Mülheim. . Der Wirtschaftsverband senkt seine Stahlprognose um fünf Prozent. Die Mannesmannröhren-Werke warnen vor dem Aus für das Stahlkochen in Europa.
Vor einem Aus der Stahlproduktion in Europa warnt der neue Chef der Mannesmannröhren-Werke in Mülheim, sollte die EU-Kommission ihre Pläne verwirklichen und die Klimaabgabe ab 2021 verschärfen. „Die Politik muss mit Augenmaß vorgehen, oder sie verschafft uns Kostennachteile, die zum Ende der Stahlindustrie in Europa führen können“, sagte Clemens Stewing dieser Redaktion.
Die EU will den Handel mit Verschmutzungsrechten verschärfen. Stewing sieht darin ein unkalkulierbares Risiko für die Stahlindustrie: „Auf uns rollt eine Kostenbedrohung zu, die wir noch gar nicht abschätzen können“, sagte er. Beim Stahlkochen entstünden chemische Prozesse, die Kohlendioxid freisetzten. Dazu, so der Röhrenchef, gebe es derzeit „keine vernünftigen Alternativen“.
Die Stahlkonjunktur hat sich in Deutschland in den vergangenen Monaten eingetrübt. Die Wirtschaftsvereinigung Stahl rechnet in diesem Jahr deshalb mit einem um fünf Prozent rückläufigen Auftragseingang im Vergleich zu 2014. Der Präsident der Wirtschaftsvereinigung Stahl, Hans Jürgen Kerkhoff, macht dafür vor allem weltweite Überkapazitäten und Billigimporte aus China verantwortlich.
Röhrengeschäft unter Druck
Darunter leiden auch die Hüttenwerke Krupp Mannesmann, die in Duisburg Stahl für die Röhrenwerke mit zahlreichen Tochtergesellschaften vor allem in Mülheim und Siegen herstellen. Aus dem Vormaterial entstehen Rohre für Pipelines unter dem Meeresgrund, aber auch Leitungsrohre sowie Edelstahlprodukte für die Automobilindustrie. Die Röhren-Gesellschaften, an denen Salzgitter die Mehrheit hält, machten 2014 einen Umsatz von 1,2 Milliarden Euro und beschäftigten knapp 5000 Mitarbeiter.
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Das Röhrengeschäft steht unter Druck. „Wir beobachten auf der einen Seite eine Zersplitterung und auf der anderen Seite eine Abschottung mancher Märkte. Und es sind neue Wettbewerber aus Russland, China und Indien hinzugekommen“, sagt Röhrenchef Stewing. Den Unternehmen seiner Gruppe hat er deshalb verordnet, „mittelständischer“ zu werden, die Strukturen zu verschlanken und die Prozesse zu beschleunigen. Veränderungen zeichnen sich im Autozuliefer-Segment ab: Komponenten für Lenkungen, Dieseleinspritzrohre und Stoßdämpfer will Salzgitter-Mannesmann vor Ort weiterverarbeiten, wo deutsche Autobauer ihre Wachstumsmärkte haben: in USA und China. Stewing: „Unsere Stahlbasis soll aber in Deutschland und Europa bleiben.“
Potenzial für das Pipeline.Geschäft
Im Geschäft mit Offshore-Pipelines sehen sich die Röhrenwerke auf der Seite der Gewinner der Energiewende: „Trotz der Energiewende wird Erdgas mittelfristig unverzichtbar sein. Er ist der sauberste unter den fossilen Energieträgern“, betont Stewing. Sein Vorgänger als Röhrenchef, Wolfgang Eging, sieht große Potenziale: „Weltweit sind derzeit rund 20 Millionen Kilometer Pipelines in der Planung – insbesondere Landleitungen in Sibirien und China.
Ungetrübt ist der Optimismus der Röhrenwerke dennoch nicht. „Eine Bedrohung für unsere Produkte sehen wir beim Flüssiggas, das per Schiff transportiert wird“, sagt Stewing und verweist auf die USA, die mit ihrem Frackinggas auf die Exportmärkte drängten.
Die Salzgitter AG will den Markennamen Mannesmann künftig stärker vermarkten: „Seit dem Übergang der Röhrenwerke auf Salzgitter im Jahr 2000 wurde die Marke Mannesmann nur mittelmäßig offensiv genutzt“, sagt Wolfgang Eging, bis Ende September Chef der Mannesmannröhren-Werke. „Mein Abschiedswunsch ist es, dass der Name weiterlebt und den Weltruhm unserer Röhren unterstreicht. Immerhin hat es bis heute keine technischen Probleme mit unseren Pipelines gegeben“, betont Eging.
Clemens Stewing neuer Röhrenchef
Sein Nachfolger an der Unternehmensspitze, Clemens Stewing, will Eging den Wunsch erfüllen: „Nach dem Zusammenschluss haben sich zwei Welten aufeinander zubewegt: die mittelständisch geprägte und etwas hemdsärmlige Salzgitter AG und Mannesmann, das Weltunternehmen mit Historie. Bei dem Integrationsprozess ist die Marke Mannesmann zu stark in die zweite Reihe hinter Salzgitter getreten“, räumt er ein. Das wolle der Konzern bei der Röhrenmesse Tubes 2016 ändern und „den Namen Mannesmann für unsere Produkte wieder stärker in den Vordergrund stellen“, so Stewing.
Bei der Übernahme im Jahr 2000 sind die Namensrechte der untergegangen Mannesmann AG auf Salzgitter übergegangen. Die Röhrenwerke sind der einzige Geschäftsbereich des Mannesmann-Konzerns, die als Ganzes und unter altem Namen fortbestehen.
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Mit Wolfgang Eging verlässt der letzte waschechte Mannesmann die Brücke der Röhrenwerke. 1973 trat er als Betriebswirt in die damalige Mannesmannröhren-Werke AG ein und durchlief dort mehrere Stationen. Den Konzern wechselte er während seiner 42-jährigen Karriere aber niemals.
Wolfgang Eging ist der letzte Mannesmann
2004 war Eging zum Vorstandsvorsitzenden des Röhrenherstellers aufgestiegen, der nach der Zerschlagung der Muttergesellschaft Mannesmann AG im Jahr 2000 für den symbolischen Preis von zwei Mark von der Salzgitter AG übernommen worden war. Mit fast 67 Jahren trat Eging nun in den Ruhestand, wird dem Unternehmen als Aufsichtsratsmitglied in einigen Tochterfirmen erhalten bleiben.
Dem Oberhausener Eging folgt der Dorstener Clemens Stewing. Der 52-Jährige führt jetzt die Mannesmannröhren-Werke GmbH als Führungsgesellschaft des Geschäftsbereichs Energie der Salzgitter AG. Seine berufliche Laufbahn begann der Jurist beim Stahl- und Anlagenkonzern Klöckner-Werke in Duisburg. Es folgten Stationen bei Hochtief und bei Energieversorgern. 2001 kam Stewing zu Salzgitter und war zuletzt Mitglied der Geschäftsführung der Hüttenwerke Krupp Mannesmann in Duisburg, die den Stahl für die Röhrenproduktion in Mülheim liefern. An dem Stahlwerk mit Kokerei ist die Salzgitter AG mit 30 Prozent beteiligt.