Erfurt. Wie müssen Bereitschaftsdienste entlohnt werden? Bei Pflegekräften mit dem vollen Mindestlohn – das hat das Bundesarbeitsgerichts in Erfurt am Mittwoch entschieden. Das Urteil hat wohl auch Folgen, die weit über die Pflege-Branche hinaus reichen.
Der Mindestlohn in der Pflegebranche muss auch für Bereitschaftsdienste voll gezahlt werden. Das hat am Mittwoch das Bundesarbeitsgericht in Erfurt klargestellt. Die Entscheidung hat Bedeutung weit über den konkreten Fall aus Baden-Württemberg hinaus. In Deutschland arbeiten etwa 950.000 Menschen in der Pflege. Nach Angaben einer Gerichtssprecherin können Betroffene ein Jahr rückwirkend Ansprüche geltend machen. Eine ähnliche Formulierung wie in der Verordnung zur Pflegebranche findet sich auch im Gesetz über den Mindestlohn von 8,50 Euro, der ab 1. Januar bundesweit gilt.
Im konkreten Fall hatte die Klägerin als Pflegehelferin bei einem privaten Pflegedienst gearbeitet. Dabei betreute sie in zweiwöchigen Diensten zwei Frauen rund um die Uhr und wohnte dabei mit ihnen in Stuttgart unter einem Dach. Von ihrem Arbeitgeber verlangte sie abzüglich von unbezahlten Pausen für jede Art der Arbeit den Mindestlohn von damals 8,50 Euro und damit eine Nachzahlung von knapp 2200 Euro. Der Arbeitgeber hielt dagegen, dass die Frau nicht tatsächlich rund um die Uhr gearbeitet habe und Bereitschaftsdienste per Arbeitsvertrag geringer vergütet werden könnten.
Bereitschaftszeiten sind als Arbeitszeiten zu werten
Diese Ansicht teilten die obersten deutschen Arbeitsrichter mit Blick auf die Regelungen für die Pflegebranche nicht. Denn in der Verordnung von 2010 sei festgelegt, dass der Mindestlohn "je Stunde" gezahlt werden müsse. Dazu gehörten auch Arbeitsbereitschaft und Bereitschaftsdienste, in denen sich der Beschäftigte an einem vom Arbeitgeber bestimmten Ort aufhalten und bei Bedarf sofort seine Arbeit aufnehmen müsse. Für solche Fälle könnten in der Verordnung geringere Entgelte vereinbart werden, dies sei aber nicht geschehen. Anderslautende Vereinbarungen auf Ebene der Arbeitsverträge seien unwirksam, entschieden die Erfurter Richter.
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Die Deutsche Stiftung Patientenschutz bezeichnete die Entscheidung als "wegweisend". "Würdige Pflege ist nur unter würdigen Arbeitsbedingungen möglich", betonte Vorstand Eugen Brysch. Auch der Arbeitgeberverband Pflege unterstützte den Richterspruch. Mit der neuen Regelung zum Pflege-Mindestlohn ab 1. Januar sei bereits klar festgelegt worden, "Bereitschaftszeiten sind als Arbeitszeiten zu werten", sagte Verbandssprecher Steffen Ritter. Mit einer Flut an Nachforderungen rechne der Verband nicht. Die meisten Arbeitgeber hätten das schon in der Vergangenheit korrekt gehandhabt. Ritter: "Weitere Klagen zu diesem Thema sind uns nicht bekannt." (dpa)