Berlin. VW stoppt den Verkauf manipulierter Neuwagen in der EU. Experte Dudenhöffer sieht in der späten Reaktion das nächste Stufe des Skandals.

  • Angeblich ist auch eine weitere Baureihe von Dieselmotoren mit der Schummelsoftware ausgestattet
  • Automobilexperte Dudenhöffer kritisiert mangelnde Transparenz im VW-Konzern
  • In der Staatskanzlei des Landes Niedersachsen ist unterdessen eine Akte zum Diesel-Skandal verschwunden

Volkswagen hat den Verkauf von Neuwagen mit Manipulations-Software in der Europäischen Union beendet. Der Konzern habe die Händler über den Schritt informiert, sagte ein VW-Sprecher. Es handele sich um eine „begrenzte Zahl“, von Fahrzeugen, formulierte der Sprecher. Doch wie viele Autos von dem Verkaufsstopp tatsächlich betroffen sind, teilte der Konzern am Mittwoch nicht mit.

Eine Krisenkommunikation aus Wolfsburg, die bei Experten mittlerweile zu Kopfschütteln führt: „VW weiss seit mehreren Wochen, dass die Schummel-Diesel-Fahrzeuge gegen europäisches Recht verstoßen und von daher nicht in der EU zugelassen werden dürfen“, sagt Ferdinand Dudenhöffer, Professor für Automobilwirtschaft an der Universität Duisburg-Essen.

„VW verstrickt sich immer weiter in den Skandal“

„VW verstößt mit diesen Fahrzeugen mit Absicht fortgesetzt gegen die EU-Verordnung 715 aus dem Jahr 2007“, erklärt der Experte. In dieser EU-Verordnung wird geregelt, was erfüllt sein muss, um die Fahrzeuge ordnungsgemäß in den Straßenverkehr zu bringen.

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„Man hat also in den letzten Wochen bei VW wissentlich in Kauf genommen, dass Fahrzeuge verkauft werden, die gegen EU-Recht verstoßen und die Kunden in große Probleme bringen können“, kritisiert Dudenhöffer. Dies sei „eine Katastrophe für das Unternehmen“. Man gewinne den Eindruck, dass sich VW sich immer stärker in dem Skandal verstricke, so der Experte. „So werden immer stärkere Stimmen laut, die darauf hinweisen, dass es längst nicht nur eine Schummelei beim Motor EA 189 gab, sondern dass VW auch bei anderen Antrieben die gesetzeswidrige Software in Betrieb hat“, sagt Dudenhöffer.

Hat VW auch den Motor EA288 manipuliert?

Laut der Nachrichtenagentur Reuters soll VW mehrere Varianten der Betrugssoftware entwickelt und diese in verschiedenen Motoren eingesetzt haben. Laut Reuters haben ein VW-Manager und ein Ermittler gesagt, dass auch der Dieselmotor EA288, der Nachfolger des EA189 mit der Manipulations-Software ausgestattet sei.

Den Motor EA288 gibt es als 1.6- und 2.0-TDI-Variante. Er wird in fast allen Baureihen des Konzerns eingesetzt. Zum Beispiel im Golf VII, dem neuen Passat, im Audi A3, dem Seat Leon oder den beiden Skoda-Modellen Superb und Octavia.

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Fragen zu diesem Thema ließ VW am Mittwoch bis Redaktionsschluss unbeantwortet. „Bei VW fehlt immer noch die Transparenz“, sagt Dudenhöffer. „Information an Kunden und Öffentlichkeit kommen, wenn überhaupt, dann nur häppchenweise“, kritisiert der Experte. „So verstrickt sich VW immer tiefer in den Skandal“.

VW-Akte verschwindet aus Staatskanzlei

In der Staatskanzlei des Landes Niedersachsen ist unterdessen eine Akte zum Diesel-Skandal verschwunden. Die Staatsanwaltschaft Hannover ermittelt wegen möglichen Diebstahls. Die Akte soll laut Regierungssprecherin Anke Pörksen am 9. Oktober „zuletzt bewusst gesehen“ worden sein.

Konzern-Chef Matthias Müller sieht noch keine Folgen der Affäre auf die Jobs bei VW. „Im Moment haben wir keinen Anlass, über Kurzarbeit auch nur nachzudenken“, sagte der Manager in Wolfsburg, wo er mit Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) die Golf-Produktion besuchte.