Essen. RWE-Chef Jürgen Großmann sieht die Kernergie in den nächsten Jahren von "bürgerkriegsähnlichen Zuständen" bedroht. Dies habe er laut einem Medienbericht vom Mittwoch in einem Schreiben an die Grünen-Spitze in Berlin beklagt. Eine Studie sagt indes, die Bedeutung der Kernkraft werde sinken.

Der Energieversorger RWE fürchtet in den kommenden Jahren massive Auseinandersetzungen um die Atomkraft in Deutschland. In Schreiben an die Fraktionsvorsitzenden der Grünen im Bundestag, Renate Künast und Jürgen Trittin, gratulierte RWE-Chef Jürgen Großmann zum Wahlerfolg der Grünen, bat aber auch um Gespräche mit beiden. «Sicherlich sollte ein Thema sein, wie wir bürgerkriegsähnliche Zustände bei der Kernenergie in Zukunft vermeiden können», heißt es in dem Schreiben, wie die «Süddeutsche Zeitung» (Mittwochausgabe) berichtet. Von RWE hieß es, die Drohung mit bürgerkriegsähnlichen Zuständen habe man aus dem Wahlkampf der Grünen herausgehört.

«Die Atomkraftwerksbetreiber haben den mühsam errungenen Atomkonsens einseitig aufgekündigt», sagte Künast. «Den heraufziehenden Konflikt schaffen Herr Großmann und Co. - nicht die Menschen, die von ihrem demokratischen Recht auf Meinungsfreiheit, ihrem Demonstrationsrecht und dem schlichten Recht, den Stromanbieter zu wechseln, Gebrauch machen.»

Atomenergie steht laut Studie nicht vor Renaissance

Die Atomkraft ist nach Auffassung des Schweizer Meinungsforschungsinstituts Prognos international auf dem Rückzug. So werde es, laut einem vom Bundesumweltministerium in Auftrag gegebenen Gutachten, in den nächsten 20 Jahren anders als vielfach erwartet keine Renaissance der Kernenergienutzung geben. Das Institut erwartet demnach, dass der Bestand an Kernkraftwerken sukzessive sinkt.

"Altersbedingte Abschaltungen» führten dazu, «dass die Zahl der Reaktoren, die installierte Leistung und die Stromerzeugung in Kernkraftwerken deutlich zurückgeht», zitierte die «SZ» am Mittwoch aus dem Gutachten. Dadurch reduziere sich die Zahl der weltweit betriebenen Kernkraftwerke bis 2020 um 22 Prozent, bis 2030 um 29 Prozent.

Zudem würden viele geplante Kraftwerksneubauten wegen Problemen bei der Finanzierung oder politischer Instabilität nicht realisiert. So erwarten die Prognos-Forscher laut «SZ», dass nur rund 35 Prozent der Projekte, die vom Weltatomkraft-Verband WNA genannt werden, überhaupt jemals realisiert werden. (ddp/afp)