Berlin. Die Berliner Koalitionsspitzen beerdigen die Klimaabgabe von Minister Gabriel und einigen sich auch auf neue Milliarden-Fördermittel für energiesparende Investitionen.

Die Energiewende wird für private Haushalte und die Wirtschaft noch einmal spürbar teurer als bisher geplant: Neue Beschlüsse der Koalitionsspitzen zum Klimaschutz und Stromtrassenbau werden in den nächsten Jahren deutlich über zehn Milliarden Euro zusätzlich kosten – finanziert aus Steuern und einem steigenden Strompreis. Gewinner sind die Braunkohlebranche in NRW und Ostdeutschland sowie Anrainer geplanter Stromautobahnen.

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„Historischer Pakt für Wohlstand“

Auf das Paket einigten sich die drei Parteichefs Angela Merkel (CDU), Sigmar Gabriel (SPD) und Horst Seehofer (CSU) bei einem Treffen im Kanzleramt in der Nacht zu Donnerstag. Gabriel erlitt dabei wie erwartet eine Niederlage, dennoch lobte er die Einigung als „historischen Pakt für neuen Wohlstand“. Sein Plan einer Kohleabgabe für alte Braunkohle-Meiler wurde endgültig vom Tisch genommen, nachdem auch Union und SPD-Ministerpräsidenten dagegen Sturm gelaufen waren.

Gabriel wollte mit dem Konzept bis 2020 zusätzlich 22 Millionen Tonnen Kohlendioxid im Stromsektor einsparen, um so die Klimaschutzversprechen der Regierung einzuhalten. An dem Ziel hält die Regierung fest – die Braunkohlebranche muss aber nur noch etwas mehr als die Hälfte der Lasten tragen. Statt eine Kohleabgabe zu zahlen, sollen die Energieunternehmen bis zu acht Braunkohle-Kraftwerksblöcke mit einer Leistung von insgesamt 2,7 Gigawatt schrittweise stilllegen – ein Sechstel der Gesamtkapazität. Allein in NRW werden wohl fünf Kraftwerksblöcke abgeschaltet. Doch der Abschied wird üppig versüßt: Für eine mehrjährige Übergangszeit werden die Meiler als „Kapazitätsreserve“ geparkt, die Unternehmen bekommen dafür jährlich 230 Millionen Euro und eine Einmalzahlung von ein bis zwei Milliarden Euro, die über den Strompreis umgelegt werden.

Massiver Ausbau von Kraft-Wärme-Kopplung

Einen größeren Teil der weiteren CO2-Einsparung soll nun ein massiver Ausbau der Kraft-Wärme-Kopplungs-Anlagen bringen: Für diese Anlagen, die aus Gas Strom und Wärme produzieren, werden die Fördermittel auf 1,5 Milliarden Euro verdreifacht. Beide Maßnahmen zusammen werden den Strompreis nach ersten Schätzungen um mindestens 0,5 Cent pro Kilowattstunde erhöhen: Ein Durchschnittshaushalt dürfte damit etwa 20 Euro im Jahr mehr bezahlen. Teile des Pakets belasten aber auch den Bundeshaushalt: Für Energiespar-Investitionen etwa in neue Heizkessel oder Wärmedämmung, bei der Bahn und in der Industrie gibt es in den nächsten fünf Jahren sechs Milliarden Euro zusätzliche Fördermittel. Gabriel ließ keinen Zweifel daran, dass der mit Merkel und Seehofer ausgehandelte Kompromiss teurer ist als sein Ursprungsplan, den er nach wie vor als „gute Alternative“ lobte.

Schon seit Wochen war aber klar, dass der Minister gegen den starken Widerstand der Braunkohlelobby keine Chance hatte – Konzerne und Gewerkschaften hatten gewarnt, Gabriels Kohleabgabe würde die Schließung ganzer Braunkohle-Tagebaue bedeuten und tausende Arbeitsplätze gefährden.

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Auch vor diesem Hintergrund zeigte sich Gabriel als guter Verlierer und nannte die Beschlüsse eine „von vielen ersehnte Blaupause zur Versöhnung von Ökologie und Ökonomie“. Die Energiebranche und die Kohleländer reagierten erleichtert. NRW-Wirtschaftsminister Garrelt Duin (SPD), der sich für den Kompromiss eingesetzt hatte, sprach von einem „vernünftigen Mittelweg“, mit dem Arbeitsplätze gesichert und Klimaschutzziele erreicht würden. Umweltverbände und Opposition warfen der Regierung dagegen klimapolitisches Versagen auf Kosten der Bürger vor.

Trassen mit Erdkabeln

Die Koalitionsspitzen fassten auf Drängen von CSU-Chef Horst Seehofer noch einen weiteren kostentreibenden Beschluss: Bei den beiden Nord-Süd-Stromautobahnen von Niedersachsen über Hessen und von Sachsen-Anhalt über Thüringen nach Süddeutschland sollen vorrangig Erdkabel verlegt werden – die sind laut Gabriel doppelt so teuer wie Freileitungen. Am Ende werden die Kosten für den Erdkabel-Ausbau den Strompreis erhöhen. Zugleich sollen aber auch verstärkt schon bestehende Stromtrassen genutzt werden, statt neue Schneisen zu schlagen. In Bayern werden deutlich weniger Leitungen verlegt, auch Thüringen ist Nutznießer. Seehofer hatte sich massiv gegen den Trassenbau gewehrt, er zeigte sich nun „rundum zufrieden“.