Essen. . Der Streik der Lokführer dürfte die Bahn härter treffen, als viele der Kunden. Die Bahn schätzt den Schaden auf zehn Millionen Euro pro Streiktag.
Stell Dir vor, es ist Bahnstreik - und Züge fahren. Der jüngste Streik der Gewerkschaft der Lokführer bei der Deutschen Bahn bringt genau dieses Bild: Der Fahrplan in NRW ist zwar stark ausgedünnt, viele Linien wurden verkürzt oder entfallen ganz, aber: Auf den wichtigsten Bahnstrecken kommen Reisende auch während des Streiks mit dem Zug an ihr Ziel. Was heißt das für den Streik-"Erfolg"?
Was bringt der Streik der GDL, wenn nach wie vor Züge fahren?
Bei der GDL ist NRW-Vorstand Sven Schmitte froh darüber, dass der Ersatzfahrplan funktioniert: "Unser Streik zielt nicht auf die Bahnkunden, wir wollen einen möglichst großen finanziellen Druck auf die Bahn ausüben".
Welchen finanziellen Schaden bedeutet der Streik für die Bahn?
Bahnchef Rüdiger Grube hatte die Streikkosten für die Bahn im Januar gegenüber Medien auf bis dato 150 Millionen Euro beziffert. Der aktuelle Streik dürfte den Schaden auf gut 40 Millionen Euro erhöhen; je Streiktag bezifferte Grube die finanziellen Folgen für die Bahn AG auf zehn Millionen Euro. Gründe sind: ausbleibende Einnahmen beim Fahrkartenverkauf und Schadenersatzansprüche im Personenverkehr. Noch stärker ins Gewicht fielen jedoch die ausfallenden Erlöse im Güterverkehr. "Vor allem im Frachtverkehr wird sehr schnell umdisponiert auf andere Verkehrsmittel", sagt ein Bahnsprecher auf Anfrage. So schlage schon die Zeit, in der ein Streik zwar angekündigt, aber noch nicht konkret datiert sei, mit fünf Millionen Euro pro Tag zu Buche.
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Wie groß ist der Aufwand für den Ersatzfahrplan?
Organisatorisch ist ein Ersatzfahrplan ein hoher Aufwand für die Bahn, sagt ein Unternehmenssprecher. Welche Linien in welcher Form in NRW aufrechterhalten werden, hänge von der Zahl der Reisenden ab und davon, wieviel Personal zur Verfügung steht und in welchem Bereich (Fahrzeuge bzw. regional) es eingesetzt werden kann. Die zuständigen Disponenten müssten Schichtpläne umbauen und dazu jeden Mitarbeiter im Fahrdienst anrufen und fragen: "Fährst Du oder streikst Du". GDL-Mitglieder würden aus dem Schichtplan genommen und durch anderes Personal ersetzt. Die Bahn baut dabei sehr stark auf beamtete Lokführer und Zugbegleiter aus Bundesbahnzeiten. Aber: "Ihr Anteil sinkt von Jahr zu Jahr", sagt ein Bahn-Sprecher. Im Güterverkehr sei der Anteil von Beamten am höchsten und liege je nach Region zwischen 20 und 35 Prozent bei den Lokführern, heißt es in Bahnkreisen.
Kann die GDL ihren Streik noch weiter verschärfen?
Der aktuelle Streik soll im Güterverkehr am Freitag enden, nach 66 Stunden und im Personenverkehr an diesem Donnerstag, 21 Uhr, nach dann insgesamt 43 Stunden. Sollte die Deutsche Bahn nach diesem Streik nicht auf die Lokführer zugehen, werde darüber beraten erneut zu streiken, sagt GDL-Landeschef Sven Schmitte. "Dann wird es sicher darum gehen, den Streik zeitlich auszuweiten". Dabei werde die GDL auch weiterhin darauf achten, den Bahnverkehr nicht komplett zum erliegen zu bringen, sagt Schmitte. Anders als bei Warnstreiks, die nur wenige Stunden dauern, würden mehrere Tage dauernde Streiks beispielsweise nicht mitten am Tag beginnen oder enden. Der aktuelle Streik etwa begann Mittwochfrüh um 2 Uhr, also in einer Zeit, in der nur wenige Züge unterwegs sind und die meisten in den Depots stehen. Eine plötzlich beginnender Arbeitsausstand, bei dem zum Beispiel Bahnhöfe blockiert würden, würde die Bahn logistisch zweifellos viel härter treffen - aber eben auch die Kunden, sagt Schmitte. Er wiederholt deshalb: "Wir wollen möglichst nicht die Bahn-Kunden treffen, sondern unseren Arbeitgeber".
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Welche Folgen hat der Streik der Lokführer für die Bahn noch?
"Der Streik bringt der Bahn große Probleme und Ärger und ist auch ein Nackenschlag für das Image der Bahn als ein verlässliches Verkehrsmittel", sagt Lothar Ebbers, Sprecher des Fahrgastverbands Pro Bahn NRW. Auch ein Bahnsprecher räumt das ein, mag diese Folgen konkret jedoch nicht beziffern. Bei Reisenden jedenfalls würde ein Bahnstreik heute auch deshalb nicht mehr so stark ins Gewicht fallen, weil es mittlerweile ein immer größeres Netz an Fernbussen in Deutschland gibt. Die Bahn hat die wirtschaftlichen Auswirkungen übrigens schon zu spüren bekommen: 2014 verlor die Deutsche Bahn nach eigenen Berechnungen 130 Millionen Euro an die Bus-Konkurrenz.
Wieso ist ein Ende des Tarifstreits zwischen Bahn und GDL nicht absehbar?
Die GDL wirft der Bahn vor, sie versuche die streikenden Lokführer als "Schwarzer Peter" zu outen. Dabei habe es der Bahn-Vorstand in der Hand, endlich mit der GDL zu einer Einigung zu kommen. Bahn-Personalvorstand Ulrich Weber verurteilte jüngst den Streik und warf der GDL vor, sich einer Einigung zu verweigern: "Es existiert ein Papier mit dem Verhandlungsergebnis, mit dem Zwischenergebnis vom Freitag, mit unserer Unterschrift". Was fehle, sei die Unterschrift der GDL, sagte Weber in der ARD. Bei der GDL widerum treibt das den Puls im Vorstand hoch. Das angesprochene Papier der Bahnführung enthalte einen Passus, wonach die Deutsche Bahn jederzeit und ohne Repressalien von dem Ergebnis zurücktreten kann, sagt GDL-NRW-Chef Sven Schmitte. "Das werden wir nicht unterschreiben". Nach 16 Verhandlungsrunden habe die GDL die Tarifgespräche in der vergangenen Woche auch deshalb für gescheitert erklärt, "weil der Bahn-Führung aus unserer Sicht auf Zeit spielt". Grund ist die Große Koalition in Berlin und das von ihr auf den Weg gebrachte Gesetz zur "Tarifeinheit", das die Macht kleiner Berufsgewerkschaften beschneiden will. Es sollte ursprünglich im vergangenen September verabschiedet werden. Nun ist von diesem Juni die Rede, heißt es. Ein erneuter Streik der Lokführer? Er wäre nicht unwahrscheinlich.