Essen. . Die Aktionäre des Essener Energiekonzerns RWE treffen sich am Mittwoch zur Hauptversammlung. Im Vorfeld warnt Finanzchef Bernhard Günther die Kommunen wegen des Ausfalls der Dividende vor Querschüssen.
Es könnte eine turbulente Hauptversammlung für den RWE-Vorstand werden. Sie verordnen den Stammaktionären eine Dividenden-Nullrunde. Die kommunalen Aktionäre sind sauer, weil die Pläne des Vorstands veröffentlicht worden sind, bevor der Aufsichtsrat zustimmen konnte. Von einem Vertrauensbruch war die Rede. Ist der Vorwurf für Sie nachvollziehbar?
Bernhard Günther: Die Enttäuschung kann ich gut verstehen. Aber so was machen wir nicht ohne Grund. Wir sind ja nicht auf Krawall gebürstet. Wir waren rechtlich verpflichtet, als Vorstand unseren Dividenden-Vorschlag öffentlich zu machen, bevor es eine Entscheidung des Aufsichtsrats gab.
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Das müssen Sie erklären. Üblicherweise gehen Dax-Konzerne doch mit einem von Vorstand und Aufsichtsrat gemeinsam abgestimmten Dividenden-Vorschlag an die Öffentlichkeit.
Günther: Der Dividenden-Vorschlag des Vorstands ist laut Wertpapierhandelsgesetz ad-hoc-pflichtig, wenn er erheblich von den bis zu dem Zeitpunkt herrschenden Markterwartungen abweicht. In den letzten Jahren war das bei uns nie der Fall.
Was „erheblich abweichen“ bedeutet, ist aber Auslegungssache.
Günther: Es gibt Analysten-Schätzungen, die klare Aussagen zur Dividendenerwartung abgeben. Diese lagen bei durchschnittlich 50 Cent. Für uns als Vorstand war daher klar, dass wir kommunizieren mussten. Ansonsten hätten wir gegen geltendes Recht verstoßen. Angenommen, wir hätten die Information für uns behalten: Dann hätten wir das Unternehmen und uns dem Risiko von Klagen jener Anleger ausgesetzt, die nach dem Vorstandsbeschluss und vor der Aufsichtsratssitzung RWE-Aktien gekauft haben. Um sicher zu gehen, was zu tun war, haben wir übrigens auch juristischen Rat eingeholt. Das Ergebnis war sonnenklar: Wir hatten keine Wahl.
Trotzdem ist es nicht gerade alltäglich, dass der Vorstand ohne Abstimmung mit dem Aufsichtsrat eine Mitteilung zur Dividende verschickt.
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Günther: Ja, aber in diesem Fall musste es so laufen. Nehmen Sie das sogenannte Schrempp-Urteil. Als die Ablösung von Herrn Schrempp durch Herrn Zetsche bekannt wurde, hat der Kurs von Daimler einen signifikanten Sprung gemacht. Aktionäre haben danach mit dem Hinweis mit Erfolg geklagt, dass die Ablösung intern schon mit hinreichender Sicherheit abzusehen war. Die Richter haben geurteilt, dass eine Pflicht zur Veröffentlichung schon bei einem gewissen Maß an Wahrscheinlichkeit besteht, dass sich der Aufsichtsrat den internen Planungen anschließt.
Dennoch sah es im Fall von RWE so aus, als wollte der Vorstand vollendete Tatsachen schaffen und die kommunalen Aktionäre überrumpeln.
Günther: Darum ging es nicht. Hier ging es nicht um Stilfragen, sondern um Rechtsfragen. Im Übrigen ist der Aufsichtsrat frei in seinen Entscheidungen.
Würden Sie wieder so handeln?
Günther: Ja, eindeutig.
Nicht nur RWE, sondern auch ihr Konkurrent Eon hat rote Zahlen präsentiert. Bei Eon gibt es aber eine Dividende – warum nicht auch bei RWE?
Günther: Ich kann nur für RWE sprechen. Wir haben nie eine Dividende vorab versprochen. Unser Jahresabschluss war so, dass kein ausschüttungsfähiger Gewinn vorlag. Wir haben schon in den vergangenen Jahren Dividenden aus der Substanz gezahlt – insgesamt rund 7,5 Milliarden Euro. Unser Eigenkapital lag Ende 2009 bei knapp 13 Milliarden. Trotz einer Kapitalerhöhung hat sich das Eigenkapital in den vergangenen sechs Jahren mehr als halbiert. Angesichts der Marktsituation wäre es nicht zu verantworten gewesen, eine Dividende auf die Stammaktien auszuschütten und damit die Eigenkapitalbasis des Unternehmens noch weiter zu schwächen.
Wird RWE im nächsten Jahr wieder eine Dividende zahlen?
Günther: Wir legen nun die Grundlage für mögliche künftige Ausschüttungen. Aber es gibt Dinge, die wir nicht selbst in der Hand haben. Viel hängt von der Entwicklung der Börsenstrompreise ab. Auch politische Entscheidungen zu den Kernenergie-Rückstellungen können einen erheblichen Einfluss auf unsere Finanzkraft haben. Weil wir so viele Unsicherheiten haben, warten wir bis zum Frühjahr 2017, bis wir uns zur Dividende für 2016 äußern. Wir fahren also auf Sicht. Klar ist aber auch: Der Markt rechnet in den nächsten Jahren nicht mit hohen Dividenden bei RWE.
