Essen/Berlin. . Die Prämie für Stilllegung der Braunkohleblöcke könnte mit EU-Recht kollidieren: Für den Essener Konzern RWE bringt das neue Unsicherheit.

Mit dem Kohlekompromiss zur Einsparung von CO2 in der Stromproduktion konnte vor allem der Essener RWE-Konzern gut leben. Könnte, muss es seit gestern heißen, denn der wissenschaftliche Dienst des Bundestages hat ernste Zweifel erhoben, ob der mühsam errungene Kompromiss mit dem Europarecht vereinbar ist. Müsste er wieder aufgeschnürt werden, wäre die gerade gewonnene Planungssicherheit für den kriselnden Stromriesen wieder dahin. Kritiker der von Umweltschützern als zu wirtschaftsfreundlich getadelten Lösung sehen sich bestätigt.

Das Bundeswirtschaftsministerium von Sigmar Gabriel (SPD) hatte mit IGBCE-Chef Michael Vassilliadis unter Beteiligung der betroffenen Länder NRW und Brandenburg hart um eine Alternative für die eigentlich geplante Kohleabgabe gerungen. Die Strafabgabe auf alte und besonders klimaschädliche Kraftwerke hatten Konzerne und Gewerkschaft als Existenzbedrohung für die gesamte Braunkohleindustrie dargestellt und letztlich erfolgreich bekämpft. Stattdessen sollen nun die Konzerne ab 2017 einige Braunkohleblöcke mit einer Gesamtleistung von 2,7 Gigawatt abschalten, um die Klimabilanz aufzubessern.

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Von Michael Kohlstadt

Der EU-rechtliche Haken: Für die Bereithaltung der Kraftwerke sollen RWE und Vattenfall vier Jahre lang eine Vergütung von rund 230 Millionen Euro jährlich erhalten. Dies könne eine genehmigungspflichtige Beihilfe darstellen, schreibt nun der wissenschaftliche Dienst des Bundestages. Ob die EU-Kommission eine solche Beihilfe genehmigen würde, ist nun die große Frage. Sie wird, davon geht man in Berlin aus, eingehend prüfen, ob dieses Modell eine ungerechtfertigte Subvention darstellt.

Grüne Bundestagsabgeordnete Annalena Baerbock ist skeptisch

Dass es Probleme geben kann, ist auch dem Bundeswirtschaftsministerium bewusst. Gegenwärtig untersuche man, „ob die angestrebte Kapazitätsreserve eine Beihilfe“ beinhaltet, sagte eine Sprecherin. Falls dem so sei, gehe man allerdings davon aus, dass die Finanzierung mit den EU-Vorschriften in Einklang gebracht werden könne.

Die grüne Bundestagsabgeordnete Annalena Baerbock ist skeptischer: „Die Braunkohle-Reserve ist nicht nur wirtschaftlicher und energiepolitischer Wahnsinn, sondern auch europapolitisch höchst fragwürdig.“

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RWE wollte sich gestern nicht zu möglichen europarechtlichen Problemen äußern. Der Konzern hatte bereits während der Kompromissfindung im Frühsommer stets betont, nicht an den Verhandlungen beteiligt zu sein.

Wird die Kapazitätsreserve in Deutschland zwingend benötigt?

Bisher gibt es lediglich Eckpunkte, auf die sich die Koalitionspartner verständigt haben. Die Gesetzgebung wird nun für die Ministerialbeamten eine echte Herausforderung. Einerseits muss das Gesetz für die Kapazitätsreserve so formuliert sein, dass nur die zur Stilllegung avisierten Braunkohleblöcke in Frage kommen. Andererseits muss der Eindruck einer gezielten Subvention für zwei Unternehmen in Deutschland vermieden werden. Sonst könnte Brüssel auf die Idee kommen, Konkurrenz im europäischen Ausland werde benachteiligt, der Wettbewerb verzerrt.

Zudem muss die Bundesregierung glaubhaft machen, dass die Kapazitätsreserve in Deutschland zwingend benötigt wird, um das Netz bei schwachem Wind und wenig Sonne stabil zu halten. Genau das sah das Ministerium in seinem ursprünglichen Plan – der Kohleabgabe – aber anders.