Frankfurt/Main. Die Europäische Zentralbank hat als Konsequenz aus den Finanz-Krisen die Aufsicht über die wichtigsten Geldhäuser im Euroraum übernommen. Unter anderem sollen strauchelnde Geldhäuser künftig rasch abgewickelt werden können. Die neue Aufgabe der EZB bleibt allerdings umstritten.
Die Schieflage einzelner Banken kann das ganze Finanzsystem ins Wanken bringen und Steuerzahler Milliarden kosten. Turbulenzen wie in der Finanzkrise sollen sich nach dem Willen der EU nicht wiederholen. Deshalb entsteht unter dem Dach der Europäischen Zentralbank (EZB) eine Super-Aufsicht, die die wichtigsten Geldhäuser in den 18 Ländern des Euroraums kontrollieren soll. Nach einer intensiven Überprüfung der Banken in den vergangenen Monaten nimmt die neue Behörde am Dienstag (4. November) ihre Arbeit auf.
Warum übernimmt die EZB nun auch die Bankenaufsicht?
Eine gemeinsame Aufsicht über die größten Banken im Euroraum soll Vertrauen in die Stabilität der Institute schaffen, das während der Finanzkrise verloren gegangen war. Der Aufbau der Bankenaufsicht erfolgte unter extremem Zeitdruck, nach dem endgültigen Beschluss blieb nur rund ein Jahr für die Vorbereitung. Die europäische Politik sah nur eine Institution, der sie die Aufgabe zutraute: die EZB.
Welche konkreten Aufgaben haben die Aufseher?
Die EZB wird die oberste Behörde für die Banken in der Eurozone. Für 120 große Institute - davon 21 aus Deutschland - ist sie künftig direkt zuständig. Die wichtigsten grenzüberschreitend tätigen Finanzhäuser mit einer Bilanzsumme von mehr als 30 Milliarden Euro sollen damit nach einheitlichen Kriterien kontrolliert werden. Bislang standen nationale Aufseher häufig im Ruf, zu milde mit ihren jeweiligen Kreditinstituten umzugehen. Das lag auch daran, dass die Banken oft der größte Geldgeber für die Staaten sind.
Was ist mit den kleineren Instituten?
Die tägliche Aufsicht über die Geschäfte der kleinen Geldhäuser haben weiterhin die nationalen Behörden. Zuständig sind in Deutschland die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin) und die Bundesbank. Die EZB hat aber das Recht, notfalls bei jeder der rund 6000 Banken im gemeinsamen Euro-Währungsgebiet durchzugreifen.
Wo ist das Problem?
Kritiker warnen vor Interessenkonflikten: Die Euro-Hüter versorgen die Banken einerseits mit Geld, andererseits entscheiden sie gleichzeitig über die Qualität der Vermögenswerte der Institute. Eine Gruppe deutscher Professoren stellt gleich das ganze Projekt der Bankenunion infrage und hat dagegen Verfassungsbeschwerde eingelegt. Sie warnen, dass die EZB mehr Macht bekomme, als ihr zustehe.
Was tut die EZB gegen dieses Dilemma?
Die Bankenaufsicht kommt zwar unter das Dach der EZB, wird aber räumlich getrennt. Die Kontrollbehörde unter Führung der Französin Danièle Nouy zieht in den Frankfurter Eurotower. Dieser wird nach dem Umzug der EZB in ihre neue Zentrale im Ostend der Stadt frei. Bis dahin arbeiten die rund 1000 Beschäftigten der Aufsicht an verschiedenen Standorten in der Main-Metropole. Zudem steht die Bankenaufsicht nicht direkt unter der Regie des EZB-Rates, der die Geldpolitik steuert. Vielmehr gibt es ein neues Aufsichtsgremium, das aus Vertretern der EZB und der nationalen Kontrollbehörden besteht.
Welchen Zweck hatte der Stresstest, und was sind die Ergebnisse?
In den vergangenen Wochen bereitete die EZB ihre neue Aufgabe mit einem umfangreichen Fitnesscheck der Großbanken vor. Sie prüfte, ob die Institute in ihren Bilanzen Risiken richtig einschätzen. Anschließend schickten die Aufseher die Banken durch einen Stresstest, um deren Stabilität im Fall einer neuen Krise zu testen. So wollte die EZB sicherstellen, dass die Banken ohne bisher unentdeckte Altlasten unter ihre Aufsicht kommen. Beobachter sprachen von einem durchaus gelungenen Start. So stockten viele Institute ihre Kapitalpuffer bereits auf. Beim Test fielen insgesamt 25 Institute durch, von denen 13 nun nachbessern müssen.
Was passiert künftig mit Banken, die ins Straucheln geraten?
Von 2016 an sollen gemeinsame Regeln zur Sanierung und - im Notfall - Schließung von Banken greifen. Eine marode Bank soll so schnell wie möglich - wenn nötig binnen eines einzigen Wochenendes - geschlossen werden können, um Panik unter Sparern und Anlegern zu vermeiden. In der Regel leitet die EZB als Bankenaufsicht das Verfahren ein. Zuständig für die Abwicklung ist ein unabhängiges europäisches Gremium, das "Single Resolution Board" (SRB). Im Fall der Schieflage einer Bank sollen zunächst deren Aktionäre und Sparer herangezogen werden - und nicht mehr allein der Steuerzahler. Alle Länder sollen Notfallfonds aufbauen, die sich aus Abgaben der Banken finanzieren. Bis zum Jahr 2024 sollen dazu etwa 55 Milliarden Euro zusammenkommen. (dpa)