Wann gibt es einen Umschwung bei RWE – vom Schrumpfen zum Wachsen?
Günther: Der für Ende des Jahres geplante Börsengang der Newco ist ein Befreiungsschlag. Mit der Newco haben wir drei gesunde Säulen im Geschäft: das Netz-, das Vertriebs- und das Erneuerbaren-Geschäft. Wir erhalten durch die Ausgabe neuer Aktien der Newco finanzielle Mittel, um diese Bereiche weiter zu entwickeln. Mit einem gewissen zeitlichen Abstand werden sich die Investitionen positiv auf unser Ergebnis auswirken.
Laufen die Vorbereitungen nach Plan?
Günther: Ja. Wir liegen sehr gut im Zeitplan und rechnen mit einem Börsengang im vierten Quartal 2016. Dafür möchte ich allen Mitarbeitern schon jetzt ein großes Kompliment machen.
Wie stark profitieren die bisherigen RWE-Aktionäre vom Newco-Börsengang?
Günther: Sie profitieren über den Anteil der RWE AG an der Newco, der nach dem Börsengang bei voraussichtlich etwa 90 Prozent liegen wird. Wir behalten uns auch vor, ggf. zeitlich oder später mehr Anteile zu verkaufen, wenn es dafür einen Markt gibt. Der RWE-Mutterkonzern, wir nennen ihn intern Holdco, bekommt eine Dividende der Newco entsprechend seiner Anteile. Die neue Gesellschaft wird, um einen vernünftigen Wert beim Börsengang realisieren zu können, eine klare Dividendenpolitik vorgeben müssen. Die Newco hat mit Netz und Vertrieb ein stabiles Geschäft, die Erneuerbaren bieten eine gute Perspektive. Wer bei der Newco einsteigt, erwartet, dass eine Dividende gezahlt wird.
Wie viele - auch kommunale - Aktionäre werden der alten RWE den Rücken zukehren und zur Newco wechseln?
Günther: Es gibt sicherlich RWE-Aktionäre, die nach dem Börsengang lieber in der Newco wären. Das mag auch für einen Teil der kommunalen Aktionäre gelten. Das Herz der Kommunen schlägt für das lokale Geschäft vor Ort. Das findet in der Newco statt. Deshalb könnte es für die Kommunen attraktiv sein, sich auch in der neuen Gesellschaft zu engagieren.
RWE wird am Kapitalmarkt mit etwas mehr als sieben Milliarden Euro bewertet. Analysten schätzen, dass die Newco zwischen 15 Milliarden und 20 Milliarden Euro wert ist. Ist es nicht skurril, dass die Tochterfirma mehr wert sein soll als der Mutterkonzern?
Günther: Ich kenne solche Schätzungen auch, werde sie im Vorfeld des Börsengangs aber nicht bewerten. Nur so viel: Es gibt einen Effekt, insbesondere weil die RWE AG die Kernenergie-Rückstellungen in ihren Büchern hat. Aber klar ist: Die Tochter wird höher bewertet als die Mutter. Wer für zehn Millionen Euro RWE-Aktien verkauft, um für zehn Millionen Euro Newco-Aktien zu erwerben, wird einen kleineren Teil an der NewCo halten als er an der RWE AG erhielt. Das heißt auch: Es gibt auch eine Hebelwirkung, von der RWE-Aktionäre profitieren, wenn sich die Newco gut entwickelt.
Konkret, bitte.
Günther: Unterstellen wir mal ganz hypothetisch, dass der Wert der Newco von sagen wir mal 20 Milliarden auf 21 Milliarden Euro steigt, dann wären das fünf Prozent. Weiterhin unterstellt, RWE ist zu diesem Zeitpunkt sieben Milliarden Euro wert. Bei einem Anteil von 90 Prozent partizipiert der RWE-Aktionär dann mit 900 Millionen Euro an einem Wertzuwachs der Newco von einer Milliarde Euro. Dann beträgt der RWE-Wert also 7,9 Milliarden Euro das sind fast 13 Prozent mehr. Das meine ich mit Hebeleffekt.
Aber ein RWE-Aktionär ist an einem Unternehmen mit mehr Risiken beteiligt – und der Anteil an der Newco dürfte sinken. Wann ist denn ein Wechsel von der alten RWE zur Newco sinnvoll?
Günther: Das hängt grundsätzlich davon ab, welches Anlageprofil Sie suchen.
Die Kommunen sind nicht nur Aktionäre, sondern auch Geschäftspartner – nämlich im Konzessionsgeschäft. Befürchten Sie, dass angesichts des Streits mit den Kommunen Verträge wegbrechen?
Günther: Die Verträge werden nicht in Hinterzimmern nach Gutsherrenart verteilt. Es gelten Ausschreibungsregeln der EU. Wir glauben, dass wir als Partner der Kommunen nach wie vor eine Menge zu bieten haben.
Im Raum steht auch die Drohung der Kommunen, dem Vorstand bei der Hauptversammlung die Entlastung zu verweigern. Wie bitter wäre ein solcher Schritt für Sie?
Günther: Mit einer Nicht-Entlastung wäre niemandem geholfen. Faktisch würde sich nichts ändern, weil es keine rechtliche Wirkung hat. Mir bereitet dabei vor allem Sorgen, dass das kein gutes Signal insbesondere an die großen Investoren aus der angelsächsischen Region wäre. Das würde unserem Unternehmen schaden.
Blick vom RWE-Turm auf Essen