Essen/Frankfurt. GDL kündigt neue Streiks ab Dienstag im Güter- und ab Mittwoch im Personenverkehr an. Auch am Pfingstwochenende ist nun mit Streik zu rechnen.

Bahnkunden müssen sich an den Pfingstfeiertagen auf erneute Lokführerstreiks bei der Deutschen Bahn einrichten. Die Gewerkschaft GDL kündigte am Montag die mittlerweile neunte Streikwelle in dem Tarifkonflikt an: Der Ausstand mit offenem Ende soll um 2.00 Uhr in der Nacht zum Mittwoch im kompletten Personenverkehr beginnen. Bereits an diesem Dienstag um 15.00 Uhr legen die Lokführer im Güterverkehr die Arbeit nieder.

Auch der Pfingstverkehr ist betroffen

Das angeblich bereits feststehende Streikende will die Gewerkschaft anders als bei den vorhergehenden Streikrunden erst 48 Stunden vorher nennen. Ein unbefristeter Streik sei das daher nicht, erklärte GDL-Chef Claus Weselsky. Der Streik werde "etwas länger" dauern als die vorangegangene Streikrunde, sagte der Gewerkschafter in Berlin. Nach diesen Worten sind also auch die Pfingsttage betroffen.

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Erst am 10. Mai war ein fast sechstägiger Ausstand im Personenverkehr zu Ende gegangen. Es war der bisher längste Streik in der 21-jährigen Geschichte der Deutschen Bahn AG. Nach erneut gescheiterten Gesprächen vom Wochenende hatte Bahn-Personalvorstand Ulrich Weber von der GDL einen Streikverzicht verlangt. Nur eine Schlichtung über alle strittigen Fragen könne jetzt noch weiterhelfen.

Gespräche gescheitert - daher eine neue Eskalationsstufe

Der Versuch einer Annäherung beider Seiten war am Wochenende gescheitert. Vertrauliche Gespräche wurden am Samstagabend beendet und nicht wie geplant am Sonntag fortgesetzt. Die Tarifparteien wiesen sich dafür gegenseitig die Schuld zu. "Wir sind lange genug verschaukelt worden", erklärte Weselsky. Deshalb werde nun "die nächste Eskalationsstufe" gestartet.

Die Verantwortung trage die Bahn, die in den Gesprächen bewiesen habe, dass in den Verhandlungen keinerlei Ergebnisse erzielt werden sollten, erklärte die GDL. Vielmehr solle der Tarifabschluss bis zum Inkrafttreten des Tarifeinheitsgesetzes verschleppt werden.

Umstrittenes Tarifeinheitsgesetz soll im Juni kommen

Das wird voraussichtlich Anfang Juli geschehen. Dem Gesetzentwurf zufolge soll künftig in einem Betrieb nur noch der Tarifvertrag der jeweils größeren Gewerkschaft gelten. Streiks einer kleineren Gewerkschaft wie der GDL für einen eigenen Abschluss wären dann möglicherweise nicht verhältnismäßig und illegal. Weber sagte, die GDL sei ein wichtiger Partner, "daran wird auch ein Gesetz nichts ändern".

Ein Hauptstreitpunkt war zuletzt ein eigenständiges GDL-Tarifwerk für die rund 3000 Lokrangierführer bei der Bahn. Das Unternehmen habe am Wochenende angeboten, diese Berufsgruppe tariflich wie Lokführer einzugruppieren, sagte der Bahnmanager. Die Lokrangierführer würden somit bei Abschluss des Vertrages "sofort und unmittelbar wie Bereitstellungslokführer und Streckenlokomotivführer bezahlt", sagte Weber. Die Kernforderung der GDL sei damit erfüllt worden. Die GDL habe auch von einer "intelligenten, juristisch machbaren Lösung gesprochen", den Vorschlag aber dennoch abgelehnt.

