Essen. . Der Bahnstreik ist vorbei - und nun? Der Tarifkonflikt bei der Bahn nervt Kunden. Müsste es in Internetzeiten nicht hippere Aktionsformen geben?
Bahnstreik: Wohl kaum ein Wort bringt die Gemüter so in Wallung, wie der aktuelle Arbeitskampf der Gewerkschaft der Lokführer bei der Deutschen Bahn. Da muss man nur Online-Kommentare unter Streik-Berichten lesen. Der Bahnstreik ist unerwünscht, bei vielen.
Muss es tatsächlich ein Streik sein, wo sich doch so viele daran stören? Sind im Internet-Zeitalter nicht hippe Alternativen für den Arbeitskampf denkbar, die nicht so weh tun, jedenfalls nicht Bahnreisenden?
Hier sind ein paar Überlegungen:
Shitstorm statt Bahnstreik
Worum geht es? Shitstorm ist, wenn viele Leute in sozialen Medien sich ihren Frust von der Seele schreiben und sich das zu einer Welle von Entrüstung hochschaukelt.
Was spricht für diese Streik-Alternative? Die GDL ist in einer doppelten David-gegen-Goliath-Situation, das birgt Entrüstungs- und Solidarisierungspotential: Der Goliath Bundesregierung will den David GDL mit dem Tarifeinheitsgesetz in die Knie zwingen. Und der Bahnriese DB AG tritt die Forderungen auf bessere Arbeitsbedingungen der Lokführer mit Füßen.
Was müsste die GDL tun? Einen waschechten Shitstorm starten. Da fordert dann @weselskyGDL seinen getreuen Follower auf, mitzumachen und am Dienstag Punkt 6 Uhr morgens gemeinsam gegen die böse Bahn zu stänkern. Im Internet, natürlich, nicht im Gleisnetz. Wenn sich viele seiner 34.000 GDL-Mitglieder jedoch auf verschiedene Weise beim dienstagmorgendlichen Facebookposten und Twittern verspäten, verpufft der Sturm zur Brise – die womöglich sowieso niemand mitbekommt, weil alle Influencer gerade auf Wlan-losen Bahnsteigen herumlungern; wie bei der jüngsten Webkonferenz re:publica in Berlin geschehen.
Wie steht es um den Erfolg? Bahnreisende könnten durch aktives Shitstormen einen neuen Bahnstreik verhindern. Wenn sie's denn mitbekommen.
Flashmob statt Bahnstreik
Worum geht es? Flashmobs sind via Internet oder Handy verabredete oft ungewöhnliche Aktionen, die für einen kurzen spontan wirkenden Menschenauflauf sorgen.
Was spricht für diese Streik-Alternative? Flashmobs haben Happeningcharakter und sind meist positiv besetzt: Bahnstreik in fröhlich also – und vor allem: in kurz.
Was müsste die GDL tun? Überraschende Aktionen starten. GDL-Chef Weselsky knöpft sich das Jacket auf und führt eine Lokomotiven-Polonaise durch den Berliner Hauptbahnhof. Weinende Lokführer-Kinder ziehen mit Plakaten durch Bahnhöfe in NRW, auf denen die Parole steht: „Am Wochenende gehört mein Papi mir!“
Wie steht es um den Erfolg? Positive Aktionen sorgen für positives Echo. Und an „Verzögerungen im Betriebsablauf“ ist man als Bahnreisender ohnehin gewöhnt.
Online-Petition statt Bahnstreik
Worum geht es? Eine Petition ist eine Eingabe an eine offizielle Stelle. Online-Petitionen sind ein unkompliziertes Instrument, einem Anliegen Ausdruck zu verleihen und öffentliche Unterstützung zu erreichen. Und sie kosten kaum etwas - auch in punkto Mühe.
Was spricht für diese Streik-Alternative? Online-Petitionen lassen sich bequem von zuhause aus starten und unterstützen. Kein Zug muss ausfallen – ja, selbst wenn: als Unterstützer muss man in keinen steigen.
Was müsste die GDL tun? Auf der Seite epetitionen.bundestag.de etwa könnte die GDL zum Beispiel eine Eingabe starten zum Schutz von Spartengewerkschaften. Mindestens 50.000 Unterstützer („Quorum“) müssen sich dann finden, damit die Eingabe im Petitionsausschuss des Bundestags zur Sprache kommt. Wenn alle etwa 34.000 GDL-Mitglieder abstimmen, sind nur 16.000 weitere Unterstützer nötig.
Wie steht es um den Erfolg? Auf der Bundestagsseite heißt es dazu: „Das Erreichen des Quorums führt nicht zwingend zu einer öffentlichen Beratung; die Abgeordneten des Petitionsausschusses können sich mit einer zweidrittel Mehrheit gegen die Beratung einer Petition in einer öffentlichen Sitzung entscheiden. Dazu diese Zahlen: Der Petitionsausschuss hat 26 Mitglieder. Von SPD und Union sind zusammen 20. Beide Parteien haben jüngst das Tarifeinheitsgesetz auf den parlamentarischen Weg gebacht – gegen Berufsgewerkschaften wie die GDL.
Fazit: Auch wenn die digitale Revolution alte Industrien durcheinanderwirbelt und das Online-Zeitalter unsere Kommunikation verändert: es scheinen sich noch keine Aktionsformen gebildet zu haben, die einen Streik ersetzen könnten.
Es gäbe natürlich ein Mittel, einen weiteren Streik der Lokführer zu vermeiden: die Bahn lenkt gegenüber der GDL ein und lässt sich darauf ein, Tarifverträge mit zwei Gewerkschaften abzuschließen. Das könnte sie dann über ihren Twitter-Account @DB_bahn zum Beispiel ganz modern twittern.