Essen. . Als Ersatz für womöglich entfallende RWE-Dividende – und falls das Tarifplus im öffentlichen Dienst oberhalb des eingeplanten einen Prozents landet.

  • Kämmerer: „Ich wüsste nicht, wo sonst noch Reserven stecken“
  • Die so genannte Grundsteuer B trifft alle Essener – Wohneigentümer wie Mieter
  • Gut möglich aber, dass die Stadt noch deutlich mehr zulangt

Auf die Essener Bürger kommt womöglich erneut eine Erhöhung der Grundsteuer zu – und das sogar rückwirkend zum 1. Januar. Er sei zwar „nicht scharf“ auf diesen Schritt, bekannte am Montag der städtische Finanzchef Lars Martin Klieve. Doch wenn es dabei bleibt, dass die Stadt auf ihre knapp 18,8 Millionen RWE-Aktien keinen einzigen Cent Dividende erhält, sei dies der einzige verlässliche Weg, die neuerliche Finanzlücke von 9,4 Millionen Euro zu stopfen: „Ich wüsste nicht, wo sonst noch Reserven stecken.“

Die so genannte Grundsteuer B wird auf bebaute genauso wie auf unbebaute Grundstücke erhoben und trifft alle Essener – Wohneigentümer wie Mieter. Erst Anfang 2015 war der entsprechende Hebesatz von 590 auf 670 Prozent angehoben worden. Wollte man halbwegs exakt eine wegfallende Dividende von 9,4 Millionen Euro ausgleichen, käme auf die Bürger ein Plus von 50 Punkten auf einen Hebesatz von 720 zu – unterm Strich also eine Erhöhung um rund 7,5 Prozent.

Gut möglich aber, dass die Stadt noch deutlich mehr zulangt. Denn im Zuge der anstehenden Tarifrunde im öffentlichen Dienst blickt Stadtkämmerer Klieve auch sorgenvoll auf die Forderung der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi nach immerhin sechs Prozent mehr Gehalt für die städtischen Bediensteten. Sechs Prozent? Im Essener Etat ist gerade mal ein Prozent mehr eingeplant – so schreibt es der NRW-Stärkungspakt vor.

Schon dieses eine Prozent lässt die Personalkosten inklusive Versorgungsaufwand um etwa 3,6 Millionen Euro höher ausfallen als im vergangenen Jahr. Mit jedem weiteren Prozentpunkt aber vergrößerte sich das Etatloch um eine vergleichbare Summe. Schon ein Abschluss knapp unter vier Prozent würde also ein ähnlich großes Loch in den Stadt-Haushalt reißen wie eine entfallende RWE-Dividende – über neun Millionen Euro.

Erst 2015 war der Hebesatz angehoben worden

Kein Wunder, dass Klieve die Sechs-Prozent-Forderung von Verdi für „absolut unvertretbar“ hält, zumal bei einer Inflation nahe der Nulllinie – und hofft, „dass die Tarifparteien sich auf einen vernünftigen Abschluss einigen“ – sprich: deutlich darunter.

Beim hiesigen Verdi-Geschäftsführer Lothar Grüll ist er da allerdings an der falschen Adresse: Der spricht von Nachholbedarf der Beschäftigten, von der fehlenden Konkurrenzfähigkeit des öffentlichen Dienstes und davon, dass die Flüchtlingskrise den Mitarbeitern an die Substanz geht: „Sollen die das etwa auf Dauer weitermachen und dann auch noch weniger verdienen?“ Selbst manche Putzkräfte und Busfahrer verdienten bei Privaten mittlerweile besser, von Ingenieuren ganz zu schweigen.

Die höhere Grundsteuer wird also deutlich wahrscheinlicher, denn „am Ende muss das der Steuerzahler alles verdienen“, erinnert Klieve. Am Mittwoch im Rat wird der Dreh an der Steuerschraube noch kein Thema sein – man will schließlich einerseits seine Verhandlungsposition für die RWE-Hauptversammlung nicht schmälern, wo die „kommunale Familie“ die Dividende doch noch durchsetzen will.

Andererseits gäbe es dann nämlich auch keinen Weg mehr zurück: Eine einmal beschlossene Steuererhöhung müsste die Stadt beibehalten, auch wenn RWE zur Dividendenzahlung gezwungen würde – der Stärkungspakt will es so.

Dass die RWE-Hauptversammlung, auf der die Entscheidung fällt, erst am 20. April stattfindet, bedeutet bei alledem kein Hindernis: Wenn die Steuererhöhung bis zum 30. Juni beschlossen wird, könnte sie noch rückwirkend zum 1. Januar in Kraft treten.