Essen/Berlin. . Ist der Druck von Union und Lobby zu hoch? Wirtschaftsminister Gabriel plant einen Nachlass bei der umstrittenen Klimaabgabe für alte Kohlekraftwerke.
Lenkt Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) im Streit um die geplante Klimaabgabe für alte Kohlekraftwerke ein? Offenbar werden in Gabriels Ministerium Zugeständnisse an die betroffenen Energiekonzerne erwogen. Das geht aus einem neuen Konzeptpapier hervor, das unserer Zeitung vorliegt. Demnach sollen durch die Abgabe nur noch 16 Millionen Tonnen Kohlendioxid (CO2) eingespart werden. Ursprünglich waren es 22 Millionen Tonnen. Die Differenz von sechs Millionen Tonnen könne zum Beispiel über einen stärkeren Ausbau von Anlagen zur Kraft-Wärme-Kopplung (KWK) abgedeckt werden, hieß es.
Der Essener Energiekonzern RWE sah bislang durch die geplante Klimaabgabe im eigenen Unternehmen rund 7000 Arbeitsplätze in Gefahr. „17 unserer 20 Braunkohleblöcke im rheinischen Revier wären in ihrer Existenz bedroht“, hatte RWE-Finanzchef Bernhard Günther gewarnt. Zwei von drei Tagebauen drohe das Aus. Zusätzlich sei der Verlust vieler Tausend weiterer Jobs zu befürchten.
„Etwas von der Braunkohle weg hin zur Steinkohle“
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„Der Klimabeitrag ist so berechnet worden, dass er grundsätzlich nicht zu Stilllegungen führt“, heißt es nun im neuen Konzeptpapier. Vorgesehen ist unter anderem, dass die Höhe des Kraftwerksabgabe an die Entwicklung der Strompreise sowie des EU-Emissionshandels gekoppelt ist. „Der Klimabeitrag ist gering, sofern der Strompreis gering ist und die Unternehmen kaum Erlöse erwirtschaften.“ Auch eine Anhebung von Freibeträgen verbessere „die Wirtschaftlichkeit der alten Kraftwerke deutlich“. Geplant sei zudem, die Kohlendioxid-Einsparung „etwas von der Braunkohle weg hin zur Steinkohle“ zu verlagern.
Aus Kreisen der Koalition verlautete, der Vorschlag sei noch nicht endgültig abgestimmt. Federführend in Sachen Klimaabgabe ist Gabriels Wirtschaftsstaatssekretär Rainer Baake (Grüne). Dem Vernehmen nach will sich Gabriel am Mittwoch mit Wirtschaftsministern der betroffenen Bundesländer, darunter Garrelt Duin (SPD) aus NRW, sowie dem Chef der Gewerkschaft IG BCE, Michael Vassiliadis, treffen, um über die Pläne zu sprechen. Womöglich war die Veröffentlichung des neuen Konzepts eine gezielte Indiskretion.
„Untergangsgeschrei von RWE“
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Von der Opposition im Bundestag kam jedenfalls prompt Kritik. „Das ist ein bitteres Armutszeugnis für die Energiepolitik der Großen Koalition“, sagte Grünen-Fraktionsvize Oliver Krischer. Wirtschaftsminister Gabriel stelle sich „auf die Seite der Ewiggestrigen“ und glaube „dem Untergangsgeschrei von RWE und Vattenfall mit ihren Uralt-Kohleblöcken“. Tobias Münchmeyer von der Umweltschutz-Organisation Greenpeace betonte, die Verantwortung liege bei Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU). „Sie ließ ihren Minister Gabriel beim Ansturm der Braunkohlelobby im Regen stehen.“
Die Gewerkschaft IG BCE bleibt trotz des veränderten Vorschlags skeptisch. „Wir erwarten ein energiepolitisches Gesamtkonzept, das weder Arbeitsplätze gefährdet noch die Unternehmen überfordert“, betonte IG BCE-Sprecher Christian Hülsmeier. „Bislang ist nicht zu erkennen, wie das mit den vorgelegten Ansätzen sichergestellt werden kann.“