Ruhrgebiet. . Karstadt in Essen, VHS in Mülheim und Opel in Bochum: Wirtschaftsförderer zeigen sich besorgt über die Marktchancen durch Auflagen im Denkmalschutz.

Nicht jeder, der Essen via A52 Richtung Düsseldorf verlässt, hat mit Blick nach links das Gefühl, an einem Denkmal vorbeizufahren. Die Zentrale des Karstadt-Konzerns mit ihrem ausladenden, grauen Betongerippe versprüht für den Laien mehr Pragmatismus denn Baukunst. Sehr zum Verdruss hiesiger Wirtschaftsförderer steht der Bau aber zumindest vorläufig unter Denkmalschutz, was den Verkauf nicht eben leichter macht. Es ist nicht der einzige Ort im Ruhrgebiet, an dem sich Denkmalschutz und Vermarktung im Wege stehen. Drei Beispiele:

Karstadt-Zentrale in Essen

Bei Tageslicht tendiert der Bau stark ins Gräuliche, die Witterung hat gerade an den der Autobahn A 52 zugewandten Seiten ihre Spuren hinterlassen. Sie wegzuwischen, zum Beispiel mit etwas Farbe, stand in den vergangenen Jahren nicht auf der Agenda von Karstadt. Die Warenhauskette kommt aus der Insolvenz und versucht sich derzeit zu wandeln und gesund zu sparen, weshalb die Zentrale in Essen-Bredeney zu groß geworden ist. Gut zu sehen am Abend – dann bleiben obere Etage und viele weitere Büros dunkel, weil sie längst leer gezogen sind.

Karstadt will noch in diesem Jahr in Bredeney ausziehen, der Karstadt-Pensionsfonds das Areal verkaufen. Essens Wirtschaftsförderer Dietmar Düdden hofft nach wie vor, der Essener Traditionskonzern möge am Standort bleiben. Doch falls nicht, wäre für ihn hier vieles denkbar – von Gewerbe über Misch- bis Wohnbebauung.

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Würde der Bau endgültig unter Denkmalschutz gestellt, wäre vieles davon hinfällig. „Das würde die Vermarktung erheblich schwieriger machen. Selbst eine gewerbliche Nutzung wäre auf den bestehenden, riesigen Flächen fast unmöglich“, sagt Düdden. Die Rolltreppen zwischen den Etagen, die fußballfeldgroßen Büros – all dies ist für andere Nutzer nicht ganz so passend wie für einen Kaufhauskonzern.

Besonders pikant: Es war ausgerechnet die bei der Stadt Essen angedockte Untere Denkmalbehörde, die den Anstoß gab, den Bredeneyer Komplex unter Schutz zu stellen. Mit guten Gründen, die Helmtrud Köhren-Jansen, oberste Denkmalpflegerin beim Landschaftsverband Rheinland, auflistet: „Die Karstadt-Hauptverwaltung ist ein wichtiges Zeugnis für die westdeutsche Nachkriegsgeschichte“, sagt sie.

In der Zeit des Wirtschaftswunders seien große Verwaltungen aus den engen Innenstädten auf die grüne Wiese verlegt worden, um auch den Mitarbeitern die Anfahrt zu erleichtern. So wie Karstadt von Berlin nach Bredeney. Für Köhren-Jansen ist der 1969 bezogene Bau ein „Gesamtkunstwerk“ – mit seinen grünen Außenanlagen und der Vielzahl von Werken zeitgenössischer Künstler, die zum Teil fest an den Wänden verankert sind.

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Marcel Abel, Geschäftsführer der Gewerbeimmobilien-Vermarktung Jones Lang LaSalle in Düsseldorf, machte sich dagegen über die kulturelle Betrachtung bei einer Diskussion in Essen lustig, als er mutmaßte, dass „dann sicher Busse voller Touristen vor der Karstadt-Zentrale vorfahren“ würden, um dieses Denkmal zu bewundern.

Volkshochschule Mülheim

Beton und dunkle Fenster sind auch die Merkmale des Mülheimer Volkshochschul-Gebäudes, das im April 1979 eröffnet wurde. Die Nutzfläche von 4200 m2 ist für die VHS – ähnlich wie bei Karstadt – längst zu groß geworden. Zudem hat die Stadtverwaltung, die die vorläufige Aufnahme in die Denkmalliste nicht gerade begrüßte, einen Sanierungsbedarf von sechs bis 16 Millionen Euro ermittelt.

Die Volkshochschule in Mülheim ist sanierungsbedürftig.
Die Volkshochschule in Mülheim ist sanierungsbedürftig. © Lars Heidrich

Die Lage nahe der Ruhr, gegenüber der Stadthalle und neben Schloss Broich am Rande des Müga-Parks weckt die Phantasie, nach Abriss und Verkauf des Grundstücks die klamme Stadtkasse aufzufüllen. Genau das aber wollten Bürgerinitiativen verhindern und beantragten den Denkmalschutz.In Mülheim geht nun die Befürchtung um, dass der Betonkomplex in bester Lage auf Dauer zementiert ist. „Veränderungen oder Nachnutzungen sind in Abstimmung mit der Denkmalbehörde möglich. Es ist nichts eingefroren“, betont dagegen der Mülheimer Denkmalschützer Felix Blasch. Doch das geht Wirtschaftsförderer Jürgen Schnitzmeier nicht weit genug: „Denkmalschutz kann den Wert einer Immobilie steigern“, sagt er.

„Kein Verständnis habe ich für den Denkmalschutz bei energetisch und funktional kaum optimierbaren Gewerbe- und Funktionsbauten aus den 60er- und 70er-Jahren mit hohem Modernisierungsbedarf wie zum Beispiel dem Mülheimer VHS-Betonbau, der auch für öffentliche Eigentümer finanziell und wirtschaftlich nicht darstellbar ist.“

Opel-Verwaltung Bochum

Etwas entspannter geht es in Bochum zu bei der Frage, ob die Fassade des Verwaltungsgebäudes des stillgelegten Opel-Werks I dauerhaft unter Denkmalschutz gestellt werden soll. Auch hier gab es kritische Stimmen. Rolf Heyer, Geschäftsführer von „Bochum Perspektive 2022“, sieht aber auch „zahlreiche Vorteile“, die der Denkmalschutz mit sich bringe, etwa bei der steuerlichen Absetzbarkeit der Mehraufwendungen und günstigen Krediten für die Sanierung durch die NRW-Bank.

Die Opel-Fassade in Bochum soll erhalten bleiben.
Die Opel-Fassade in Bochum soll erhalten bleiben. © Ingo Otto / WAZ FotoPool

Bliebe nur die Fassade als Würdigung der Ära des Automobilbaus in Bochum stehen, könne das Innere nach Belieben neu gestaltet werden. Doch auch Heyer betont, die „Nutzbarmachung des Gebäudes“ müsse auch unter Denkmalschutz-Bedingungen wirtschaftlich bleiben.

„Übersteigen die Kosten einer Sanierung unter Denkmalschutz-Kriterien die eines Neubaus, müssen gerade wir als öffentlicher Träger die Frage nach der Sinnhaftigkeit stellen.“ Sollte es bis Ende 2017 nicht gelingen, einen Investor zu finden, behalte man sich daher auch einen Abriss vor.