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Minister Dobrindt hat kein Verständnis

Die Bahn will unterschiedliche Tarifverträge für ein und dieselbe Berufsgruppe vermeiden. Die GDL strebt zunächst eine Einigung über die künftige Tarifstruktur an und will erst danach in einer Schlichtung über Geld, Arbeitszeit und Überstundenbegrenzung sprechen. Sie verfolgt deutlich andere Ziele als die größere EVG.

Vor der Streikankündigung hatte Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt die GDL aufgerufen, einem Schlichtungsverfahren zuzustimmen. "Mir fehlt das Verständnis dafür, wenn man sich nach monatelanger Tarifauseinandersetzung einer Schlichtung verweigert", sagte der CSU-Politiker der "Bild"-Zeitung (Montag). "Verantwortungsvolle Tarifpartnerschaft verpflichtet auch zur Suche nach Kompromissen, das kann nur am Verhandlungstisch geschehen."

Der verkehrspolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Ulrich Lange, zeigte sich erbost über den gewählten Zeitpunkt: "Irgendwann muss Schluss sein. Die GDL sollte sich gut überlegen, ob sie über Pfingsten streiken will. Das würde genau die Falschen treffen, nämlich viele Bürgerinnen und Bürger in Deutschland, die das lange Wochenende für Ausflüge nutzen wollen." Beide Vertragsparteien seien aufgefordert, ernsthafte Tarifverhandlungen zu führen.

Annäherung zwischen der Konkurrenzgewerkschaft EVG und der Bahn

Unabhängig vom Streit mit der GDL will die Bahn "versuchen, am Donnerstag mit der EVG zu einem Abschluss zu kommen", wie Weber sagte. Die Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) dringt auf einen Tarifabschluss für ihre rund 100 000 Mitglieder bei der Bahn an diesem Tag. Für den Fall einer Nichteinigung hat sie ebenfalls mit Streik gedroht. Sie fordert sechs Prozent Einkommenszuwachs, mindestens jedoch 150 Euro pro Monat. Arbeitszeitverkürzungen und Überstundenregelungen wie bei der GDL sind für die EVG keine aktuellen Themen.

Wieder Streik bei der Bahn - die wichtigsten Fragen und Antworten 

Es ist neunte Streik in diesem Tarifkonflikt. Erst am 10. Mai war ein fast sechstägiger Ausstand zu Ende gegangen. Das war der längste Streik in der 21-jährigen Geschichte der Deutschen Bahn AG. Kurz vor dem Ende des jüngsten Ausstands am vorvergangenen Sonntag hatte Weselsky davon gesprochen, dass das Land und die Bahnkunden "jetzt eine Pause verdient" hätten. Am Montag sagte Weselsky nun, die Bahn lasse der Gewerkschaft keine andere Wahl, als den Arbeitskampf zu eskalieren.

Welche Alternativen zur Bahn gibt es im Pfingstverkehr?

Die Bahn wird voraussichtlich wieder einen Ersatzfahrplan aufstellen, mit weniger Verbindungen als gewohnt. Aber auch die Busunternehmer rüsten sich. So weitet das größte deutsche Fernbusunternehmen MeinFernbus FlixBus sein Angebot für das Pfingstwochenende aus.

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"Wir planen mit bis zu drei Bussen mehr pro Strecke", sagte ein Sprecher dem Tagesspiegel. MeinFernbus FlixBus reagiere damit auf seine Erfahrungen aus den letzten Streiks: Zuletzt sei die Zahl der Buchungen um mehr als 150 Prozent gestiegen. Das Busunternehmen rät Reisewilligen, regelmäßig auf die Website zu schauen, weil auch auf ausgebuchten Strecken neue Plätze verfügbar werden könnten, sobald ein weiterer Bus bereitgestellt wird. Die Fahrpreise blieben die gleichen.

Welche Rolle spielen im Tarifstreit die parallelen Verhandlungen mit der EVG?

