Essen. . Eine Studie der Bertelsmann-Stiftung zeigt: 60 Prozent aller Betriebe haben noch niemals Azubis mit ausländischen Wurzeln ausgebildet.
Schulabgänger mit Migrationshintergrund haben es bei der Suche nach einem Ausbildungsplatz besonders schwer. Zu diesem Ergebnis kommt eine aktuelle Unternehmensbefragung im Auftrag der Bertelsmann-Stiftung. Die Autoren der Studie rechneten aus ihrer repräsentativen Umfrage unter 1011 Betrieben heraus, dass derzeit nur rund 15 Prozent aller 450 000 Ausbildungsbetriebe in Deutschland Jugendliche mit Migrationshintergrund ausbilden. Für diese knapp 70 000 Unternehmen sei es längst zur Selbstverständlichkeit geworden, junge Leute mit ausländischen Wurzeln auszubilden.
Für das Gros der deutschen Firmen hingegen komme das derzeit offenbar gar nicht in Frage: Fast 60 Prozent aller Betriebe haben der Studie zufolge überhaupt noch nie einem Jugendlichen mit Migrationshintergrund einen Ausbildungsplatz gegeben.
Trotz guter Zeugnisse keine Chance
Offensichtlich hegen viele Personalchefs immer noch große Vorbehalte gegenüber Bewerbern mit ausländischen Wurzeln. Denn nicht einmal diejenigen, die einen mittleren Bildungsabschluss vorweisen können, finden ohne weiteres eine Lehrstelle. Im Gegenteil: Eine überwältigende Mehrheit von 71 Prozent der Bewerber mit Migrationshintergrund klappert laut Studie die Lehrbetriebe trotz vorweisbarer Schulzeugnisse vergeblich ab.
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Bei der Ursachenforschung für das Phänomen stießen die Studienautoren Ruth Enggruber und Josef Rützel auf Widersprüche. Denn fast 75 Prozent der befragten Firmen nannten als Grund, niemanden mit Migrationshintergrund auszubilden, die Tatsache, dass sie erst gar keine Bewerbung aus dieser Gruppe junger Menschen erhalten hätten. Das aber halten die beiden Bildungsforscher für wenig plausibel. Andere Befragungen hätten ergeben, dass sich diese Gruppe junger Leute bei besonders vielen Betrieben bewerbe.
Unternehmen fürchten - falscherweise - eine Sprachbarriere
Gegen die Einstellung von Azubis mit ausländischen Wurzeln sprechen nach Angaben der Unternehmen die Sorge vor Sprachbarrieren (38 Prozent) und kulturellen Unterschieden (14,7 Prozent). Nur ein geringer Teil der Betriebe befürchtet schlechtere Leistungen. (9,1 Prozent). Die Befragung zeigt auch: Wer bereits Jugendliche mit Migrationshintergrund ausgebildet hat, der betrachtet das als selbstverständlich und bildet am Ende auch erfolgreich aus (75,3 Prozent). Eine ausländische Herkunft ist für diese Unternehmen offensichtlich kein Kriterium bei der Auswahl eines Bewerbers.
Meier scheint der bequemere Weg zu sein
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Das Ergebnis der Studie spiegelt sich in den Beobachtungen der Wirtschaft in unserer Region wider. „Im Verhältnis zur Menge der Menschen mit Migrationshintergrund in Deutschland ist die Zahl von Azubis mit ausländischen Wurzeln geringer, als sie sein könnte“, teilt Hans Michaelsen, Ausbildungsexperte der Industrie- und Handelskammer Essen, die Einschätzung der Bertelsmann-Studie. Ausbildungsbetriebe hätten oft Angst, die Jugendlichen nicht richtig einschätzen zu können. Michaelsen: „Wenn sie dann die Wahl haben zwischen Meier und Mohammed, dann nehmen sie Meier. Das ist aus Sicht der Betriebe der bequemere Weg.“
Kontraproduktive Haltung
Frank Frick, Bildungsexperte der Bertelsmann-Stiftung, hält dieses Verhalten für kontraproduktiv. Mehr als ein Viertel der Jugendlichen habe heute ausländische Wurzeln. Ihnen den Zugang zur Ausbildung zu erleichtern, sei wichtig für eine gelungene Integration der Betroffenen in unsere Gesellschaft und für die Wirtschaft ein notwendiger Baustein im Kampf gegen den Fachkräftemangel. Auch IHK-Mann Michaelsen appelliert an die Unternehmen: „Betriebe, die nicht oder zu wenig ausbilden, schneiden sich am Ende ins eigene Fleisch.“ Man könne nicht den Fachkräftemangel beklagen und gleichzeitig ein großes Potenzial an Arbeitskräften bei der Bewerbung ausschließen.