsigs rechnet er indes nicht: «Man wird da eine gewisse Schamfrist einhalten.»

Die Ablösung Börsigs werde wohl nicht stattfinden, ehe die Deutsche Bank einen Nachfolger gefunden habe. «Zunächst muss man sehen, ob (Ex-SAP-Chef) Henning Kagermann willens ist, diese Aufgabe zu übernehmen.» Als Alternative nennt Nieding Ex-WestLB-Chef Heinz Hilgert.

Schauplatz der Dauerfehde mit Leo Kirch

Die Hauptversammlung werde Börsig auf jeden Fall noch als Leiter zu Ende bringen: «Allein schon, um Leo Kirch nicht noch mehr Munition zu liefern.» Die Aktionärstreffen waren zuletzt immer wieder zum Schauplatz der Dauerfehde mit dem Ex-Medienmogul geworden, Aktionär und ehemaliger Kreditnehmer der Bank. Im Februar 2002 hatte der damalige Bank-Chef Rolf Breuer öffentlich die Kreditwürdigkeit der Kirch-Gruppe in Zweifel gezogen und - nach Darstellung Kirchs - damit die Insolvenz seines Medienkonzerns zwei Monate später verursacht. Seither ziehen zahlreiche Detailfragen seiner Vertreter die Hauptversammlungen in die Länge. (ap)