Kommt es an diesem Donnerstag wie geplant zu einem Abschluss zwischen der Bahn und der Konkurrenzgewerkschaft EVG, steigt der Druck auf die GDL gewaltig. Sie müsste bei allen Berufsgruppen mit Ausnahme der Lokführer gegen dann bestehende Tarifverträge der größeren EVG ankämpfen. Erklärtes Ziel der Bahn sind konfliktfreie Verträge mit beiden Gewerkschaften - sie will also Unterschiede vermeiden, die den Betriebsablauf komplizierter machen würden. Unterschiedliche Arbeitszeiten will sie beispielsweise nicht akzeptieren. Die EVG geht mit einem Abschluss ohne Streik kein Risiko ein: Sie wird sich in Klauseln das Recht für Nachverhandlungen offenhalten, sollte die GDL mehr herausholen.

Warum zieht sich die GDL immer wieder aus den Verhandlungen zurück?

Dieses Verhalten gehört zur Taktik der Gewerkschaft. Weselsky will die Deutsche Bahn so offensichtlich immer wieder zu Zugeständnissen bewegen. Die Rechnung ist bislang aber nicht aufgegangen. In dem Kernpunkt, den die GDL angreift, bleibt der Staatskonzern hart: Er will nicht akzeptieren, dass für Berufsgruppen wie Zugbegleiter oder Lokrangierführer am Ende zwei Tarifverträge mit abweichenden Regelungen gelten - einer mit der GDL und einer mit der EVG.

Was würde der Einsatz eines Schlichters bringen?

Die Lage ist so verfahren, dass ein Schlichter längst überfällig erscheint, um einen Kompromiss zu erreichen. Doch die GDL sperrt sich dagegen - zumindest wenn es um die Grundsatzfrage geht, welche Gewerkschaft für welche Berufsgruppen bei der Bahn Tarifverträge abschließen darf. Erst nach Klärung dieser Tarifstruktur wäre die GDL bereit, in ein Schlichtungsverfahren über Einkommen, Arbeitszeit und Überstunden-Begrenzung einzusteigen. Sie hat dazu nach eigenen Angaben der Bahn den Entwurf eines Schlichtungsabkommens vorgelegt.

Warum sind eigenständige Tarifverträge für die GDL so wichtig?

Weselsky benutzte ein Bild aus dem Kartenspiel, um die Dringlichkeit eigenständiger Tarifverträge für möglichst alle Berufsgruppen des DB-Zugpersonals zu erklären: Der Trumpf steche nur im aktuellen Spiel und danach nie wieder, schrieb er den Mitgliedern in der vergangenen Woche. Soll heißen: Mit Verträgen für Zugbegleiter, Bordgastronomen, Planer und mit Lokführern gleichgestellte Lokrangierführer hätte die kleine GDL für die gesamte Laufzeit einen Fuß in der Tür.

Dann ginge es darum, die EVG bei der Mitgliederzahl in möglichst vielen Betrieben der DB AG zu überflügeln und unter den Bedingungen des geplanten Gesetzes zur Tarifeinheit die tarifbestimmende Gewerkschaft zu werden. Beschränkt sich die GDL hingegen wie bislang auf die Lokführer, müsste sie allein darauf hoffen, dass Karlsruhe das Gesetz als nicht verfassungskonform kassiert.

Lassen sich die Streiks der GDL per Gesetz verhindern?

Bislang nicht. Das soll aber das Tarifeinheitsgesetz ändern, das nach dem Willen der großen Koalition bis zum Juli Bundestag und Bundesrat passieren soll. Künftig soll in einem Betrieb demnach nur noch das Vertragswerk der jeweils größeren Gewerkschaft gelten. Streiks einer kleineren Gewerkschaft für einen eigenen Abschluss wären dann möglicherweise nicht verhältnismäßig und illegal.

Zuvor müsste aber zweifelsfrei festgestellt werden, wer denn nun mehr Mitglieder im jeweiligen Betrieb hat - bei der Bahn mit ihren über 300 Einzelbetrieben ein erheblicher Aufwand. Die Verfassungsrichter müssten zudem bei der zu erwartenden Überprüfung zum überraschenden Schluss kommen, dass die betriebliche Minderheit kein Recht hat, sich zusammenzuschließen und für gemeinsame Ziele notfalls zu streiken. (dpa)