Essen. . Der Energieriese will das profitable Netzgeschäft und die Erneuerbaren abspalten und zum Teil an die Börse bringen. Konkurrent Eon macht es umgekehrt.

Es ist ziemlich genau ein Jahr her, dass Eon-Chef Johannes Teyssen die deutsche Energiewirtschaft aufrüttelte mit seiner Ankündigung, seinen Konzern aufzuspalten. In wenigen Wochen zieht Eon mit seinem profitablen Netz- und Vertriebsgeschäft sowie den erneuerbaren Energien nach Essen um – und lässt seine kriselnden Kohle- und Gaskraftwerke in der neuen Gesellschaft Uniper in Düsseldorf zurück. RWE-Chef Peter Terium, von dem seinerzeit natürlich alle wissen wollten, ob das nicht eine gute Idee des Erzkonkurrenten sei, gab trotzig bis staatstragend zurück: „Wir sorgen dafür, dass das Licht an bleibt.“

Nun, zwölf Monate später, vollzieht der niederländische RWE-Chef einen ähnlich radikalen Schnitt – allerdings mit umgekehrtem Vorzeichen. Terium will nicht den zusehends unrentabler werdenden konventionellen Teil loswerden, sondern das zukunftsträchtige Geschäft mit Netzen, Vertrieb und Ökostrom vom kriselnden Mutterkonzern loseisen.

Die Tochter ist doppelt so groß wie die Mutter

Dabei betonte Terium am Dienstag mehrmals, es handele sich nicht um eine Aufspaltung, schließlich behalte der Mutterkonzern langfristig die Mehrheit an der neuen Gesellschaft. „Wir haben nichts kopiert. Wir haben nichts abgeschaut. Wir spalten den Konzern nicht auf. Das ist eine reine RWE-Lösung“, so Terium. Allerdings betonte er auch mehrfach, beide Teile sollten künftig eigenständig arbeiten. Und die unabhängige Tochter wird mit 40.000 Beschäftigten doppelt so groß sein wie ihre Mutter.

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Von Peter Hahne

Dass die konventionellen und die erneuerbaren Energien gegeneinander arbeiteten und deshalb besser jeder Teil für sich kämpfen solle, sagt Eon-Chef Teyssen seit einem Jahr. Schließlich ist der Boom des mit Festpreisen subventionierten Ökostroms der Grund für den Verfall der Großhandelspreise, die Gas- und Steinkohlekraftwerke unwirtschaftlich machen. Deshalb hatte auch Terium zuletzt auffällig oft und zuweilen ungefragt betont, ab einem gewissen Punkt eine Abspaltung nicht mehr auszuschließen. Falle der Börsenpreis unter 28 Euro je Megawattstunde, werde es „spannend“. Unter die 30-Euro-Marke ist der Preis zuletzt bereits gerutscht.

Beobachter hatten Teriums Einlassungen aber als Signal gedeutet, auch RWE werde sich von seinem konventionellen Stromgeschäft trennen, zumal die Politik nun auch noch über einen schnelleren Ausstieg aus der für RWE so wichtigen, weil noch rentablen Braunkohle diskutiert. Mit der Idee, es umgekehrt zu machen und die Zukunftsfelder frisches Geld einsammeln zu lassen, hat Terium die Märkte gestern positiv überrascht. Die Aktie legte zwischenzeitlich um mehr als acht Prozent zu.

Die Börse reagierte begeistert

Einen „klugen Schachzug“ nannte Thomas Deser, Fondsmanager bei Union Investment, den geplanten Schritt. RWE werde dadurch „wieder als glaubwürdiger Partner der Energiewende wahrgenommen“.

Auch bei Eon hatte die Aufspaltungs-Ankündigung positive Reaktionen an der Börse ausgelöst. Aktionärsschützer fragen aber auch, wie erfolgversprechend der fürs zweite Halbjahr 2016 geplante Uniper-Börsengang ist. Schließlich sucht Eon dann Geldgeber fürs konventionelle Kraftwerksgeschäft, dessen Gewinne zuletzt immer weiter gesunken sind.

RWE hofft dagegen, für seine Zukunftsfelder leichter an frisches Geld zu kommen. Da der Mutterkonzern die Mehrheit behalte, werde er mitprofitieren, wenn die neue Gesellschaft durch die Kapitalspritze schneller wachsen könne.

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Von Andreas Tyrock, Stefan Schulte, Ulf Meinke

Von seinen finanziellen Risiken für den Atomausstieg kann RWE die neue Gesellschaft nicht befreien. Das hat die Bundesregierung unlängst per Gesetz verhindert, das ursprünglich gedacht war, um Eon nicht aus der Verantwortung zu lassen. Nun betont auch Terium: „An unserer Haftung ändert sich nichts.“ Die Hoffnung ist aber, dass die neue Gesellschaft vom Kapitalmarkt besser bewertet wird, somit leichter und günstiger an Kredite kommt, schneller wachsen kann und höhere Renditen abwirft. Sie werde zum „führenden europäischen Unternehmen in der Energiewelt von morgen“, frohlockte Terium.

Zur heiklen Frage der Atomrückstellungen, die mit dem schwächelnden Kraftwerksgeschäft in der Alt-Gesellschaft bleiben, sagte Terium: „Wir werden uns nicht der Verantwortung entziehen.“ Die Umweltorganisation Greenpeace befürchtet genau das: „Offensichtlich will sich RWE vor den Kosten dreckiger Atom- und Kohlestromerzeugung drücken.“

Über die alte RWE, die mit dem konventionellen Geschäft zurückbleibt, sagte Terium am Dienstag das gleiche, was Eon-Chef Teyssen stets über die Uniper sagt, nämlich dass sie „alles andere als eine Bad Bank“ sei.