Berlin. . Die Stromkonzerne sind schwer unter Druck. Wirtschaftsminister Gabriel will nun prüfen, ob die zugesagten Mittel für die Atomkraftwerke sicher sind.

Die Bundesregierung sorgt sich zunehmend um die Sicherheit der Milliarden-Rückstellungen, mit denen die vier großen Energiekonzerne Abriss und Entsorgung ihrer stillgelegten Kernkraftwerke finanzieren sollen. Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) prüft deshalb jetzt die Überführung der 36-Milliarden-Verpflichtungen in einen öffentlich-rechtlichen Fonds. In einem ersten Schritt werde er die Jahresabschlüsse der Betreiber ei­nem „Stresstest“ unterziehen, kündigte Gabriel in einem Schreiben an die Koalitionsfraktionen an, das unserer Zeitung vorliegt.

Vorsorge für Stilllegungskosten

Der Minister stützt sich auf ein von ihm in Auftrag gegebenes Gutachten, das vor erheblichen Unsicherheiten bei den Rückstellungen warnt, wie sie Kritiker schon seit längerer Zeit monieren: Nach ge­genwärtiger Rechtslage gebe es „Risiken faktischer und rechtlicher Art“, dass die Vorsorge der Unternehmen nicht ausreiche und im schlimmsten Fall der Staat mit Milliarden für das komplette Aus der Atomenergie einspringen müsse, so das Gutachten. Es bestehe auch das Risiko einer Zahlungsunfähigkeit von Kernkraftwerks-Betreibern, ohne dass der Staat dann auf die Gelder zugreifen könne.

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Die vier Kernkraftwerksbetreiber in Deutschland müssen laut Gesetz in ihren Bilanzen Vorsorge für die von ihnen zu tragenden Kosten der Stilllegung, des Rückbaus und der Entsorgung ihrer Reaktoren treffen – derzeit haben sie dafür etwa 36 Milliarden Euro zurückgestellt: Auf Eon entfallen laut Bilanz von 2013 rund 14,6 Milliarden Euro, auf RWE 10,2 Milliarden Euro, auf Vattenfall 1,6 Milliarden und auf EnBW 7,7 Milliarden Euro. Diese Gelder liegen aber nicht auf Konten, sondern sind in Sachwerten gebunden, deren Wert sich zum Teil deutlich verringert hat.

Die Gutachter warnen, spätestens mit dem Abschalten der letzten Kernkraftwerke Ende 2022 würden voraussichtlich keine relevanten Einkünfte mehr erzielt. Sollten die Kosten für Rückbau und Entsorgung dann höher ausfallen als erwartet, würden die Rückstellungen nicht ausreichen. Die Ankündigung von Eon, das Energiegeschäft einschließlich der Kernkraftwerke in eine neue Gesellschaft zu überführen, habe die Sorge um den Haftungsausschluss noch verstärkt.

Ausgestaltung noch völlig offen

Das Gutachten empfiehlt daher für die langfristigen Verpflichtungen die Einrichtung eines öffentlich-rechtlichen Fonds etwa in Form einer Stiftung, um die Rückstellungen zu sichern. Denkbar sei es auch, parallel für kurzfristigere Aufgaben wie den Rückbau der Kraftwerke einen internen Fonds in den Konzernen einzurichten – auf dieses Sicherungsvermögen hätte der Staat im Notfall Zugriff.

Gabriel will nun die Einrichtung eines internen oder externen Fonds prüfen, um die Rückstellungen zu sichern. „Mit diesem Ansatz werden wir dazu beitragen, den Rückbau der Kernkraftwerke und ihre Entsorgung finanziell zu sichern und sozialverträgliche Lösungen für die Beschäftigten zu finden“, erklärte der Minister. In seinem Ressort wird aber eingeräumt, dass der Aufbau eines öffentlich-rechtlichen Fonds nur schrittweise erfolgen könne, andernfalls drohe die Insolvenz der Unternehmen. Die Ausgestaltung ist ohnehin noch völlig offen: Die Kernkraftwerksbetreiber hatten selbst bereits eine Stiftung vorgeschlagen – die Unternehmen wären damit alle Risiken los, was politisch kaum durchsetzbar wäre.