Essen. . Im Interview spricht Werner Müller, Chef der RAG-Stiftung und Evonik-Aufsichtsratschef, über die Konzernlandschaft im Revier und Borussia Dortmund.
Bundeswirtschaftminister, RAG- und Evonik-Chef, Aufsichtsratsvorsitzender der Deutschen Bahn – Werner Müller (68) hatte schon viele Ämter und Aufgaben. Heute ist er Chef der RAG-Stiftung und damit auch Aufsichtsratschef des Essener Chemiekonzerns Evonik. Denn die Stiftung ist der Mehrheitseigentümer des Konzerns. Evonik wiederum ist auch am Fußball-Bundesligisten Borussia Dortmund beteiligt.
Als Wirtschaftsminister hat Müller den Atomausstieg unter Rot-Grün mitverhandelt, als Industriemanager den Abschied von den Steinkohle-Subventionen. Müller lebt in Mülheim an der Ruhr. In jüngeren Jahren wäre er gerne Konzertpianist geworden, hat sich dann aber für Linguistik und Volkswirtschaft entschieden. In unserem Interview spricht Müller darüber, wie er mit Hilfe der RAG-Stiftung mehr für Bildung, Wissenschaft und Kultur im Ruhrgebiet tun will. Er äußert sich zu Konzernen wie Evonik, Eon und Steag – und auch zur schwierigen Situation bei Borussia Dortmund.
Herr Müller, es ist die Aufgabe der RAG-Stiftung, Geld für die teuren Hinterlassenschaften des Steinkohlenbergbaus einzusammeln. Vermutlich bis in alle Ewigkeit muss Grubenwasser gepumpt werden, damit das Ruhrgebiet nicht absäuft. Hat die Stiftung dafür genug Geld in der Kasse?
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Werner Müller: Ab dem Jahr 2019 müssen wir jährlich schätzungsweise rund 220 Millionen Euro ausgeben, um die Ewigkeitsaufgaben zu finanzieren. Unsere Einnahmen entwickeln sich erfreulich. In 2014 liegen wir bei rund 350 Millionen Euro, für die Jahre ab 2019 rechnen wir mit rund 400 Millionen Euro. Das heißt, wir haben eine solide Finanzierung für eine Aufgabe, für die sonst wohl die Steuerzahler aufkommen müssten.
400 Millionen minus 220 Millionen – bleiben 180 Millionen Euro. Was soll mit dem Geld geschehen, das nicht für die Folgekosten des Bergbaus gebraucht wird?
Müller: Einen großen Teil davon benötigen wir für den Ausbau unseres Kapitalstocks, um auch eventuell ertragsschwächere Jahre problemlos durchstehen zu können. Mit dem, was danach übrig bleibt, könnten wir uns in der Region engagieren. Bislang sind uns hier finanziell aber sehr enge Grenzen gesetzt. Wenn man diese Grenzen etwas weiter fassen würde, könnte man mit dem Geld der Stiftung hier viel Gutes bewirken, immer vorausgesetzt, dass wir dauerhaft deutliche Mehreinnahmen erwirtschaften.
Im politisch geprägten Kuratorium sitzen unter anderem die Länderregierungschefs aus NRW und dem Saarland, Bundesfinanz- und Wirtschaftsminister und der Chef der Bergbaugewerkschaft. Bei der Stiftungsgründung wollte der damalige NRW-Ministerpräsident Rüttgers verhindern, dass ein neues industriepolitisches Machtzentrum entsteht. Erhoffen Sie sich nun mehr Spielraum?
Müller: Es geht hier weniger um Industriepolitik. Wir wollen Geld, das in den Bergbauregionen erwirtschaftet wurde, für Bildung, Wissenschaft und Kultur ein Stück weit an die Regionen und ihre Bürger zurückgeben. Der öffentlichen Hand fehlen hierfür zunehmend die Mittel. Das Deutsche Bergbau-Museum in Bochum beispielsweise ist in einem bedauernswerten Zustand und müsste grundsaniert werden. Oder schauen Sie sich die Finanzierung des Weltkulturerbes Zeche Zollverein an. Es gäbe auch darüber hinaus genug zu tun.
Die RAG-Stiftung will mehr Geld ausgeben?
Müller: Nochmal. Wir erwirtschaften schon heute mehr, als wir ab 2019 ausgeben müssen. Ich bin dafür, dass wir künftig guten Gewissens etwas mehr Geld für unsere Förderaktivitäten ausgeben dürfen als heute.
An welche Summen denken Sie?
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Müller: Wir haben einmal mit 1,5 Millionen Euro angefangen, für 2015 stehen uns 7,5 Millionen zur Verfügung, 2016 rechnen wir mit zehn Millionen Euro. Ich denke aber, dass auf lange Sicht ein Viertel der Differenz zwischen jährlichen Einnahmen und Ausgaben eine gute Zielgröße wäre. Immer vorausgesetzt, dass zugleich der Vermögensaufbau für die Deckung der Ewigkeitskosten definitiv gewährleistet ist.
