Essen. Halbjahreszahlen enttäuschen die Anleger. Börsenkurs sackt deutlich ab.Konventionelle Stromerzeugung setzt Essener Konzern immer mehr unter Druck
Der Stromriese RWE segelt immer weiter auf Schrumpfkurs. „Der Wind bläst uns kräftig ins Gesicht“, sagte Konzernchef Peter Terium angesichts des enttäuschenden Halbjahresergebnisses. Gleichzeitig richtete Terium den Blick demonstrativ nach vorn. Die Energiewelt werde immer elektrischer, mobiler und digitaler. „Mit diesen Megatrends wollen wir weiter wachsen“, gab sich der Niederländer zuversichtlich.
Bis dahin aber dürfte vor dem mit schwerer Schlagseite durch die Wogen der Energiewende dampfenden Branchenzweiten noch eine lange Reise liegen. Aus dem gestern in Essen präsentierten Zahlenwerk jedenfalls kann auch der größte Zweckoptimist nur schwerlich Aufbruchstimmung herauslesen. So sackte der um Sondereffekte bereinigte Nettogewinn des Konzerns um fast 28 Prozent auf 543 Millionen ab. Im Vorjahreszeitraum waren noch 749 Millionen Euro in der RWE-Kasse verblieben.
Dass der Überschuss mit Sondereffekten um satte 70 Prozent auf 1,7 Milliarden Euro stieg, liegt fast ausschließlich am Verkauf der Öl- und Gasfördertochter DEA, der im ersten Quartal verbucht wurde. Der Verkauf hatte den Essenern insgesamt fünf Milliarden Euro eingebracht. Der für die Kreditgeber wichtige Gewinn vor Steuern, Abschreibungen und Zinsen (Ebitda) verlor sieben Prozent und saldierte per 30. Juni bei 3,2 Milliarden Euro.
Angesichts des von Analysten in der Höhe nicht erwarteten Gewinnrückgangs reagierte die Börse entsprechend gereizt: Der Kurs der RWE-Aktie verlor mehr als sieben Prozent und war gestern der mit Abstand schwächste Wert unter den Dax-Konzernen – ein besorgniserregendes Signal auch für die zahlreichen kommunalen Aktionäre aus dem Ruhrgebiet, deren dicke RWE-Anteilspakete weiter an Wert verlieren.
Neben Rückschlägen in Großbritannien verhagelt den Essenern besonders die konventionelle Stromerzeugung die Bilanz. Dass Kohle- und Gaskraftwerke angesichts des Einspeisevorrangs von Wind- und Solarstrom kaum noch etwas abwerfen, macht RWE dabei deutlich mehr zu schaffen als dem Düsseldorfer Konkurrenten Eon. Schon die von Eon am Dienstag vorgelegten Zahlen hatten enttäuscht. Von Januar bis Juni ging der Eon-Gewinn aus konventioneller Stromproduktion um 29 Prozent zurück. Bei RWE hat sich die Marge sogar mehr als halbiert.
Deutlich zulegen – allerdings von niedrigem Niveau kommend – konnte dagegen das Geschäft mit dem Wind. Die Erneuerbare-Energie-Tochter Innogy werde ihr betriebliches Ergebnis in 2015 voraussichtlich verdoppeln. An den Prognosen für das laufende Jahr wollen die Essener ohnehin festhalten. Ende 2015 erwartet der Konzern ein Ebitda zwischen 6,1 und 6,4 Milliarden und einen Nettogewinn zwischen 1,1 und 1,3 Milliarden Euro.
Eine Aufspaltung des Konzerns wie bei Eon in zwei eigenständige Gesellschaften für das konventionelle und das erneuerbare Geschäft kommt für RWE derzeit nicht in Frage, wie Terium wortreich betonte. Ausgeschlossen sei ein derartiger Schritt allerdings nicht. Das hänge auch von den künftigen politischen Rahmenbedingungen ab, so Terium. RWE hatte Anfang der Woche eine spürbare Verschlankung der Konzernstruktur beschlossen, der zahlreiche Führungsebenen zum Opfer fallen.