Der größte Geldbringer der Stiftung ist derzeit der Essener Chemiekonzern Evonik. Rund 68 Prozent der Evonik-Aktien sind in Besitz der Stiftung. Um das Risiko zu streuen, sollen Stück für Stück Anteile verkauft werden - bis es nur noch 25,1 Prozent sind. Wie lange wird das dauern?
Müller: Wir haben überhaupt keinen Zeitdruck. Die Dividendenrendite von Evonik liegt aktuell bei rund vier Prozent. Das ist gerade in Zeiten niedriger Zinsen ein ordentliches Niveau. Aber klar ist: Auf lange Sicht wollen wir uns breiter aufstellen, um das theoretische Risiko zu großer Chemielastigkeit zu senken.
Die RAG-Stiftung will gezielt in mittelständische Betriebe investieren. Doch bislang ist das Geld ausschließlich in Unternehmen außerhalb von NRW geflossen – nach Rheinland-Pfalz, Hessen, Baden-Württemberg und Bayern. Ein Zufall?
Müller: Ja, das ist ein Zufall. Wir haben uns auch einige Unternehmen aus NRW angeschaut. Bislang hat sich noch nichts ergeben, was unseren Anforderungen entspricht. Aber das muss ja nicht so bleiben.
Lassen Sie uns über die Energiewende reden. Der Eon-Konzern spaltet sich auf – in Unternehmen mit den alten und den neuen Geschäften. Kommt Ihnen das Modell bekannt vor?
Müller: Es erinnert mich schon an das, was wir bei Evonik und RAG organisiert haben: eine Aufteilung in den schwarzen und den weißen Bereich, die Trennung des Haftungsverbunds und damit in unserem Fall das Ende der subventionierten Steinkohlenförderung.
Um die Altlasten der Bergwerke zu finanzieren, wurde zugleich die RAG-Stiftung gegründet – anders als bei Eon. Ließen sich durch Stiftungsmodelle auch die Ewigkeitskosten nach dem Atomausstieg begleichen?
Müller: Ich kann Bemühungen, auch in diesem Bereich ein Stiftungsmodell auf den Weg zu bringen, gut nachvollziehen. Es ist nicht die schlechteste Herangehensweise, eine gute Idee zu kopieren.
Auch für die Kohlekraftwerke sind Stiftungsmodelle im Gespräch. IGBCE-Chef Vassiliadis hat vorgeschlagen, die Steinkohlekraftwerke in einer Gesellschaft zu bündeln. Was halten sie von dem Plan?
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Müller: Die Idee klingt vernünftig. Ein Gemeinschaftsunternehmen, das für den Erhalt der notwendigen Kraftwerke sorgt und entsprechend bezahlt wird, würde noch viele Jahre lang gebraucht.
Müssen Sie nicht heilfroh sein, dass sich Evonik angesichts der Kraftwerkskrise rechtzeitig vom Kohleverstromer Steag getrennt hat – durch einen Verkauf an Revier-Stadtwerke?
Müller: Dass ich darüber froh bin, möchte ich nicht behaupten. Die Steag war mir immer lieb und teuer. Leider gehört das Unternehmen ebenfalls zu den Leidtragenden einer Entwicklung am Energiemarkt, der mittlerweile in hohem Maß vom subventionierten Ökostrom geprägt wird.
Wie veränderungsbereit ist das Ruhrgebiet? Thyssen-Krupp-Chef Hiesinger hat gesagt, er habe noch nie eine Region erlebt, wo die Menschen so sehr aufs Bewahren aus sind.
Müller: Ein gewisses Beharrungsvermögen ist ja per se keine schlechte Eigenschaft. Aber ist ihm bewusst, dass in einer historisch kurzen Zeit rund 1,5 Millionen Arbeitsplätze in und bei der Kohle abgebaut wurden ohne soziale Konflikte? Und man kann nicht hoch genug würdigen, dass die Bergleute beschlossen haben, ihren Beruf aufzugeben, um das sozialverträgliche Ende des deutschen Steinkohlenbergbaus erst möglich zu machen. Ich erkenne darin ein hohes Maß an Veränderungsbereitschaft. Das stimmt mich auch für die Zukunft des Ruhrgebiets zuversichtlich.
Im vergangenen Jahr hat sich Evonik am Bundesligisten Borussia Dortmund beteiligt und den Sponsoring-Vertrag bis Mitte 2025 verlängert. Aber mittlerweile steht die Borussia auf einem Abstiegsplatz. Wie weh tut diese Entwicklung?
Müller: Ich finde es schon ein bisschen ärgerlich, aber ich denke, das werden die Verantwortlichen schon wieder in den Griff bekommen. Ich würde nicht von einer Krise sprechen und ich glaube auch nicht an einen Abstieg.
Stellen Sie sich vor, BVB-Trainer Klopp wäre ein Vorstandsmitglied – und Sie der Aufsichtsratschef. Würden Sie Klopps Vertrag verlängern?
Müller: Vorweg: Der BVB hat zurzeit einen hervorragenden Aufsichtsratschef. Aber mal Ihre These unterstellt: Ja, ich würde den Vertrag mit Herrn Klopp verlängern.